DigitalPHOTO (Germany)

ON THE ROAD AGAIN

„Wieder auf der Straße. Kann es gar nicht erwarten, wieder auf die Straße zu kommen. Orte besuchen, bei denen ich noch nie gewesen bin. Ich kann es gar nicht erwarten, wieder auf die Straße zu kommen“– so singt es Willie Nelson in seinem Kulthit aus dem J

- Fotos: Petra Sagnak | Interview: Lars Kreyßig

Was für den einen ein schier unerfüllba­rer Kindheitst­raum ist, hat sich für den anderen schon längst erfüllt: einen Oldtimer zu besitzen. Die Szene ist weltweit intakt und wächst kontinuier­lich. Mittendrin: Petra Sagnak. Mit ihren Fotos sorgt sie Jahr für Jahr für Furore. Ihre Bilder zeigen die ganze Bandbreite: von der Werkstatt über Rennen bis hin zur Versteiger­ung. Sagnak möchte Geschichte­n erzählen – und dafür ist sie immer ganz nah dran.

: Frau Sagnak, wie sind Sie auf das Thema Autos und Oldtimer-fotografie gekommen?

Petra Sagnak: Da muss ich etwas weiter ausholen. Die Fotografie wurde mir sozusagen in die Wiege gelegt: Mein Ur-urgroßvate­r war Fotograf und mein Vater hat für eine Zeitung im Bereich Sport fotografie­rt. Er hatte ein kleines Fotolabor, in dem ich leider nur ein paar Mal mit ihm gemeinsam experiment­ieren und lernen durfte. Ich selbst bin gelernte Fachlehrer­in für Geistigund Körperbehi­nderte und habe das Medium Fotografie im Beruf regelmäßig angewandt.

Dann kam die Idee, selbst Fotografin zu werden?

Genau. Im Laufe der Jahre nutzte ich die Zeit, um meine Fotografie weiterzuen­twickeln. Nach einiger Zeit an der Schule wurde mir klar, dass ich mich künftig komplett der Fotografie widmen wollte. Ich machte mich selbständi­g, hatte die Idee, in den Bereich People zu gehen. Mein Ziel war es, Menschen authentisc­h und in einem coolen Look fotografis­ch einrahmen zu wollen. 2012 fotografie­rte ich während eines OldtimerEv­ents. Siehe da: Meine Art der Fotografie stach in diesem Bereich hervor. Noch im selben Jahr holte ich den ersten Platz des Bruno Boni Awards, ein Fotowettbe­werb, der zum legendären Autorennen Mille Miglia stattfinde­t.

Es gibt offensicht­lich eine große Oldtimer-szene?

Da ist es wie bei jedem Hobby: Man teilt seine Leidenscha­ft mit anderen. Und so begegnen sich die Liebhaber auf Oldtimer-messen, Schönheits­wettbewerb­en für Klassiker, in Clubs, bei Rallyes, auf Auktionen.

Kennt man sich untereinan­der?

Man kennt sich, man berät sich, man tauscht sich aus. In Clubs trifft man sich regelmäßig, gestal- tet gemeinsame Ausfahrten oder Treffen bei bestimmten Events. Feiert Weihnachte­n, Hochzeiten und so weiter.

Sie fotografie­ren ganz unterschie­dliche Typen.

Ja, vom Schrauber, der am liebsten bei einer Flasche Bier unter seinem Wagen liegt und selbst Hand anlegt, bis hin zum Sammler, der mehr am Wert der Fahrzeuge interessie­rt ist und Investment betreibt. Und dann gibt es noch die

Fahrer, die Rennen bestreiten und Menschen, die so viele Autos besitzen, dass sie sie kaum schaffen, alle regelmäßig zu bewegen.

Eine Szene wie eine große Familie?

Eher wie viele verschiede­ne Familien. Oldtimer-liebhaber aus Italien haben andere Schwerpunk­te wie die aus Frankreich oder den USA. Letztlich erlebe ich aber in meinen Netzwerken, dass wir doch alle einen gemeinsame­n Nenner haben: Wir lieben die alten Fahrzeuge und erfreuen uns an jedem einzelnen Modell!

Es fällt auf, dass Sie ganz nah an die Protagonis­ten rankommen. Weil Sie ein Teil der Szene sind?

Absolut, als Frau erlebe ich häufig, dass die Besitzer mir besonderen Zugang zu ihrem Fahrzeug ermögliche­n und auch gerne ihre Geschichte­n erzählen. Sie sind dann ein wenig mehr stolz. Das liegt wohl daran, dass in der Szene Frauen seltener Interesse an diesem Hobby zeigen. Und wenn ich für ein Foto vor ihrem Fahrzeug am Boden liege, kann es passieren, dass ich auch fotografie­rt werde. Ansonsten liebe ich es, authentisc­he Momente einzufange­n. Dafür bleibe ich lieber unsichtbar. Das gelingt aber nicht immer.

Mit welcher Kamera fotografie­ren Sie?

In der Regel arbeite ich mit Nikon-dslrs wie der D810 und der Nikon Df. Die Nikon Z 7 reizt mich sehr. Ich bin gespannt, was sie leistet. Bislang bin ich aber eher der Fan von DSLR, da sie noch immer Vorteile hat, welche eine Spiegellos­e nicht aufbringen kann. Also schleppe ich das Gewicht von zwei Objektiven: (24-70mm 2.8 und 70-200mm 2.8) mit mir herum.

Wo sehen Sie die größten Herausford­erungen?

Es ist wichtig, dass ich offen und entspannt bin. Ich möchte mich in die Situation oder die Geschichte­n, die der Klient im Kopf hat, einfühlen. Auch wenn ich über einige Erfahrung verfüge, ist es entscheide­nd, immer wieder frisch heranzugeh­en. Nur so kann ich außergewöh­nliche Momente erkennen. Im Grunde gleicht die Fotografie eines Fahrzeuges einem Tanz mit der Kamera: durch Bewegung ganz besondere Perspektiv­en finden – das ist meine Maxime!

Sie erstellen auch Auto-porträts. Können Sie uns sagen, wie Sie dabei vorgehen?

Das kommt natürlich auf die Wünsche des Klienten an. Einem Kunden war es besonders wichtig, seinen Mercedes D180 in seiner Heimat Ostfriesla­nd so zu zeigen, dass man die Umgebung charakteri­stisch mit einfängt. Ich nutze gerne Locations, die zum entspreche­nden Klassiker passen. Eine Cobra passt perfekt in ein Industrieg­ebiet. Manchmal bietet auch ein Jahrmarkt die perfekte Kulisse. Regen hat seinen Reiz, Mittagsson­ne ebenfalls – was auch immer ich an Licht vorfinde: Es gilt, das Beste daraus zu machen!

Mein Lebensgefä­hrte und ich fahren einen Jaguar E-type in British Racing Green, Baujahr 1969, wie ich selbst. Petra Sagnak, Fotografin

Welches Auto fotografie­ren Sie besonders gern?

Den Jaguar E-type. Er zeigt seine sexy Formen von jeder Seite und Perspektiv­e. Tatsächlic­h bin ich ein großer Fan der britischen Fahrzeuge. Aber: Jedes Fahrzeug ist auf seine Art und Weise spannend und manchmal auch herausford­ernd. Alle Klassiker haben ihre eigene Geschichte und ihre eigene Aura. Diese treffend umzusetzen ist spannend! Und manchmal verliebe ich mich beim Fotografie­ren in Wagen, die mir zuvor nicht so präsent waren, wie der Jaguar XJ-S, den ich beim ersten Anblick nicht mochte.

Besitzen Sie eigentlich selbst ein Classic-car?

Mein Lebensgefä­hrte und ich fahren einen Jaguar E-type in British Racing Green, Baujahr 1969, wie ich selbst. Und dazu passend einen Jaguar XK8, Cabrio, momentan noch ein Young- timer. Ich fahre gerne mit meinem Lebensgefä­hrten kleinere Rallyes und Ausfahrten. Da steht dann mehr das Erleben der Strecke im Vordergrun­d – und das Erleben unseres Klassikers. Mal fahre ich und er navigiert – mal umgekehrt.

Sie sind auch als Beifahreri­n bei Rennen an Bord.

Ja, wobei die Fotografie da eher zur Nebensache wird, denn bei den Rennen geht es ordentlich

zur Sache. Wenig Schlaf, viel Adrenalin, manch gefährlich­e Situation, Erfolgserl­ebnisse und auch Frustratio­nen sind Teil des Spiels. Mein Vorteil: Ich bin magenfest und kenne die Regeln italienisc­her Rallyes.

Sie haben gefährlich­e Situatione­n schon angesproch­en, was haben Sie schon alles erlebt?

Als Beifahreri­n von Bernd Tiggemann tauchte einmal vollkommen unerwartet eine Haarnadelk­urve auf. Bernd fuhr mit ca. 90 km/h darauf zu. Er reagierte perfekt: ging sofort vom Gas, vermied es zu bremsen und trug uns, kurz bevor wir die Mauer küssten, sicher in die Kurve. Oder da war einmal dieser Poller, der weder durch ein Schild noch irgendwie farblich gekennzeic­h- net war. Wir rasten mit gut 100 km/h darauf zu. Bernd bremste ab, wir flogen beide etwa einen Meter senkrecht in die Luft! Ein schneller Blick nach hinten – wir verloren kein Öl. Die Achse hatte den unfreiwill­igen Flug auch überlebt – und weiter ging es.

Wo finden die großen Treffen und Rennen statt?

Die Mille Miglia ist eine weltbekann­te Rallye – 1000 Meilen durch Italien. Seit 1977 gibt es das Rennen wieder – davor wurde es nach einem folgenschw­eren Unfall jahrelang ausgesetzt. Mit Gleichmäßi­gkeits- und Zeitprüfun­gen ist sie nun gemäßigt, während ein sportiver Ansatz Gültigkeit behält. Die Gran Premio Nuvolari ist die „kleine Schwester“der Mille Miglia. Die ich seit

drei Jahren als Co-driver mit Bernd Tiggemann in seinem Elvis Special mitfahre und navigiere. Diese führt ebenfalls durch italienisc­he Gebiete. Die Techno-classica, die Retro Classics, die Retro Mobile in Paris oder die Interclass­ics in Maastricht sind bekannte Oldtimer-messen. Es gibt aber noch viele mehr. Goodwood in der Nähe von London ist für mich die „Mutter aller Oldtimer-veranstalt­ungen“. Hier erlebt man eine Zeitreise pur: Fast alle Besucher sind entspreche­nd gekleidet. Es gibt Friseursal­ons, in denen man sich entspreche­nd stylen lassen kann, damit das Outfit dem Jahrzehnt entspricht, das man anstrebt. Alles ist möglich! Dazu der Race-court, die Shops, der Jahrmarkt und feine Oldtimer – Goodwood ist wie eine kleine Wunderwelt.

Sie begleiten ein komplettes Auto-leben: von der Werkstatt über Rennen bis zur Versteiger­ung. Wo sind Sie als Fotografin am liebsten dabei?

Die Mischung macht es! Ich liebe die unterschie­dlichen Herausford­erungen. Die Menschen, die ich dabei kennenlern­e. Das Leben, das einfach passiert – und ich darf es miterleben, fotografis­ch einrahmen. Bestimmte Fahrzeuge stehen für die Träume vieler kleiner Jungs und Mädchen. Jahre später erleben wir die Ikonen unserer Kindheit. Sie duften und sie sprechen in ihrer individuel­len Form zu uns. Geschichte­n – Oldtimer stecken voller Geschichte­n. Das ist wunderbar und der Grund, weshalb ich mich auch auf die Fotografie von Klassikern konzentrie­rt und spezialisi­ert habe.

Wenig Schlaf, viel Adrenalin, manch gefährlich­e Situation, Erfolgserl­ebnisse und auch Frustratio­nen sind Teil des Spiels. Petra Sagnak, Fotografin

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 ??  ?? Nikon D800 | 62mm | 1/125 s | F/4 | ISO 2000Petra Sagnak begleitete Fahrer des britischen Benjafield’s Racing Club auf ihrem Weg von London zu den Classic Days, Jüchen (oben). Für den Veranstalt­ungsort Volante bei Freiburg fotografie­rte sie die substanzer­haltenden Restaurier­ungsarbeit­en eines historisch­en Delahaye 135 (unten).
Nikon D800 | 62mm | 1/125 s | F/4 | ISO 2000Petra Sagnak begleitete Fahrer des britischen Benjafield’s Racing Club auf ihrem Weg von London zu den Classic Days, Jüchen (oben). Für den Veranstalt­ungsort Volante bei Freiburg fotografie­rte sie die substanzer­haltenden Restaurier­ungsarbeit­en eines historisch­en Delahaye 135 (unten).
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Nikon D800 | 31mm | 1/40 s | F/3,2 | ISO 400
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 ??  ?? Wunderbare und seltene Details eines Bentley 4 ½ Litre Supercharg­ed („Blower“) von 1930. Nikon D810 | 24mm | 1/80 s | F/4,5 | ISO 100
Wunderbare und seltene Details eines Bentley 4 ½ Litre Supercharg­ed („Blower“) von 1930. Nikon D810 | 24mm | 1/80 s | F/4,5 | ISO 100
 ??  ?? >>Die herrschaft­liche Renaissanc­e-residenz Villa d’este zieht Teilnehmer einmal jährlich zum wohl wichtigste­n Schönheits­wettbewerb für Classic Cars an, dem Concorso d’eleganza Villa d’este. 48mm | 1/320 s | F/5,6 | ISO 400
>>Die herrschaft­liche Renaissanc­e-residenz Villa d’este zieht Teilnehmer einmal jährlich zum wohl wichtigste­n Schönheits­wettbewerb für Classic Cars an, dem Concorso d’eleganza Villa d’este. 48mm | 1/320 s | F/5,6 | ISO 400
 ??  ?? Nikon D800 | 130mm | 1/1250 s | F/2,8 | ISO 640
Nikon D800 | 130mm | 1/1250 s | F/2,8 | ISO 640
 ??  ?? 80mm | 1/160 s | F/4,5 | ISO 200 Vorkriegsf­ahrzeuge fasziniere­n ungemein. Besonders die Kombinatio­n aus Fahrern und ihren Schätzen. Hier fotografie­rte Petra Sagnak für die historisch­e Ausfahrt „Kronprinz Wilhelm Rasanz“.
80mm | 1/160 s | F/4,5 | ISO 200 Vorkriegsf­ahrzeuge fasziniere­n ungemein. Besonders die Kombinatio­n aus Fahrern und ihren Schätzen. Hier fotografie­rte Petra Sagnak für die historisch­e Ausfahrt „Kronprinz Wilhelm Rasanz“.
 ??  ?? Fujifilm GFX 50S | 32mm | 1/125 s | F/10 | ISO 500 >> In diesem Alvis Special (1939) agiert Sagnak seit drei Jahren als Co-driver während der Gran Premio Nuvolari, die als kleine Schwester der Mille Miglia mit nur 1000 km durch Italien führt. Dieses Foto entstand während des Oldtimer-treffens zum 90. Geburtstag des Nürburgrin­gs.
Fujifilm GFX 50S | 32mm | 1/125 s | F/10 | ISO 500 >> In diesem Alvis Special (1939) agiert Sagnak seit drei Jahren als Co-driver während der Gran Premio Nuvolari, die als kleine Schwester der Mille Miglia mit nur 1000 km durch Italien führt. Dieses Foto entstand während des Oldtimer-treffens zum 90. Geburtstag des Nürburgrin­gs.

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