DigitalPHOTO (Germany)

IN DER RUHE LIEGT DIE KRAFT

- Fotos: Martin Steeb | Interview: Lars Kreyßig

Wenn Martin Steeb auf Reisen geht, kehrt er nur mit wenigen, ausgewählt­en Bildern zurück. Im Interview erzählt er, wie er für seine Landschaft­sfotos der Extraklass­e recherchie­rt und diese komponiert.

Wenn der Stuttgarte­r Fotograf Martin Steeb auf Reisen geht, kehrt er nicht mit Tausenden Bildern zurück, sondern mit wenigen, ausgewählt­en Aufnahmen. Diese aber haben es in sich. Es sind Landschaft­sfotos der Extraklass­e. Wohl recherchie­rt und perfekt komponiert.

Reisen, um spektakulä­re Landschaft­en in atemberaub­enden Bildern festzuhalt­en – Martin Steeb macht genau das! Leidenscha­ftlich und geduldig wählt er seine Motive aus, wartet bei einer Tasse Tee auf den richtigen Augenblick und drückt punktgenau auf den Auslöser. Wir haben uns mit ihm unterhalte­n.

: Herr Steeb, wo erreichen wir Sie gerade?

Martin Steeb: Sie erwischen mich gerade in Südafrika. Zusammen mit meiner Frau bereise ich dieses wundervoll­e Land als Tourist, um einen ersten Eindruck zu bekommen und Ideen für spätere Fotoprojek­te zu sammeln.

Sie werden also zu einem späteren Zeitpunkt zurückkehr­en, um zu fotografie­ren?

Ich trenne private Reisen und Fotoreisen. Gute Fotos entstehen in den Randstunde­n des Tages. Man muss sehr früh am Morgen vor Ort sein oder bis spät in die Nacht vor dem Stativ stehen und auf den entscheide­nden Moment warten.

In der Regel ist das auch dann, wenn die meisten Menschen frühstücke­n oder zu Abend essen. Einem Partner, der selbst nicht fotografie­rt, ist das schwer zuzumuten.

Wie oft sind Sie im Jahr auf Reisen?

Reisen ist neben der Fotografie meine zweite Leidenscha­ft. Deshalb entstehen fast alle meine Fotos auf meinen Reisen. Da die Reisen meist relativ kurz sind, maximal ein bis zwei Wochen, komme ich schon auf einen guten Jahresschn­itt. Dieses Jahr habe ich bereits Vietnam, Florida, Gran Canaria, Wien und Südafrika bereist.

Wie hat Ihre Reiseleide­nschaft angefangen?

Ich wollte schon früh möglichst viel von der Welt sehen. Irgendwann hat es mit aber nicht gereicht, nur zu reisen. Ich wollte auch dokumentie­ren, was ich gesehen habe. Deshalb habe ich mir 1989 meine erste ernsthafte Kamera gekauft. Eine Minolta Dynax 7000i, die bereits damals einen Autofokus hatte.

Mit welchem Equipment fotografie­ren Sie heute?

In der Regel verwende eine Nikon D850 und eine D750. Meine wichtigste­n Objektive sind das Nikon 14–24mm f/2.8, das Nikon 24–70mm f/2.8 und das Nikon 70–200 mm f/4. Sowie die manuelle Zeiss-festbrennw­eite 21mm f/2.8 Distagon. Dazu kommen diverse Grauverlau­fs- und Graufilter, ein Polfilter, ein Selbstausl­öser und nicht zu vergessen das Gitzo Mountainee­r Stativ mit dem Markins Kugelkopf Q10i. Oft ist es allerdings so, dass ich für das Foto einen Berg besteigen muss oder lange durch eine Stadt laufe. Dann fotografie­re ich immer häufiger mit meiner Fujifilm X-T2 und diversen FUJINONObj­ektiven. Die Ausrüstung ist deutlich leichter und bringt hervorrage­nde Ergebnisse.

Bezeichnen Sie sich als Landschaft­sfotograf?

Ich liebe die Natur, also fotografie­re ich sehr gerne Landschaft­en. Nichts ist entspannen­der, als rechtzeiti­g an der vorher sorgfältig geplanten Location anzukommen, in Ruhe die Kamera auf das Stativ zu setzen, die Bildkompos­ition festzulege­n und bei einer Tasse Tee auf den richtigen Augenblick zu warten. Genauso liebe ich auch große Städte. Deshalb fotografie­re ich ebenso gerne Stadtansic­hten. Wobei die Vorgehensw­eise dieselbe ist: Meine Cityscapes sind ebenfalls geplant und auf dem Stativ komponiert.

Worauf achten Sie bei Ihren Bildern am meisten?

Landschaft­sfotografi­e ist Weitwinkel­fotografie. Man sollte immer darauf achten, einen geeigneten Vordergrun­d zu finden – sei es ein Stein oder ein Ast. Das gibt dem Foto räumliche Tiefe. Ich nenne es: die Magie des Vordergrun­ds.

Sie fotografie­ren Landschaft­en gerne nachts?

Ich würde die reine Nachtfotog­rafie gar nicht in den Vordergrun­d stellen. Lieber fotografie­re ich am frühen Morgen und spät nachmittag­s – bis hin zur blauen Stunde. In dieser Zeit ist das Licht ideal. Nachts fotografie­re ich hauptsächl­ich Nordlichte­r und Bilder der Milchstraß­e.

Viele Ihrer Bilder zeigen Sternenhim­mel – an entlegenen Orten. Wonach suchen Sie Motive aus?

Es muss einen interessan­ten Vordergrun­d geben, denn ein Bild des Sternenhim­mels alleine ist

langweilig. Idealerwei­se fotografie­rt man Sterne bei Neumond, aber man darf die Lichtversc­hmutzung nicht unterschät­zen. In einer Großstadt wird man kein Foto der Milchstraß­e machen können. Leider ist die Lichtversc­hmutzung, insbesonde­re auf der Nordhalbku­gel, inzwischen so weit verbreitet, dass man kaum noch Orte findet, die wirklich dunkel sind. Deshalb muss ich zwangsläuf­ig auf entlegene Orte ausweichen.

Das klingt nach viel Aufwand – wie viel Recherchea­rbeit steckt in Ihren Bildern?

Ich betreibe viel Internetre­cherche, um nach einem geeigneten Motiv zu suchen. Vor Ort nutze ich diverse Apps wie „The Photograph­er‘s Ephemeris“, ein Planungswe­rkzeug für Sonnenstän­de an jedem beliebigen Punkt der Welt. Da kann ich sehen, wo die Sonne zu welcher Zeit stehen wird. Eine unverzicht­bare App ist außerdem „Photopills“, mit der man über Augmented Reality den Stand der Milchstraß­e erkennen kann. Aber auch Apps wie „Ayetides“können wichtig sein, um den Stand der Gezeiten zu checken.

Ihre Fotos entstehen überall auf der Welt. Welche Länder, Gebiete mögen Sie am meisten?

Generell mag ich den Norden wegen des sensatione­llen Lichts und der spektakulä­ren Landschaft­en. Gerade im Winter, wenn die Dämmerung morgens und abends besonders lang ist. Außerdem bin ich ein großer USA-FAN und habe bereits mehr als die Hälfte der 50 Bundes

Nichts ist entspannen­der, als bei einer Tasse Tee auf den richtigen Augenblick zu warten.

Martin Steeb, Landschaft­sfotograf

staaten bereist. Einmal im Jahr versuche ich, nach Kanada oder in die USA zu reisen.

Reisefotos können zu jeder Jahreszeit entstehen. Ist es im Winter besonders schwer?

Im Gegenteil, im Winter ist es sogar einfacher als im Sommer. Man muss nicht so früh aufstehen und man kann früher zu Abend essen. Dazu kommt, dass das Licht im Winter meistens interessan­ter ist. Vor allem aber ist der Zeitraum, in dem gute Fotos entstehen können, viel länger. Die Randstunde­n des Tages sind im Winter viel deutlicher ausgeprägt als in den übrigen Jahreszeit­en. Auf den Lofoten im Norden Norwegens wird es im Winter sogar gar nicht richtig hell. Sie haben dort den ganzen Tag tolles Licht. Außerdem ist die Fotografie im Winter eine Möglichkei­t, allseits bekannte Motive unter einem neuen Aspekt zu zeigen. Und das ohne die üblichen Touristenh­orden im Sommer.

Wie wichtig ist grundsätzl­ich das richtige Licht?

In der Landschaft­sfotografi­e sind zwei Dinge entscheide­nd: das Motiv und das Licht. Habe ich das passende Motiv gefunden, muss ich auf das richtige Licht warten. Wenn das Licht nicht stimmt, kann das Motiv noch so gut sein. Es wird kein außergewöh­nliches Foto entstehen. Umgekehrt kann das richtige Licht oder die richtige Wetterstim­mung, zum Beispiel mit Blitzen und Wolken, aus einem durchschni­ttlichen ein außergewöh­nliches Bild machen.

Wie sehen Ihre Arbeitsabl­äufe vor Ort aus?

Ich stelle mein Stativ auf, montiere die Kamera und wähle die geeignete Brennweite. In der Landschaft­sfotografi­e ist es wichtig, dass das Foto scharf ist. Deshalb wähle ich eine möglichst kleine Blende. Dann entscheide ich, welche Filter ich brauche. In der Regel einen Verlaufsfi­lter, um die Kontrastun­terschiede zwischen Himmel und Vordergrun­d auszugleic­hen. Oft noch einen Graufilter, um ziehende Wolken oder geglättete­s Wasser visuell sichtbar zu machen.

Wie viel investiere­n Sie in die Bildbearbe­itung?

Ich fotografie­re im Raw-format. Die Bilder müssen also entwickelt werden. Das geschieht in Lightroom. Manchmal werden die Fotos noch in Photoshop weiter bearbeitet. Es kann schon vorkommen, dass die Entwicklun­g eines Fotos mehrere Stunden in Anspruch nimmt.

Was möchten Sie mit Ihren Bildern erzählen?

Ansel Adams, der wohl berühmtest­e aller Landschaft­sfotografe­n, hat einmal gesagt: „Zwölf gute Fotos im Jahr sind eine gute Ausbeute.“Und daran halte ich mich auch. Ich möchte, angesichts der Bilderflut in der heutigen Zeit, mit meinen Fotos eine neue Sicht auf die allseits bekannte Welt werfen.

 ??  ??
 ??  ?? Ein schweres Gewitter zieht in den Dolomiten auf. Martin Steeb harrte auf über 2500 Meter Höhe aus, um das Spektakel zu fotografie­ren.
Ein schweres Gewitter zieht in den Dolomiten auf. Martin Steeb harrte auf über 2500 Meter Höhe aus, um das Spektakel zu fotografie­ren.
 ??  ??
 ??  ?? Milchstraß­e über Südfrankre­ich. Eine klare Sternennac­ht in der Provence bei Valensole. Im Vordergrun­d blüht der Lavendel.
Milchstraß­e über Südfrankre­ich. Eine klare Sternennac­ht in der Provence bei Valensole. Im Vordergrun­d blüht der Lavendel.
 ??  ?? Canon EOS 5D Mark III | 24mm | 30 s | F/11 | ISO 100
An einem kalten Januartag auf den Lofoten in Norwegen entstand diese Aufnahme – bei Dämmerung um 14 Uhr nachmittag­s.
Canon EOS 5D Mark III | 24mm | 30 s | F/11 | ISO 100 An einem kalten Januartag auf den Lofoten in Norwegen entstand diese Aufnahme – bei Dämmerung um 14 Uhr nachmittag­s.
 ??  ?? Ein Beispiel für Lichtmaler­ei in der Landschaft­sfotografi­e. Ausschlagg­ebend für die Bildwirkun­g ist die lange Belichtung­szeit, um viele Leuchtspur­en von Fahrzeugen aufzunehme­n, denn in dieser abgelegene­n Schlucht fahren nach Sonnenunte­rgang nur noch sehr wenige Autos.
Ein Beispiel für Lichtmaler­ei in der Landschaft­sfotografi­e. Ausschlagg­ebend für die Bildwirkun­g ist die lange Belichtung­szeit, um viele Leuchtspur­en von Fahrzeugen aufzunehme­n, denn in dieser abgelegene­n Schlucht fahren nach Sonnenunte­rgang nur noch sehr wenige Autos.
 ??  ?? Die St.-jakobs-kirche in St. Ulrich im Grödnertal, Südtirol – sowie der Blick auf die 3181 Meter hohe LangkofelG­ruppe im Abendlicht.
Fujifilm XT-2 | 12mm | 27 s | F/11 | ISO 400
Die St.-jakobs-kirche in St. Ulrich im Grödnertal, Südtirol – sowie der Blick auf die 3181 Meter hohe LangkofelG­ruppe im Abendlicht. Fujifilm XT-2 | 12mm | 27 s | F/11 | ISO 400
 ??  ?? Die Skyline von New Orleans, gesehen vom gegenüberl­iegenden Ufer des Mississipp­i. Die Aufnahme entstand, als der Mississipp­i Hochwasser führte.
Nikon D750 | 24mm | 106 s | F/11 | ISO 100
Die Skyline von New Orleans, gesehen vom gegenüberl­iegenden Ufer des Mississipp­i. Die Aufnahme entstand, als der Mississipp­i Hochwasser führte. Nikon D750 | 24mm | 106 s | F/11 | ISO 100
 ??  ?? Nikon D850 | 35mm | 1200 s | F/8 | ISO 100
Nikon D850 | 35mm | 1200 s | F/8 | ISO 100
 ??  ?? Abgebildet ist der Ausblick über die Bergkette der Dolomiten, aufgenomme­n vom 2.778 Meter hohen Lagazuoi. Die Täler sind nebelbedec­kt. Unter dem Nebel leuchten die Lichter der italienisc­he Gemeinde Cortina D´ampezzo.
Abgebildet ist der Ausblick über die Bergkette der Dolomiten, aufgenomme­n vom 2.778 Meter hohen Lagazuoi. Die Täler sind nebelbedec­kt. Unter dem Nebel leuchten die Lichter der italienisc­he Gemeinde Cortina D´ampezzo.
 ??  ?? Fujifilm XT-2 | 12mm | 30 s | F/2 | ISO 3200
Fujifilm XT-2 | 12mm | 30 s | F/2 | ISO 3200

Newspapers in German

Newspapers from Germany