STARK UND GÜNSTIG
KAUFBERATUNG | Das Angebot an Einsteiger- und Mittelklasse-kameras ist unüberschaubar groß. Und was taugen die günstigen Modelle wirklich? Worauf sollten Sie beim Kauf achten? Wir bringen Licht ins Dunkel des Angebotsdschungels und verraten Ihnen, mit wel
Das Angebot an Einsteiger- und Mittelklasse-kameras ist unüberschaubar groß. Wir bringen Licht ins Dunkel des Angebotsdschungels und verraten Ihnen, mit welchen Modellen unter 600 Euro Sie goldrichtig liegen.
Fotografie kann leicht zum kostspieligen Hobby werden. Für den Gegenwert eines voll ausgestatteten Vollformat-boliden mit einer Handvoll Profiobjektive können Sie sich einen guten Gebrauchtwagen kaufen. Dass Sie für überzeugende Bildergebnisse aber nicht Ihre gesamten Ersparnisse plündern müssen, legen die zahlreichen Einsteiger- und MittelklasseModelle der großen Hersteller nahe. So vielfältig das Angebot ist, so unterschiedlich sind aber auch die Ausstattungsdetails der einzelnen Modelle. Ohne klare Anhaltspunkte verliert man am Markt schnell den Überblick: Welche Objektive sind womit kompatibel? Welche Sensoren werden in welcher Kamera verbaut? Wir werfen einen genauen Blick auf die besten Schnäppchen für unter 600 Euro und geben
Ihnen die wichtigsten Entscheidungskriterien für Ihren nächsten Kamerakauf an die Hand.
Wie gut sind die günstigen?
Was dürfen Sie eigentlich von einer Kamera in diesem Preissegment erwarten? Vor einigen Jahren noch gab es zu solchen Preisen kaum Lorbeeren zu gewinnen. Die Einsteiger- und Mittelklasse-modelle machten selten wirklich Spaß. Erst in Preisregionen von 800 bis 1.000 Euro wurde es wirklich spannend. Das hat sich
mittlerweile aber gewandelt, und so finden wir in manch günstigem Modell Technologien aus deutlich höherpreisigen Modellen. Beruhigend: An der Qualität des Bildsensors scheitert heute kaum noch ein Schnäppchen-modell, denn hinsichtlich Detailauflösung, Rauschverhalten und Farbwiedergabe wissen die besten Kameras in unserer Übersicht allesamt zu überzeugen. Klar, eine Vollformatkamera oder einen professionellen Autofokus können wir schlicht nicht für solch günstige Preise erwarten – da ist dann schon der Schritt in die nächste Preisklasse nötig. Was Sie aber durchaus erwarten dürfen, sind robuste Gehäuse, solide Autofokussysteme, überzeugende Sensorleistungen und vor allem die Kompatibilität zu den jeweiligen Objektivportfolios der Hersteller – doch dazu später mehr.
Werfen wir zunächst einen Blick auf die Kameragehäuse und deren Verarbeitung. Die auffälligsten Unterschiede zeigen sich beim Erstkontakt: Wie gut liegt der Griff in der Hand? Wie viel Platz haben die Finger zwischen Griff und Objektiv? Wie robust wirkt das Gehäuse? Die Kameras dieser Preisklasse fallen hinsichtlich ihrer Haptik recht unterschiedlich aus, deshalb empfehlen wir grundsätzlich: Nehmen Sie Ihre Wunschmodelle vor dem Kauf unbedingt in die Hand! Die Kamera sollte sich individuell gut anfühlen – nur so macht das Fotografieren damit auch auf Dauer wirklich Freude. Eine Kamera wie die Panasonic Lumix GX9 macht diesbezüglich eine sehr gute Figur und wirkt fast so, als käme sie aus einer deutlich höheren Preisklasse. Modelle wie die Canon EOS 250D hingegen wirken etwas „plastikhaft“. Sie sind zwar sehr leicht, machen aber nicht den robustesten Eindruck und bieten größeren Händen zu wenig Raum. Ideal finden wir eine gute Kombi
nation aus Kompaktheit und geringem Gewicht bei gleichzeitig hochwertiger Verarbeitung – idealerweise mit integriertem Witterungsschutz. Auch hier ist die GX9 erneut hervorzuheben, denn sie bietet trotz ultrakompakter Abmessungen eine umfassende Abdichtung.
DSLR versus CSC
Eine Frage erhitzt die Gemüter immer wieder: Sind Spiegelreflex- oder spiegellose Kameras besser? Tatsächlich ist eine eindeutige Antwort hierauf nicht möglich, denn es kommt ganz auf Ihre Vorlieben an. Spiegellose Kameras sind meist kompakter, leichter und bieten dank elektronischem Sucher ein ganz anderes Fotografieerlebnis. DSLRS punkten mit ihren optischen Suchern und griffigen Gehäusen, dafür sind die Autofokuspunkte oft sehr mittig angeordnet. Die reine Bildqualität spielt indes kaum eine Rolle für diese Frage, denn sie ist bei beiden Varianten auf ähnlichem Niveau – mit leichten Vorteilen für die spiegellosen Modelle (siehe dazu auch unsere Übersicht auf Seite 35).
Die Kamera sollte sich individuell gut anfühlen – nur so macht das Fotografieren damit auch auf Dauer wirklich Freude.
Carsten Mohr, Test & Technik
Selfie oder nicht Selfie?
Immer beliebter werden Selfies, also Aufnahmen, auf denen der Fotograf auch selbst zu sehen ist. Dies war früher (und ist auch heute noch) mit typischen Dslr-kameras kaum möglich, denn Sie bieten oft kein entsprechend dreh- und schwenkbares Display. Auch Video-fans und Youtuber legen Wert darauf, sich selbst beim Filmen sehen zu können. Tatsächlich haben die Hersteller diesen Bedarf erkannt und insbesondere in den unteren und mittleren Preissegmenten für entsprechende Display-konstruktionen gesorgt. Zwar bieten alle Kameras unseres Vergleichs gut auflösende Displays, aber nicht alle lassen sich so schwenken, dass Selfies möglich sind. Wenn Sie darauf Wert legen, sollten Sie sich vor dem Kauf die Display-beweglichkeit genauer anschauen. Vollständig dreh- und schwenkbare Displays bieten allerdings noch einen weiteren Vorteil, denn Sie können das Display bei Bedarf komplett einklappen und es so vor möglichen Beschädigungen schützen.
Ein eher aus der Profiklasse bekanntes Ausstattungsdetail bietet Ihnen Canon in der EOS 77D: Ein Schulterdisplay auf der Gehäuseoberseite zeigt jederzeit die wichtigsten Parameter an, ohne dass Sie dafür das hintere Display bemühen müssten. Super – das kennen wir sonst nur von deutlich höherpreisigen Kameragehäusen.
Sensorformate
Unter den Top 15 der günstigen Kameras finden sich zwei Sensorformate: APS-C und MicroFourthirds. Das Bild auf Seite 34 vermittelt einen Eindruck davon, welchen Bildausschnitt Sie mit diesen Formaten im Vergleich zu Vollformatsensoren abdecken können. Hier kommt nämlich der sogenannte Crop-faktor ins Spiel, der die effektive Brennweitenveränderung zum Vollformatsensor beschreibt. Klassische APSC-sensoren haben einen Crop-faktor von 1,5 (Nikon, Sony, Fujifilm etc.). Die effektive Brennweite verlängert sich hier um den Faktor 1,5, das heißt, ein 50mm-objektiv wirkt an diesen Kameras wie ein 75mm-objektiv. Eine Besonderheit findet sich bei Canon: Die APS-C-SENsoren dieses Herstellers sind etwas kleiner und haben deshalb einen Crop-faktor von 1,6.
Das zweite vorherrschende Sensorformat in dieser Kameraklasse ist Microfourthirds. Die Sensoren sind kleiner als APS-C-CHIPS und bieten einen Crop-faktor von 2 (50mm werden also effektiv zu 100mm). Das stellt besondere Ansprüche an die Leistungsfähigkeit von Objektiven, bietet aber auch Vorteile: In der Makrofotografie bieten die Microfourthirds-kameras von Panasonic und Olympus nicht nur mehr Reichweite, sondern auch mehr Schärfentiefe. Zudem können die Objektive kompakter gebaut werden, als dies bei größeren Sensoren der Fall ist.
Was den Makro-fans zum Vorteil gereicht, kann sich in der Porträtfotografie nachteilig auswirken: Je kleiner der Sensor, desto schwächer ausgeprägt ist die Hintergrundunschärfe bei gleicher Blende. Unser Tipp: Wenn Sie gerne Porträtaufnahmen mit in Unschärfe verschwimmenden Hintergründen machen, sollten Sie eher auf größere Sensorformate setzen.
Objektiv oder Gehäuse?
Oft hören wir die Frage, was denn nun wichtiger sei – die Kamera oder das Objektiv? In Anbetracht der klassenübergreifend hohen Qualität moderner Sensoren sowie der relativ kurzen Produktzyklen bei Gehäusen lässt sich hier eine klare und eindeutige Empfehlung ableiten: Sparen Sie lieber ein paar Euro beim Body und investieren Sie stattdessen etwas mehr in ein bis zwei gute Objektive. Diese kommen nämlich in aller Regel länger zum Einsatz als die Kameras selbst. Zudem macht das jeweilige Objektiv einen viel deutlicheren Unterschied hinsichtlich der Bildqualität und des Bildlooks als das Kameragehäuse. Ökonomische Kraftakte zur Objektivfinanzierung sind aber auch hier nicht zwangsläufig nötig, denn klassische 50mm-objektive mit einer Anfangsblende von f/1,8 sind für fast alle Bajonette günstig, um etwa 100 Euro zu bekommen. Und in diese Richtung geht auch unsere Empfehlung: Eine gute Festbrennweite eröffnet Ihnen neue kreative Möglichkeiten und entlockt auch den günstigeren Kameramodellen professionell wirkende Aufnahmen.
Apropos günstig: Wer immer das neueste Modell sein Eigen nennen möchte, verschenkt bares Geld. Werfen Sie einen Blick auf die Vorgänger-modelle, die oftmals noch im Handel angeboten werden. Hier lassen sich leicht teils mehrere Hundert Euro einsparen – Geld, das Ihnen dann wiederum für bessere Objektive und Fotozubehör zur Verfügung steht.
Eine Frage des Systems
Ein Kaufentscheidungsfaktor, der oft außer Acht gelassen wird, ist der, dass ein Kamerakauf auch immer eine Investition in ein bestimmtes System bedeutet, denn die Anschlüsse der Hersteller sind untereinander in der Regel nicht kompatibel. Achten Sie nicht primär auf eine bestimmte Kamera, die Ihnen gefällt, sondern auch darauf, wie das System des jeweiligen Herstellers aussieht. Informieren Sie sich vor dem Kauf, ob die Objektive verfügbar sind, die Sie mittel- oder langfristig für Ihre Art der Fotografie benötigen. Ähnliches gilt für Gehäuse-upgrades: Im Microfourthirds-bereich bieten teurere Modelle allerlei nützliche Features (von Bildstabilisatoren über Abdichtungen bis hin zu erstklassigen Autofokussystemen), aber keine Möglichkeit, mit den bereits angeschafften Objektiven auf ein größeres Sensorformat umzusteigen.
Anderssiehtdiesaus,wennwirunsdieaps-cModelle aus unserer Bestenliste anschauen. Bei Nikon beispielsweise tragen Dslr-objektive,
Achten Sie nicht allein auf eine bestimmte Kamera, sondern auch darauf, wie das System des Herstellers aussieht.
Carsten Mohr, Test & Technik
die für das Aps-c-format optimiert sind, die Ergänzung „DX“im Namen. Sie leuchten nicht den gesamten Vollformat-bildkreis aus, passen aber mechanisch auch an Vollformatmodelle. Umgekehrt passen Fx-objektive (also vollformattaugliche Optiken) problemlos an APS-CGehäuse des Herstellers. Dslr-objektive lassen sich an den spiegellosen Kameras der Z-reihe allerdings nur per Adapter verwenden.
Bei Canon ist es etwas komplizierter, denn der Hersteller bietet noch mehr Bajonette. Die Kompatibilität der Dslr-optiken mit bestimmten Kameras lässt sich aber glücklicherweise am Objektivanschluss der Kamera ablesen: Ein roter Punkt bedeutet, dass die jeweilige Kamera mit Ef-objektiven kompatibel ist. Ein zusätzliches weißes Quadrat verrät Ihnen, dass Objektive der Ef-s-klasse (für APS-C optimiert) genutzt werden können (wie zum Beispiel an der EOS 77D). Zudem gibt es noch den EF M-anschluss für spiegellose Aps-c-modelle wie die M50 sowie das neuere Rf-bajonett für spiegellose Vollformatkameras, das hier aber nur am Rande erwähnt sei, da wir uns dort (noch) in anderen Preisregionen bewegen.
Bei Sony sind die Objektive des E-mount untereinander kompatibel. Investieren Sie gleich beim Systemeinstieg in Optiken, die den vollen Bildkreis ausleuchten, können diese im Falle eines späteren Upgrades auf eine Vollformatkamera der A7-reihe problemlos weiterverwendet werden. Fujifilm hingegen hat aktuell keine Vollformatkameras im Portfolio, so dass ein Upgrade auf größere Sensoren (das wären in diesem Fall Mittelformat-sensoren) zwangsläufig neue Objektive erforderlich macht. Praktisch: Die Objektive für Panasonic- und Olympus-kameras folgen dem Microfourthirds-standard und sind daher (auch herstellerübergreifend) untereinander kompatibel. Wer schon abschätzen kann, dass er mit APS-C- oder Microfourthirds-sensoren glücklich wird, kann getrost zu Modellen von Fujifilm, Olympus oder Panasonic greifen.
Echte Upgrade-möglichkeiten zum Vollformat bieten hingegen Sony und Nikon sowie Canon im Dslr-bereich mit leichten Einschränkungen. Nikons Z- und Canons R-system erfordern aufgrund neuer Bajonette auch neue Objektive (oder Adapter) – und bewegen sich jenseits der Grenze von 600 Euro. Ähnlich sieht es bei Panasonic aus, deren S-kameras zwar Vollformatsensoren beherbergen, aber ebenfalls mit einem neuen Bajonett ausgerüstet sind.