Porträts mit Fensterlicht
Sie sind der Meinung, dass für authentische Porträts eine teure Studioausrüstung nötig ist? Dann lassen Sie sich von Profifotograf Patrick Ludolph in diesem Workshop vom Gegenteil überzeugen.
Natürliches Licht gekonnt einsetzen
Ich bevorzuge Fotostudios mit Fenstern. So kann ich natürliche Porträts auch ohne viel Aufwand erstellen.
Patrick Ludolph, Fotograf
In diesem Workshop geht es um drei unterschiedliche Porträts, die ohne viel Aufwand und einzig mit Hilfe von Fensterlicht umsetzbar sind. Dies ist ein Auszug aus meinem kleinen Einmaleins der Fensterlichtfotografie. Als ich Studioräume suchte, habe ich darauf geachtet, dass es dort viele Fenster gibt. Mancher Fotograf bevorzugt eher dunkle Räume, weil es dann einfacher ist, mit Blitzlicht zu arbeiten. Aber ich dachte mir, dass es einfacher ist, den Raum bei Bedarf mit Vorhängen abzudunkeln. Ist jedoch kein Fenster vorhanden, so kann ich nachträglich auch kein Tageslicht „einbauen“.
Fensterlicht von vorne
Der Klassiker ist das Fensterlicht von vorne. In einem Raum kann das Licht nicht von oben kommen. Es wird gezwungen, den Umweg durch das Fenster zu nehmen. Selbst wenn die Sonne hoch steht, kommt das Licht auf indirektem Weg durch das Fenster. Dadurch habe ich eine klar definierte Lichtrichtung. Da das Licht nicht von oben kommt, bilden sich auch keine starken Schatten in den Augen oder unter dem Kinn. Positioniert man das Model direkt mit Blick aus dem Fenster, so wird das Gesicht homogen ausgeleuchtet und in den Augen sieht man den Lichtreflex des Fensters. Ein sehr schmeichelhaftes Licht.
Das Model sollte dabei ein paar Schritte vom Fenster aus in dem Raum positioniert sein. Zu dicht am Fenster hätte zur Folge, dass das Licht wieder von schräg oben kommen kann. Und der Fotograf muss ja auch noch etwas Platz haben. Je weiter man in den Raum hineingeht, umso mehr kommt das Licht von vorne und nicht mehr von oben. Ich selbst lehne mich dann meistens an der Fensterbank an. Da mein Fenster groß genug ist, muss ich keine Sorge haben, dass ich zu viel Licht wegnehme. Sollte das Fenster sehr klein sein, so kann es jedoch sein, dass man mit seinem Körper zu viel davon verdeckt. In dem Fall stelle ich mich an den Rand des Fensters.
Dieses Licht ist für mich das ideale Porträtlicht. Die Ausleuchtung ist gleichmäßig und schmeichelhaft. Durch das Fenster erhält man auch einen schönen Lichtreflex in die Augen. Aufpassen muss man nur bei Brillenträgern. Da das Licht direkt von vorne kommt, können schnell Spiegelungen entstehen. In diesem Fall muss man etwas mit der Kopfposition des Models spielen. Spiegelungen lassen sich am besten entfernen, indem man den Einfallswinkel des Lichts verändert, was bei Fensterlicht aber nur durch Positionsänderung von Model oder Kamera möglich ist. Bei einem Porträtshooting für ein Unternehmen trug ein Mitarbeiter eine Brille ohne Entspiegelung. Es war mir unmöglich, eine Position zu finden, in der man die Augen halbwegs durch das Glas sehen konnte. Ohne Brille wollte sich der Herr aber auch nicht fotografieren lassen, da sie einfach zu ihm gehört. Was also tun? In dem Fall bemühte ich die Bildbearbeitung. Wir machten zwei Bilder, eins mit und eins ohne Brille. Beide Bilder wurden am Rechner übereinandergelegt und so die Augen wieder in die Brille retuschiert.
Fensterlicht von der Seite
Gleiches Fenster, aber das Model einmal um 90 Grad gedreht. Wie und wo sich Schatten bilden, folgt einfachen Gesetzmäßigkeiten. Man muss sich die teils recht einfachen Zusammenhänge nur einmal bewusst machen. Wenn das Licht von rechts kommt, dann bildet sich auf der gegenüberliegenden linken Seite des Gesichts Schatten. Wie der Schatten verläuft, kann ich durch die parallele Verschiebung des Models zum Fenster beeinflussen. Steht das Model genau in der Mitte des Fensters, so kommt vorne und hinten gleichmäßig viel Licht an. Steht das Model aber weiter an der Wand, so kommt viel
mehr Licht von vorne als von hinten. So kann ich beeinflussen, wie stark die Schattenkante auf dem Gesicht ausfällt. Manchmal ist mir der Schatten auf dem Gesicht etwas zu heftig, aber ich mag den Verlauf auf dem Hintergrund. Dann lasse ich das Model etwas in Richtung Fenster schauen. Je mehr sich das Gesicht zum Fenster dreht, umso mehr Licht bekommt es ab.
Damit kann man sehr gut spielen und nahezu unzählige Varianten kreieren, ohne auch nur einmal das Set umbauen zu müssen.
Hinter dem Vorhang
Ich habe in meinem Studio schwarze Vorhänge vor dem Fenster. Die waren ursprünglich dazu gedacht, das Studio abdunkeln zu können. Die Vorhänge eignen sich aber auch hervorragend, um das Tageslicht zu steuern, sowohl in der Menge als auch in der Richtung. Folgendes Set-up finde ich dabei besonders beeindruckend, weil es so einfach ist: Den einen Vorhang schließe ich etwa bis zur Hälfte des Fensters, der andere bleibt offen. Ich positioniere das Model seitlich vor dem Vorhang und fotografiere nun so, dass der schwarze Vorhang den Hintergrund bildet. Dort kommt kaum Licht hin. Das Model lasse ich aber schräg aus dem Fenster schauen. Wenn das Model das Licht sieht, dann ist auch Licht im Gesicht – eine einfache Regel. Ein tolles dramatisches Licht ohne großen Aufwand.
Doch nicht jeder möchte sich zu Hause schwarze Vorhänge aufhängen oder sie sind an der jeweiligen Location einfach nicht vorhanden. In dem Fall hilft ein schwarzes Moltontuch, das an zwei Stativen aufgehangen wird. Es muss übrigens nicht zwingend schwarzer Stoff sein. Besonders spannend finde ich auch dunkle, leicht durchsichtige Stoffe. Die haben einen ähnlichen Effekt, lassen aber noch etwas Licht durch. Molton auf Stativen hat den Vorteil, dass sich der Winkel des Hintergrunds zusätzlich ändern lässt. Statt des schwarzen Vorhangs habe ich dann einmal meine grüne Studiowand als Hintergrund genommen. Die Schattenbildung auf dem Gesicht fällt hier nicht so stark aus. Das liegt daran, dass das Model weiter im Raum steht. Weiter weg von dem schwarzen Vorhang lässt der Abschattungseffekt nach. Außerdem fotografiere ich hier in einem anderen Winkel.
Beim Bild oben habe ich den hinteren Teil des Vorhangs ein klein wenig aufgezogen, so dass dort mehr Licht auf den Hintergrund fällt. Am Lichteinfall auf das Gesicht ändert sich ansonsten nichts. Der Hintergrund wird heller und bekommt einen Helligkeitsverlauf, der in dem Beispiel zugegebenermaßen etwas stark ausfällt.
Drei Porträts, die innerhalb weniger Minuten einfach umsetzbar sind. Alles, was Sie dafür benötigen, ist Fensterlicht.
Ein farbiger Hintergrund und ein Vorhang erweitern die Möglichkeiten beim Fotografieren mit Fensterlicht.
Patrick Ludolph, Fotograf