Im Anblick der Kröte
Fotografenduo Sonvilla-graf im Interview
Zugegeben, die putzigsten Tierchen sind Kröten nicht. Aber dafür nicht minder spannend. Die Österreicher Christine Sonvilla und Marc Graf haben Kröten ein fotografisches Denkmal gesetzt. Ihre Unterwasserbilder zeigen das Verhalten der quakenden Amphibien aus nächster Nähe.
Wilde Bären, Wölfe, Leoparden oder Elefanten finden sich im Portfolio vieler Wildtierfotografen – aber Erdkröten? Eher selten! Christine Sonvilla und Marc Graf haben sich mit den Tieren intensiv befasst. Ihre Unterwasserfotos zeigen aber auch Krokodile und andere ungewöhnliche Lebewesen.
: Krötenfotos unter Wasser sind in der Wildlife-fotografie kaum zu finden. Wie sind Sie an das Thema gekommen?
Marc Graf, Christine Sonvilla: Erdkröten sind unheimlich spannende Tiere, die die meiste Zeit im Verborgenen leben. Man sieht sie während der Laichzeit im Frühjahr, was sie jedoch sonst so machen und wo sie sich aufhalten, darüber denkt kaum jemand nach. In den Alpen wandern die Tiere mitunter mehrere Kilometer, sie können sogar klettern, also richtig steile Passagen überwinden, um an ergiebige Sommer-futtergründe zu gelangen. Verblüffend ist außerdem ihre Synchronisation zur Laichzeit. An Land blickt man auf die Tiere meist „herab“, im Wasser haben wir die Möglichkeit, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen bzw. sie in jenem Element zu porträtieren, wo sie sich am wohlsten fühlen.
Die Unterwasserfotografie begleitet Sie schon seit vielen Jahren. Erklären Sie uns, wo die hier gezeigten Aufnahmen entstanden sind?
Unsere Unterwasserportfolios der letzten Jahre entstanden zumeist im Süßwasser. Wir hatten mehrere Jahre die Artenvielfalt der Everglades im Visier und da gehört Unterwasserfotografie einfach dazu. Die Everglades sind ein weltweit einzigartiges Feuchtgebiet, sie sind sehr flach, sumpfig und moskitoverseucht. Das „ideale“Arbeitsumfeld für Fotografen.
Und Alligatoren finden sich dort außerdem!
Ja, der König der Everglades. Und definitiv ein Tier, das keinen leichten Stand hat in der öffentlichen Wahrnehmung. Uns geht es darum, die Tiere ins „rechte Licht“zu setzen, zu zeigen,
was ihre schöne, spezielle Seite ist bzw. auch mit unseren Bildern zu kommunizieren, dass etwa auch ein Alligator ein vielschichtiges Tier ist, das mehr als nur Fressen im Kopf hat.
Ich habe Sie unterbrochen. Die Erdkröten sind sicherlich nicht in Florida aufgenommen?
Genau, den zweiten Schwerpunkt, seit mehr als vier Jahren, bilden für uns die heimischen Amphibien. Dazu gibt es noch viele Ideen, die wir noch umsetzen möchten. Aktuell laufen zu einigen Amphibienarten in den Alpen spannende Naturschutz-projekte, die wir begleiten und das Thema Erdkröten beschäftigt uns schon sehr lange. Eine bekannte Tierart, über die man im Detail letztlich doch recht wenig weiß und die nach wie vor mit viel unnützem Aberglauben belegt ist. Das wollen wir ändern.
Wie oft haben Sie die Kröten fotografiert?
Begonnen haben wir im Frühjahr 2015. Seither verging kein Frühling ohne intensive Krötenfotografie, sowohl Unterwasser als auch oberhalb. Letztlich gilt es, etwa bei der Amphibienwanderung und dem Ablaichen, die richtigen Tage zu erwischen – die spannendsten Aufnahmen gelingen nur an wenigen Tagen im Jahr – und so vergehen mitunter viele Abende und Nächte mit Beobachten und dem Abklappern vieler Laichgewässer. Wir finden es jedes Jahr von Neuem faszinierend, wie es die Tiere schaffen, ihre Hauptablaichzeit auf wenige Tage zu synchronisieren. Das Hauptspektakel spielt sich an maximal zwei bis drei Tagen ab, davor gibt es noch Anreise und Abreise. Also innerhalb von fünf Tagen ist die Show quasi vorüber. Und dann tauchen sie wieder ab.
Interessant ist die trübe Farbigkeit Ihrer Bilder, wohl um den Naturraum authentisch darzustellen?
Selbstverständlich, wir verstehen unsere Fotografie als Dokumentation im jeweiligen Lebensraum. Wenn das Wasser trüb ist, sich dort aber interessante Motive finden,
Begonnen haben wir im Frühjahr 2015. Seither verging kein Frühling ohne intensive Krötenfotografie, sowohl Unterwasser als auch oberhalb.
Marc Graf, Christine Sonvilla
wie in den Everglades oder in abgeschlossenen Waldtümpeln, dann gilt es, sich den Umständen anzupassen und damit zu arbeiten.
Auffallend ist, dass Sie sehr nah an die Tiere herankommen – wie schützen Sie sich vor einem möglichen Krokodilangriff – und wie schaffen Sie es, dass die Tiere nicht fliehen?
Dafür braucht es drei Komponenten: Wissen über das Verhalten der Tiere, eine Situation richtig bewerten können und viel Geduld. Übereilt kommt man zu solchen Fotos in jedem Fall nicht. Vor allem bei den Amerikanischen Alligatoren in den Everglades haben wir im Laufe der Jahre gelernt, dass es mitunter mehrere Stunden für nur eine Aufnahme braucht. Wir nähern uns den Tieren nie aus dem Hinterhalt, sind präsent und geben ihnen ausreichend Zeit, es sich lange genug zu überlegen, ob sie mit uns „arbeiten“wollen oder nicht. Und wir versperren den Tieren nie den Weg! Ein Alligator könnte jederzeit wegschwimmen. Was die meisten auch tun. Die, die selbst neugierig sind, verhelfen uns zu spannenden Aufnahmen.
Und bei den Kröten?
Auch die Kröten sind eher scheue Tiere und auch hier gilt es, vorsichtig zu agieren und ihnen es selbst zu überlassen, ob sie mit von der Partie sein wollen oder nicht. Bei den Kröten hilft aber auch ihr eigenes Spiegelbild in der Frontlinse des Unterwassergehäuses, das sie anlockt. Mitunter glauben Männchen scheinbar, dass ihr Spiegelbild ein Weibchen ist. Auch wir selber sind schon mal für Erdkrötenweibchen gehalten worden bzw. unsere Finger am Unterwassergehäuse.
Womit wir bei Ihrem Equipment wären. Mit welcher Technik fotografieren Sie?
Wir fotografieren und filmen mit Canon-equipment und nutzen dabei so gut wie jedes Kameramodell, das wir in die Finger bekommen. Zurzeit die neuesten Modelle der Profireihe wie die Canon EOS 5D Mark IV oder Canon EOS-1D X Mark II. Aber wir haben auch ältere Spiegelreflexkameramodelle wie die EOS 70D im Gepäck, etwa für unsere Fotofallen. Unterwasser nut
zen wir aber in der Regel Spiegelreflexkameras der 5er-serie von Canon. Dazu noch diverse Weitwinkelobjektive von Canon und FisheyeBrennweiten von Tokina. Als Unterwassergehäuse nutzen wir Equipment von Ikelite.
Kommt bei Ihnen Licht zum Einsatz?
Unterwasser ist der Einsatz von Kunstlicht meist ein Muss. Wir nutzen dafür Blitzsysteme – ebenfalls von Ikelite, die sich für unsere Einsatzzwecke als ideal erwiesen haben. Unterwasserfotografie in der Nacht oder zur blauen Stunde ist mit Sicherheit eine Herausforderung, zusätzliches Licht von Taschenlampen ist dabei immer dabei, um sich zu orientieren. Meist haben wir jedoch schon vor Sonnenuntergang zu arbei
ten begonnen und dann findet man sich viel besser zurecht, auch wenn es kontinuierlich dunkler wird. Da man Unterwasser ohnehin meist recht nahe an die Motive ran muss, sind Autofokus und Co. nicht zwingend erforderlich, die weiteren Einstellungen wie Blende und Verschlusszeit managen wir auch im Dunkeln ganz gut.
Wie sieht es mit der Bildkontrolle unter Wasser aus, sprich Schärfe, Komposition etc.?
Schärfe beim Einsatz von Fisheye, wie hauptsächlich bei unseren Krötenaufnahmen oder bei den Alligatoren, bedeutet ohnehin, ganz nah ranzugehen und verlangt die Verwendung einer kleinen Blende. Da spielt das feine Fokussieren keine allzu große Rolle. Die Komposition ist immer von Relevanz, kann aber durch den Sucher oder durch Kontrolle des Bildes am Kamerabildschirm quasi „normal“, so wie auch über dem Wasser, kontrolliert werden.
Wie viel Recherche steckt hinter Ihren Bildern?
Alle unsere Projekte sind meist akribisch recherchiert. Das reicht vom Verhalten der Tiere, geeigneten Locations bis zum Einholen von Genehmigungen. Wir haben festgestellt, dass ein größerer Zeitanteil auf die Vorrecherche fällt, als dann auf das Produzieren der Bilder selbst. Je besser der
Unterwasserfotografie in der Nacht oder zur blauen Stunde ist mit Sicherheit eine Herausforderung.
Marc Graf, Christine Sonvilla
Plan, je besser die Kenntnis über die Art, desto größer der Erfolg, zumindest in unserem Fall.
Ist es nicht auch unheimlich nachts im Gewässer?
Für uns ist es nicht unheimlich. Allerdings würden wir nicht nachts in den Everglades schwimmen gehen. Bei den Erdkröten kann dagegen nicht viel passieren. Natürlich muss man wissen, was man tut, aber dann geht es vor allem um die Wahrnehmung des Momentes, um das richtige Einschätzenkönnen einer Situation. Ängste entstehen meist in den heimischen Wänden, auf der sicheren Wohnzimmercouch, wo das Kopfkino einem allerlei Horrorszenarien vorgaukelt.
Sie arbeiten nicht nur unter Wasser – geben Sie uns doch bitte einen kurzen Überblick über Ihre letzten und über anstehende Fotoprojekte.
Seit fünf Jahren widmen wir uns intensiv den Großraubtieren in Mitteleuropa. Wir haben uns intensiv mit Braunbären auseinandergesetzt und neues, frisches Bildmaterial zum Thema Bären und Menschen produziert, das letztlich auch von National Geographic publiziert wurde. Seit 2016 arbeiten wir am Thema Luchs in den Alpen. Wölfe gehören zu unseren nächsten Aufgaben. Wir arbeiten gerade an einem Buch über das „Wilde Herz Europas“. Das Thema „Naturräume und Wildtiere Mitteleuropas“wird uns wohl so schnell nicht mehr loslassen.
Alle unsere Projekte sind akribisch recherchiert. Das reicht vom Verhalten der Tiere, geeigneten Locations bis zum Einholen von Genehmigungen.
Marc Graf, Christine Sonvilla