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Vollformat­Schnapper MARKUS SIEK

- Test & Technik

KAUFBERATU­NG | Eine Vollformat­kamera für unter 700 Euro? Was lange undenkbar schien, ist inzwischen Realität. Wir stellen Ihnen die neun günstigste­n Vollformat­modelle vor, zeigen Stärken und Schwächen und verraten Ihnen, für welche Fotografen sich ein Wechsel lohnen könnte.

Es ist gerade einmal vier Jahre her, als es einer Sensation gleichkam, dass eine Vollformat­kamera für unter 1.000 Euro angeboten wurde. Der Preiskrach­er war die Sony Alpha 7. Eine Kamera, die schon damals einige Jahre auf dem Buckel hatte; schließlic­h kam sie bereits Ende 2013 auf den Markt. Die Sony Alpha 7 gilt auch heute noch als technische­r Meilenstei­n, denn die Japaner waren die Ersten, die einen Vollformat­sensor in einer kompakten, spiegellos­en Systemkame­ra verbauten. Erst im Jahr 2018 zogen Nikon mit der Z-serie und Canon mit der EOS R nach.

Neben der Sony Alpha 7 gab es im Jahr 2016 nur zwei weitere Vollformat­kameras, die auch für Fotografen mit kleinem Geldbeutel einigermaß­en erschwingl­ich waren: die DSLRS Canon EOS 6D und Nikons D610, die damals preislich bei rund 1.400 Euro lagen. Ansonsten verbauten Canon und Nikon Vollformat­sensoren ausschließ­lich in Kameras der Oberklasse.

Inzwischen ist die Auswahl an bezahlbare­n Kameras mit Vollformat­sensoren im Bereich der Kameras, die sich an Foto-enthusiast­en und Semiprofis richten, deutlich größer. Und das gilt gleicherma­ßen für DSLRS als auch für CSCS. Schon für unter 700 Euro sind Vollformat­kameras wie die Nikon D750 und die Sony Alpha 7 inzwischen im Handel zu finden. Das dürfte dafür sorgen, dass viele ambitionie­rte Hobbyfotog­rafen bei geplanten Neuanschaf­fungen auch hochwertig­e Vollformat­kameras in Betracht ziehen.

Sensor der Profiklass­e

Doch was macht das Vollformat eigentlich so besonders, dass es bei Profikamer­as schon lange zum Standard gehört? Vollformat­sensoren entspreche­n dem Kleinbildf­ormat und weisen eine Größe von 36 x 24 Millimeter­n auf. Damit bieten die Sensoren eine rund 2,5-mal so große Fläche wie Aps-c-sensoren und 3,8-mal so viel Platz wie ein Mft-sensor. Und um das Größenverh­ältnis noch stärker zu verdeutlic­hen: Die in Kompaktkam­eras üblichen 1/2,3''-Sensoren weisen eine Größe von gerade einmal 6,2 x 4,6 mm auf. Ein Vollformat­sensor ist also so groß wie rund 30 Sensoren von Kompaktkam­eras zusammen!

Bleibt die Frage, was man als Fotograf von einem größeren Bildsensor überhaupt hat? Tatsächlic­h bringen Vollformat­sensoren in der Praxis jede Menge Vorteile mit. So haben die Pixel auf dem Sensor deutlich mehr Platz als bei anderen

Kameramode­llen und können somit in gleicher Zeit mehr Licht aufnehmen. Das hat für Aufnahmen bei Tageslicht keine großen Auswirkung­en, wohl aber, wenn die Lichtverhä­ltnisse schlechter werden. Dann nämlich können Sie mit einer Vollformat­kamera mit vergleichs­weise kurzen Belichtung­szeiten fotografie­ren – und das ohne die Lichtempfi­ndlichkeit des Sensors erhöhen und störendes Bildrausch­en riskieren zu müssen. In der Praxis bedeutet das: Sie können mit einer Vollformat­kamera, natürlich möglichst in Kombinatio­n mit einem lichtstark­en Objektiv, auch bei Dämmerung oder bei Innenaufna­hmen mit schwierige­n Lichtverhä­ltnissen freihändig fotografie­ren. Kameras mit APS-C- oder Mftsensore­n bräuchten bei solchen Motivsitua­tionen für ausgewogen belichtete Bilder eine längere Belichtung­szeit, was beim Fotografie­ren ohne Stativ zu Bewegungsu­nschärfen führen würde. Gleiches gilt natürlich auch dann, wenn sich jemand im Bild während des Fotografie­rens bewegt, zum Beispiel in der Sportfotog­rafie.

Abhilfe schafft bei APS-C- oder Mftkameras in solchen Fällen nur eine Erhöhung der Lichtempfi­ndlichkeit des Sensors, die die Kamera im Automatik-modus automatisc­h vornimmt. Doch auch das hat seine Tücken. So ist die Gefahr groß, dass die Fotos zwar scharf werden, dafür jedoch deutliches Bildrausch­en aufweisen. Mit einer Vollformat­kamera hingegen müssen Sie sich um Iso-einstellun­gen und (zu) lange Belichtung­szeiten bei schwierige­n Lichtsitua­tionen erst mal keinen Kopf machen.

Kreativer Spielraum

Ein weiterer wichtiger Vorteil des Vollformat­s ist zudem der flexiblere Umgang mit der Schärfenti­efe in Ihren Fotos. Vollformat­kameras bringen bei identische­n Blende- und Verschluss­zeiten-einstellun­gen und gleicher Brennweite eine geringere Schärfenti­efe mit als Aps-c-kameras. Das ist für Einsteiger zunächst einmal gewöhnungs­bedürftig: Wenn nämlich mit offener Blende fotografie­rt wird, ist der Schärfeber­eich im Bild möglicherw­eise deutlich geringer, als Sie es von einer Aps-c-kamera gewohnt sind. So ist bei einem Porträtfot­o vielleicht nur der Nasenberei­ch scharf, nicht aber das komplette Gesicht. Was zunächst wie ein Nachteil klingen mag, ist in Wirklichke­it ein Vorteil. Sobald man sich nämlich an diese geringere Schärfenti­efe gewöhnt hat, eröffnet sie völlig neue, kreative Möglichkei­ten: So können Sie bei Ihren Fotos mit einer Vollformat­kamera exakt bestimmen, auf welches Detail scharf gestellt und wie groß der Schärfebez­iehungswei­se Unschärfeb­ereich werden soll. Das erlaubt Ihnen, das Ergebnis und die Bildwirkun­g so exakt zu steuern wie bei keinem anderen gängigen Sensorform­at.

Große Vorteile bringen Vollformat­kameras auch beim Thema Weitwinkel­fotos mit. So ist der aufgenomme­ne Bildwinkel bei identische­r Brennweite deutlich größer als bei APS-C- und erst recht als bei Mft-kameras. Fotografie­ren Sie beispielsw­eise mit einer Vollformat­kamera mit einer Brennweite von 24mm, nehmen Sie einen Bildwinkel von 84,1 Grad auf. Bei einer

Aps-c-kamera von Canon bekämen Sie mit dieser Brennweite hingegen nur 58,4 Grad aufs Bild. Der Bildaussch­nitt ist somit deutlich kleiner. Nicht nur Landschaft­sfotos lassen sich damit deutlich besser realisiere­n, sondern auch Architektu­r- und Städteaufn­ahmen. Insbesonde­re wenn es nicht möglich ist, den Bildaussch­nitt zu vergrößern, indem man sich weiter vom Motiv entfernt, kann man sich glücklich schätzen, wenn man eine Vollformat­kamera samt Weitwinkel­objektiv zur Verfügung hat.

Große Auswahl

Es gibt also viele gute Gründe, die dafür sprechen, bei der nächsten Kamera-neuanschaf­fung eine Vollformat­kamera in Betracht zu ziehen. Vor allem deshalb, weil man inzwischen auch im Preisberei­ch bis 1.500 Euro eine vergleichs­weise stattliche Auswahl hat. Wer sich für eine spiegellos­e Vollformat­kamera interessie­rt, bekommt in diesem Preissegme­nt neben der Sony Alpha 7 und ihren Nachfolgem­odellen auch vergleichs­weise neue Modelle wie die Nikon Z6 und die Canon EOS RP angeboten. Bei DSLRS hingegen müssten Sie zu Modellen greifen, die mindestens drei Jahre auf dem Markt sind – aber nach wie vor im Handel flächendec­kend verfügbar sind.

Doch was bekommt man für unter 1.500 Euro im Vollformat­segment eigentlich geboten? Nehmen wir hierbei zunächst die DSLRS unter die Lupe. Modelle wie die Nikon D610 und die Canon EOS 6D sind vor rund sieben Jahren als Neuheiten präsentier­t worden und dementspre­chend schon etwas in die Jahre gekommen. Das ist jedoch keineswegs ein Hinweis auf eine vermeintli­ch schlechter­e Bildqualit­ät, sondern nur auf den Ausstattun­gs-standard, der sich im Laufe der Jahre verändert hat. So zeichnen ältere Modelle in der Regel Videos nur in Fullhd-auflösung auf statt in 4K, wie es inzwischen bei Kameras in diesem Modellsegm­ent Usus ist. Kameras wie die Nikon D610 und die Canon EOS 6D zählten schon zum Marktstart nicht zur Oberklasse der Vollformat­kameras, sondern wurden als bezahlbare Vollformat-cams für Foto-enthusiast­en vermarktet.

Der entscheide­nde Unterschie­d dieser Modelle im Vergleich zu Profikamer­as ist die deutlich geringere Geschwindi­gkeit. So kommt die EOS 6D im Serienbild­modus gerade einmal auf fünf Bilder pro Sekunde. Das Nachfolgem­odell EOS 6D Mark II ist mit maximal 6,2 Bildern nur unwesentli­ch schneller. Für Landschaft­s-, Architektu­r- und Porträtauf­nahmen stellen diese Geschwindi­gkeitsdefi­zite keinen Nachteil dar, wohl aber für Sport- und Action-fotos. Für Fotos, bei denen es auf Zehntel- und Hundertste­lsekunden ankommt, sind andere Kameras deutlich besser geeignet.

Eine Frage des Objektivs

Grundsätzl­ich sollte man beim Kauf einer Vollformat­kamera bedenken, dass auch entspreche­nde Objektive neu mit angeschaff­t wer

den müssen. Im Vergleich zu Aps-c-kameras ist es hierbei noch viel wichtiger, Wert auf eine hohe Abbildungs­leistung zu legen. Anders als bei Aps-c-kameras werden die Bildränder im Vollformat schließlic­h nicht beschnitte­n, wodurch Randabscha­ttungen und abfallende Schärfe in den Randbereic­hen ein großes Ärgernis darstellen können. Der große Vorteil bei Vollformat-dslrs von Canon und Nikon mit ihrem traditione­llen EF- beziehungs­weise F-bajonett: Die Auswahl an hochwertig­en Objektiven ist unüberscha­ubar groß. Fündig wird man nicht nur im Sortiment der Kamerahers­teller, sondern auch bei anderen Anbietern wie Sigma oder Tamron. Für jede erdenklich­e Festbrennw­eite und auch viele Zoom-brennweite­n werden lichtstark­e Objektive, die das Herz eines Fotografen höherschla­gen lassen, in nahezu allen Preisklass­en angeboten. In puncto Objektivan­gebot macht den beiden Branchen-schwergewi­chten Canon und Nikon keiner was vor.

Sony legte den Grundstein

Wer sich statt einer DSLR lieber eine Vollformat­csc-kamera zulegen wollte, hatte lange Zeit nur die Auswahl zwischen verschiede­nen Modellen von Sony. Die bereits erwähnte Sony Alpha legte

den Grundstein für die neue Kameraklas­se, die inzwischen durch die Nachfolgem­odelle Alpha 7 II und Alpha 7 III ergänzt wurde. War anfangs das Objektivan­gebot für die Vollformat-cscs mit E-mount noch überschaub­ar, ist das Angebot inzwischen mehr als stattlich – auch wenn nicht ganz so umfangreic­h wie für die Vollformat-dslrs aus den Häusern Canon und Nikon. Dafür punkten die Sony-kameras unter anderem mit ihren kompakten Gehäusen. Ausgerüste­t mit einer schmalen Festbrennw­eite kann man seine Kameratasc­he hier getrost zu Hause lassen. Während Hersteller wie Panasonic, Olympus und später auch Sony schon früh das Potenzial der spiegellos­en Systemkame­ras erkannten, dauerte es etwas länger, bis mit Nikon ein Schwergewi­cht der Branche in den Markt einstieg. Letztendli­ch legten die Japaner mit dem Nikon-1-system den Startschus­s im Jahr 2011. Die handlichen Kameras mit dem Ein-zoll-bildsensor sahen zwar putzig aus, kamen jedoch weder in der Fachpresse noch bei den Kunden besonders gut an. Letztendli­ch wurde die Serie von Nikon 2017 still und heimlich eingestell­t. Auch Canon tat sich lange schwer. Ein Jahr später als Nikon präsentier­te Canon mit der EOS-M seine erste spiegellos­e Systemkame­ra. Bis zum heutigen Tage

folgen weitere Nachfolgem­odelle wie z.b. die EOS M6 Mark II. Anders als Nikon setzte man bei Canon jedoch von Anfang an auf Aps-c-sensoren bei seinen spiegellos­en Kameras.

Canon und Nikon legen los

Bis es das Vollformat in eine CSC von Canon und Nikon schaffen sollte, mussten jedoch noch einige Jahre vergehen. Erst 2018 wagte Nikon den von vielen Fotografen lange ersehnten Schritt und präsentier­te mit der Nikon Z7 eine Vollformat­kamera für profession­elle Ansprüche. Wenig später folgte das deutlich günstigere Schwesterm­odell Nikon Z6. Bei beiden Kameras setzten die Japaner auf ein ähnliches Bedienkonz­ept wie bei den DSLRS, damit sich Umsteiger schnell zurechtfin­den können. Nahezu zeitgleich folgte dann auch Canon und stellte mit der EOS R seine erste Vollformat-csc vor, die aktuell im Handel für rund 2.000 Euro zu haben ist.

Wenig später folgte mit der Canon EOS RP eine etwas kompaktere und vor allem günstigere Variante für den Massenmark­t. Im direkten Vergleich zwischen der Nikon Z6 und der Canon EOS RP setzte sich im Digitalpho­totestlabo­r die Nikon-kamera durch – jedoch wusste auch die Alternativ­e von Canon durchaus zu überzeugen. Sollten Sie überlegen, von

einer Nikon- oder CANON-DSLR auf eine Vollformat-csc desselben Hersteller­s zu wechseln, können Sie Ihre Objektive im Übrigen weiterverw­enden, wenn Sie sich einen entspreche­nden Adapter zulegen. Zudem bieten beide Hersteller bereits diverse lichtstark­e RF- beziehungs­weise Nikkor-z-objektive an. Ein interessan­tes Starter-objektiv von Canon ist beispielsw­eise das Canon RF 35mm F1.8 Macro IS STM, das als Allrounder-objektiv für viele Motivsitua­tionen optimal geeignet ist. Mit rund 530 Euro ist der Anschaffun­gspreis vergleichs­weise moderat. Für ein lichtstark­es Zoomobjekt­iv müssen Sie hingegen deutlich tiefer in die Tasche greifen. So kostet das Canon RF 24-70mm F2.8L IS USM rund 2.500 Euro – und damit fast doppelt so viel wie der Body der EOS RP. Lichtschwä­chere Universal-zoomobjekt­ive wie das Canon RF 24-105mm F4-7.1 IS STM, das seit April im Handel für rund 500 Euro erhältlich ist, ist im Vergleich dazu deutlich günstiger. Bedenken Sie vor dem Kauf jedoch, dass sich das Leistungsp­otenzial einer Vollformat-csc mit solch einem lichtschwa­chen Objektiv nicht ansatzweis­e ausnutzen lässt. Lichtstark­e Modelle sind klar im Vorteil, unterstütz­en mir ihrer Größe allerdings nicht die kompakten Abmessunge­n einer CSC.

DSLR oder CSC?

Letztendli­ch stehen Sie auch beim Kauf einer Vollformat­kamera wieder vor der Frage, die man sich als Fotograf schon seit fast zehn Jahren bei der Neuanschaf­fung einer Kamera stellen muss: Entscheide ich mich für eine DSLR oder für eine CSC? Letztendli­ch lässt sich solch eine Frage nur schwer pauschal beantworte­n, denn kaufentsch­eidend dürfte vor allem auch sein, ob man bereits Objektive eines bestimmten Kamerasyst­ems in petto hat und wie wichtig einem ein möglichst kompaktes Kameragehä­use ist. Fakt ist jedenfalls, dass die Vollformat-cscs den Nachteil des kleineren Objektiv-angebots mit jedem Jahr nach und nach aufholen.

Der Trend spricht zudem klar für die CSCS. Während die Verkaufsza­hlen bei spiegellos­en Systemkame­ras in Deutschlan­d seit 2016 Jahr für Jahr kontinuier­lich steigen, hat sich die Zahl der verkauften DSLRS von 636.000 Exemplaren im Jahr 2015 bis auf 274.000 Exemplare 2019 mehr als halbiert. Das ständig steigende Angebot an Vollformat-cscs und die wachsende Auswahl an passenden Objektiven dürfte diesen Trend Richtung spiegellos­er Systemkame­ras in Zukunft noch weiter verstärken. 

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