Photoshop, Fotojob!
Seit über 20 Jahren nutzt Uli Staiger Adobe Photoshop für seine Arbeiten. Die Leidenschaft für das exakte Werkeln an Aufnahmen begann aber noch früher. Als Fotoassistent lernte er in den USA die Kunst der analogen Bildbearbeitung kennen – heute ist Staiger einer der führenden Digital-künstler Deutschlands.
Alles fing bei Uli Staiger mit einer, wie er selbst sagt, Schnapsidee an. „Ich hatte tatsächlich die Idee, Tierarzt zu werden – aber dafür reichten meine Abiturnoten nicht aus“, sagt der gebürtige Schwabe, der seit über 25 Jahren in Berlin lebt und er ergänzt: „Es gibt aber die Möglichkeit zu warten – einige Jahre zu überbrücken, und so verbessern sich dann die Noten.“Staiger suchte also nach einer Beschäftigung, die ihm Spaß machen und die Wartezeit erleichtern würde. Der Rest ist Geschichte. Staiger wählte die Fotografie und war fortan gefangen. Irgendwann bemerkte er, dass ihn am Fotografieren so viel interessierte, dass er das Warten auf einen Studienplatz zum Veterinärmediziner schließlich zur besagten Schnapsidee ernannte – und ausschließlich Fotograf werden wollte. Es folgte eine klassische Ausbildung: Hochzeiten fotografieren, Passbilder, analoge Filme verkaufen. Dabei wollte Staiger eigentlich den Weg in Richtung
Industriefotografie eingehen – und wagte dafür nichts anderes als den Schritt über den großen Teich in die USA. „Eine meiner Tanten wohnte glücklicherweise in New Jersey, unweit von New York. So hatte ich für die ersten paar Wochen eine Anlaufstelle, von wo aus ich tagtäglich in und um New York Fotografen anrief und mich als Assistent anbot“, so Staiger, der sich im dortigen Branchenverzeichnis alle Fotografen anstrich, die für ihn infrage kamen, und ihnen vorschwärmte, wie toll er wäre und dass sie ihn unbedingt zum Probetermin einladen sollten.
Wirtschaftlich selbstständig
„In Amerika herrscht eine ganz andere Mentalität vor. Ich wurde mit offenen Armen empfangen. Als die Fotografen von meinem Elan mitbekamen und, dass ich extra aus Deutschland angereist bin, hat jeder sofort seine Hilfe angeboten und Kontakte rausgesucht, die mich weiter
Adobe Photoshop ist eigentlich eine Software, die mal für Fotolaboranten gemacht wurde. Uli Staiger
brachten“, schwärmt Staiger noch heute über die Zeit. „Ich bin auf eine Gesellschaft gestoßen, die das Netzwerken inhaliert hat.“Auf diese Weise wurde Staiger innerhalb von drei Monaten wirtschaftlich selbstständig. „Zu diesem Zeitpunkt hatte ich ein Portfolio von etwa zehn Fotografen gehabt, die mich regelmäßig buchten.“
Analoge Bildbearbeitung
Viel mehr noch wog aber die Begegnung mit einem Fotografen, für den Staiger schließlich die letzten Monate seines eineinhalb jährigen Amerika-abenteuers fest gearbeitet hatte, und den er bis heute als seinen Mentor bezeichnet: Neil Molinaro, ein klassischer Stilllife-fotograf, von dem heute leider nur noch wenig Bildmaterial einsehbar ist. „Von Neil habe ich so viel lernen können, was ich später in meiner Arbeit angewandt habe und bis heute nutze“, erklärt Staiger die fast schicksalhafte Begegnung. „Wenn man heute die Aufnahmen betrachtet, die Neil damals erstellt hat, käme man im Leben nicht auf die Idee, dass das ohne Photoshop entstanden ist“, so Staiger. Aber Photoshop gab es noch nicht. Molinaro hat mit analogen Großformat-kameras, Markierungstechniken und Schablonen analoge Meisterwerke erstellt. Es war gut möglich, dass an einer Aufnahme bis zu einer Woche lang gewerkelt wurde, damit auch alle Masken saßen und die Weichzeichner alle an Ort und Stelle waren. „Mich hat diese Arbeit sehr inspiriert und beeinflusst. Neil schuf Bilder, die ich in dieser Form noch nie gesehen hatte“, erinnert sich Staiger. „Vor allem habe ich diese Erfahrung in meine spätere Arbeit einfließen lassen, denn all die Dinge, die Neil analog erstellte, habe ich zurück in Deutschland versucht, mit den ersten Versionen von Adobe Photoshop nachzubauen.“
Heute ist Uli Staiger einer der gefragtesten Bildbearbeiter des Landes. Seine Werke erstellt er für Großkunden, die ihn extra buchen, um Bildvisionen und Kampagnen umzusetzen. Sein Werkzeug Nummer eins war und ist dabei seit jeher Adobe Photoshop, mit dem er seit Version 3.05 arbeitet. „Es geht bei mir ja weniger um Fotografie, als darum, das Motiv im Kopf zusammenzubauen und es dann am Rechner zu realisieren – und das passt zu mir, denn es war noch nie meine Art und Weise, einen Schnellschuss zu setzen“, erklärt Staiger und ergänzt: „Schon zu analogen Zeiten habe ich Bilder lange ausgearbeitet.“Dazu gehörte im Übrigen auch die Laborarbeit. „Wer sich bei Adobe Photoshop die kleinen Symbole mal genauer anschaut, der merkt, dass es eigentlich eine Software ist, die für Fotolaboranten mal gemacht wurde. Den Abwedler und den Nachbelichter als zwei Beispiele, das sind ganz klassische Laborwerkzeuge“, sagt Staiger, der kurz nach seiner Usa-heimreise in Potsdam an der Fachschule für Foto- und Medientechnik ein Studium zum Fotografenmeister und Fototechniker begann, das er 1998 erfolgreich abschloss. „Ich bin das Studium aus zwei Gründen angegangen“, so Staiger. „Zum einen glaube ich, dass es gut ist, Dinge in der Theorie zu festigen, und zum anderen hatte ich dort Zeit zum Experimentieren. Ich hatte übrigens auch ein Kunststudium angehen wollen, aber die Hochschule der Künste sagte mir mit der Begründung ab, dass bei mir leider kein Gestaltungswille erkennbar sei“, sagt Staiger amüsiert.
Photoshop als Arbeitsgerät
Das erste Mal in Berührung kam Staiger mit Photoshop während des Studiums. „Ein Kommilitone hatte eine erste Version auf seinem Rechner, wahrscheinlich von irgendwo her geklaut, und ich erkannte sofort, dass das ein Werkzeug war, das weit mehr konnte, als nur Pickel wegmachen“, so Staiger. „All die Dinge, die ich bis
her gemacht hatte oder die ich machen wollte, die mitunter aufwendig und schwierig zu produzieren waren, gingen mit Adobe Photoshop erheblich leichter“, sagt der Bildbearbeitungsprofi.
Es folgten erste Experimente mit der Software. Staiger erkannte, dass er mit den Ebenen unglaublich viel anfangen konnte. „In der Version 3.05 war Photoshop meiner Meinung nach schon absolut brauchbar. Ich könnte viele meiner Arbeiten, die ich heute erstelle, mit
Photoshop 3 auch noch machen“, sagt Staiger. „Die wichtigsten Dinge waren damals schon etabliert. Ich konnte gar nicht anders und begann, meine Ideen fortan mit Photoshop umzusetzen.“
Der Weg in die Selbstständigkeit
Schon kurz nach dem Studium machte sich Staiger dann mit einem Kompagnon selbstständig. „Wir haben einiges an Geld in die Hand genommen, haben uns Geräte geliehen und gekauft, sogar eine Gmbh gegründet und haben einfach ganz klassische Akquise gemacht – damals schon mit Internet. Allerdings natürlich nicht in den Umfang, wie das heute möglich ist.“Es folgten die obligatorischen, aber notwendigen Kontaktaufnahmen zu Agenturen und Firmen – das Sich-vorstellen. „Ja, das ist ein harter Weg, aber er hat sich bewehrt und gehört meiner Meinung nach auch heute nach wie vor mit zu den erfolgreichsten Strategien, wenn man einen Job haben möchte.“Staiger hatte allen Grund, selbstbewusst an diese Kundengespräche zu gehen, denn was er anbot, ging weit über die reine Fotografie hinaus. Staiger empfahl sich als Bildbearbeiter. Er nahm Scans von Bildern, denn Digitalkameras waren zum damaligen Zeitpunkt enorm teuer in der Anschaffung, und verbesserte sie durch Tonwertkorrekturen und kleine RetuscheArbeiten. „Meine eigentliche Triebfeder sind aber bis heute meine eigenen Bildexperimente, die ich mit Photoshop umsetze. Ich kann mich damit verwirklichen und diese freien Arbeiten haben mir viele neue Jobs ermöglicht“, erinnert er sich und fährt fort: „So bin ich zu den ersten
Zeitschriften und Magazinen gekommen, habe neue Kontakte erstellt und begonnen, Bücher darüber zu schreiben. Die freien Arbeiten halten mich kreativ. Sie sind wahrscheinlich auch überhaupt der Grund, warum ich mich damals für diesen Weg entschieden habe.“
Und heute?
Heute arbeitet der Bildbearbeitungsprofi vor allem für Agenturen und Kunden wie Bertelsmann, Lufthansa, Ravensburger Spiele, also all die Unternehmen, die einen Bedarf an ausgeklügelten Montagen haben, die aussehen, als seien sie an einem Stück fotografiert – es aber natürlich nicht sind. Darüber hinaus schreibt er über das Thema Photoshop, gibt Einzel- und Gruppencoachings, lehrt an Universitäten und hält Vorträge darüber. „Die Arbeitszeit, also wie lange ich heute an einem Bild sitze, hat sich von der analogen Fotoarbeit, die ich früher erstellt habe, gar nicht verändert. Es ist sogar eher noch länger geworden. Nur ist die Tätigkeit heute eben eine ganz andere“, so Staiger abschließend.
Ich könnte viele meiner Arbeiten, die ich heute erstelle, mit Photoshop 3 auch noch machen.
Uli Staiger