Landschaften dieser Welt
Fotograf Stefan Liebermann im Interview
Fotograf Stefan Liebermann hat sich auf Landschaftsmotive spezialisiert. Seine Bilder entstehen an den abgelegensten Orten, häufig nachts. Wie er seine spektakulären Aufnahmen erstellt und welche Kameras dabei zum Einsatz kommen, hat er uns im Interview verraten.
Für Stefan Liebermann kann es kaum etwas Schöneres geben, als nachts allein in der Wüste zu stehen und den Nachthimmel zu fotografieren. Für seine Aufnahmen reist der Ilmenauer um die Welt – immer auf der Suche nach faszinierenden Landschaftsmotiven. Wir haben ihn zu seiner Arbeit befragt.
Herr Liebermann, wonach suchen Sie Ihre Motive aus? Oder anders gefragt: Was muss eine Landschaft haben, damit Sie sie fotografieren?
Oft sind es abstrakte Landschaften mit einem bestimmten Wiedererkennungswert aus einer neuen Perspektive, im neuen Licht oder in einer neuen Umgebung. Dabei hilft mir mittlerweile auch die Luftbildfotografie, um eine einmalige Sichtweise auf beispielsweise die schneebedeckten Gipfel der Lofoten oder die grasgrünen Hügel der Azoren zu erhalten. Die neue Umgebung und das Licht werden definiert durch einen funkelnden Sternenhimmel oder einen wild fluktuierenden Nordlichthimmel.
Sie sagen es, viele Ihrer Bilder zeigen Sternenhimmel – und das an entlegenen Orten.
Natürlich geht es darum, einen möglichst guten Sternenhimmel einzufangen. Die Sichtbarkeit wird durch Faktoren wie Lichtverschmutzung, Mondphase, Erdrotation und Wetter bestimmt. Daher bieten sich entlegene Orte mit wenig Lichtverschmutzung bei Neumond und wolkenfreiem Himmel am besten an – so erhalte ich beeindruckende Farben und Details im Nachthimmel. Ich bevorzuge warme Orte wie Wüsten und Steppen. Wenn ich einen geeigneten Ort gefunden habe, nutze ich die Live-view-funktion meiner Sony-kamera. Damit erhalte ich praktisch einen Nachtsichtmodus, der die Milchstraße sowie den Vordergrund sichtbar macht.
Was fasziniert Sie an der Nachtfotografie?
Für mich ist es die Kombination aus Kunst und Technik, die mich an der Nachtfotografie fasziniert. Dinge sind mit bloßem Auge nicht zu erkennen, aber doch real da! Die moderne
Digitalfotografie mit rauscharmen Vollformatsensoren ermöglicht einen unglaublich hohen Dynamikumfang auch bei sehr langen Belichtungszeiten und hohen Iso-werten. Damit ist es möglich, auf eine einzigartige Weise in eine wunderschöne Welt zu blicken.
Mit welcher Kamera und mit welchen Objektiven entstehen Ihre Bilder?
Ich benutze eine Sony Alpha 7 III und eine Sony Alpha 7S für meine Fotografie. Während ich mit einer Kamera auf Motivsuche gehe, läuft oft die andere parallel für eine Zeitraffersequenz. An Objektiven kommt bei mir das Sony FE 16-35mm F/2.8 GM und das Sigma 14-24mm F/2.8 DG HSM | Art für die Landschaftsfotografie zum Einsatz. Meine absolute Lieblingslinse für die
Nacht ist das Sigma 14mm F/1,8 DG HSM | Art. Es ist lichtstark und ultraweitwinklig.
Was muss eine Kamera an Eigenschaften besitzen, um für Sie in Betracht zu kommen?
Generell muss eine Kamera einen extrem lichtempfindlichen Sensor besitzen, damit sie für mich infrage kommt. Explizit meine ich hier das Signalrausch-verhältnis einer Kamera. Da man bei der Nachtfotografie mit sehr wenig Licht (Photonen) auskommen muss, ist es entscheidend, wie viele Photonen auf den Sensor gelangen. Eine große Sensorfläche erhöht die Anzahl der auftreffenden Photonen und somit die Signalstärke. Aus diesem Grund verwende ich Vollformatsensoren. Darüber hinaus ist es entscheidend, wie viele Photonen auf einen Sensorpixel gelangen, weil das Signal
über die einzelnen Pixel ausgelesen wird. Ich bin entgegen dem allgemeinen Trend somit ein Freund von Kameras mit wenig Megapixeln. Dies gilt natürlich nur bis zu dem Punkt, bei dem eine akzeptable Auflösung vorliegt. Die Sony Alpha 7S mit ihrem 12,2-Megapixel-vollformatsensor verwende ich wegen ihres in meinen Augen einmaligen Signal-rausch-verhältnisses. Für detaillierte Aufnahmen verwende ich die Sony Alpha 7 III mit ihrem 24,2-Megapixel-exmor-r-vollformat-cmos-sensor.
Worauf achten Sie bei Ihren Bildern am meisten?
Hauptaugenmerk ist für mich der Bildaufbau und die Farbgebung. Die Aufnahme soll interessant wirken und den Betrachter förmlich in das Bild hineinziehen. Ich achte auf Kompositionsregeln
wie goldene Spiralen, Winkelhalbierende und Drittel-regel. Die Farbgebung sowie bestimmte Farbkontraste benutze ich zum Erzeugen stimmungsvoller Fotos. Eine spannende Bildwirkung erziele ich oft mit Panoramen aus mehreren Aufnahmen. So wird ein einzigartiger Bildwinkel erzielt und beispielsweise die Milchstraße zu einem Bogen transformiert.
Wie sieht Ihr Set-up vor Ort aus?
Ich benutze ein Stativ für die in der Nacht notwendigen Langzeitbelichtungen. Zusätzlich noch einen Kugelkopf mit Wasserwaage, um mögliche Panoramaaufnahmen zu vereinfachen. Mit diesem sehr überschaubaren Set-up kann man an einem Ort viele verschiedene Kompositionen finden, flexibel sein und seiner Kreativität freien Lauf lassen. Genau das liebe ich. Soll es dann doch komplexer werden, benutze ich noch einen Astro-tracker. Dieser gleicht die Rotation der Sterne aus und erlaubt somit längere Belichtungszeiten bei geringeren Iso-werten.
In welchen Ländern haben Sie Ihre Kamera in letzter Zeit überall aufgestellt?
Einige meiner letzten Stationen waren zum Beispiel Jordanien, Australien und die Lofoten in Norwegen. Hauptsächlich, um die Milchstraße und die Nordlichter einzufangen.
Und was war der Ort, der Sie seither am meisten beeindruckt hat?
Eindeutig Deadvlei in Namibia. Das Farbspiel zwischen blauem Himmel, roten Dünen und
Alleine nachts in der Wüste zu stehen, bedeutet für mich absolute Freiheit. Man fängt an, seinen eigenen Atem zu hören und wird hellwach gegenüber der Umgebung.
Stefan Liebermann
weißem Ton zusammen mit den abgestorbenen Bäumen ist schier unglaublich. Nachts scheint der tonartige Boden die Sterne zu reflektieren.
Nachts, womöglich allein, in einem riesigen Nationalpark – klingt romantisch, kann aber auch unheimlich sein. Wie ist es für Sie?
Es ist ein fantastisches Gefühl! Alleine nachts in der Wüste zu stehen, bedeutet für mich absolute Freiheit. Wo hat man denn auf unserer Erde sonst noch diese Möglichkeit? Man fängt an, seinen eigenen Atem zu hören und wird hellwach gegenüber der Umgebung. Unbeschreiblich!
Haben Sie schroffe Landschaften besonders gern vor der Linse oder täuscht der Eindruck?
Markante und schroffe Landschaften im Zusammenspiel mit weichem Licht faszinieren mich durchaus. Dieser Gegensatz verleiht den Fotografien eine ganz eigene Dynamik. Die Lofoten in Norwegen zum Beispiel bieten so ein einzigartiges Natur-szenario.
Hitze oder Kälte – mit welchem Wetter kommen Sie besser zurecht und warum?
Das ist oft nur eine Gewöhnungssache und hängt von der Kleidung ab. Wenn das Motiv stimmt, vergesse ich oft jegliche Umgebungsbedingungen und bin im totalen Tunnel. Im Allgemeinen mag ich das warme Wüstenklima etwas mehr. Das macht vor allem die Fotografie während der Nacht deutlich angenehmer. Müdigkeit und Kälte vertragen sich bekanntlich nicht sehr gut.
Wann haben Sie angefangen zu fotografieren?
Während meiner Masterarbeit suchte ich einen Ausgleich. Ich schnappte mir eine Kamera und ging auf Entdeckungsreise. Damals fotografierte ich alles, was mir vor die Linse kam. Ich kombinierte die Fotografie mit Wanderungen, zum Teil in der Nacht, und so entwickelten sich Motive vorwiegend in Landschaft und Natur. Momentan lebe ich meinen Traum. Ich reise mit der Kamera um die Welt, um tolle Momente in der Natur, meist nach Sonnenuntergang, einzufangen.