ATHLETEN AM LIMIT
Actionsport zu fotografieren, sollte man den Profis überlassen. Die sind in der Regel selbst Sportler oder langjährig erfahren und wissen, wo die Grenze zwischen Hochleistung und Leichtsinn verläuft. Wir haben mit dem Profi Nils Ohlendorf über seine Arbeit gesprochen.
Nils Ohlendorf hält Emotionen fest, die Sportler beim Besteigen steiler Klippen, beim Mountainbiken oder Skiwandern in unwegsamem Gelände erleben. Dafür klettert er selbst und hängt mit seinem Equipment mitunter mitten im Berg. Wie seine Bilder entstehen, erzählt er hier im Interview.
: Herr Ohlendorf, Ihren Bildern merkt man an, dass Sie von einem Fotografen erstellt sind, der die Sportarten, die er festhält, gut kennt.
Nils Ohlendorf: Tatsächlich liegen mir die meisten Sportarten, die ich fotografiere, auch selbst sehr am Herzen. Ich bin leidenschaftlicher Sportund Alpinkletterer und treibe mich sehr viel mit Tourenski, Mountainbiken oder zu Fuß in den Alpen, dem nahen Schwarzwald oder anderen Gebirgen der Welt herum. Auch für Kanutouren, Bootsreisen, Surftrips oder eigentlich alles, was draußen stattfindet, kann ich mich begeistern.
Seit wann fotografieren Sie?
Mit der Fotografie beschäftige ich mich seit meiner Jugend. Ich war in einem Fotoclub, in dem Bilder diskutiert und ausgestellt wurden, hatte mir ein kleines Schwarz-weiß-labor in meinem Elternhaus eingerichtet und ein erstes Praktikum bei einem Werbefotografen absolviert. Genauso war ich schon immer gerne und viel in der Natur unterwegs – die Kamera hat mich zunächst auf Reisen in Deutschland und Europa begleitet.
Dann kam die Sportdokumentation dazu?
Während meines Geografiestudiums in Freiburg konnte ich dann sowohl meiner Reiselust nachgehen als auch mein Interesse an Bergsportarten in die Praxis umsetzen. Dabei waren es auch wiederum Fotos, die mich dazu inspiriert hatten. Ich erinnere mich noch an einzelne Bilder von einem Kletterer in einem großen Überhang auf Korsika oder einem Skiwanderer in arktischen Weiten – da wusste ich genau, das möchte ich auch machen. Irgendwann stand ich selbst an diesen Orten und jetzt hoffe ich, mit meiner Kamera diese Faszination festhalten und an andere Menschen weitergeben zu können.
Wie entstehen Ihre Aufnahmen: Fahren Sie zu einem Sportereignis und dokumentieren dort oder haben Sie eine Idee für ein Shooting und organisieren die passenden Sportler?
Beides kommt vor. Es gibt Trips oder Bergunternehmungen, die mir persönlich sehr am Herz liegen – die Kamera ist dabei eher ein Begleiter zur Dokumentation oder um das in den Bergen immer mal wieder auftauchende, besondere Licht einzufangen. Anders sieht es aus, wenn ich mit ganz gezielten Bildwünschen zu einem
bestimmten Ereignis fahre oder es inszeniere, um bestimmte Kundenwünsche zu erfüllen. Dabei ist natürlich entscheidend, ob es sich um ein freies Fotoprojekt handelt, eine Auftragsarbeit, ein Katalogshooting oder anderes.
Wer sind Ihre Kunden?
Meine Auftraggeber sind Firmen aus dem Bergsport-, Sport- und Outdoor-bereich, die Bilder für verschiedene Werbezwecke, Kataloge, Messestände oder deren Social-media-kanäle benötigen. Dazu kommen Magazine aus diesem Bereich und teilweise sind es Veranstalter von Sport-events, die Bilder für ihre Veranstaltungsserien in Auftrag geben.
Können Sie einen typischen Fototag beschreiben?
Typischerweise startet der Tag früh, um das besondere Morgenlicht nutzen zu können oder um entfernte Locations erreichen zu können und endet entsprechend spät. Um Kletterfotos zu erstellen, gilt es zunächst, fotogene Routen zu identifizieren und den besten Standpunkt. Meistens ist es dafür nötig, auf Höhe des Athleten oder höher zu sein, wozu ich entweder selbst zu den entsprechenden Punkten klettere oder der Athlet steigt vor, befestigt das Seil am höchsten Punkt und ermöglicht es mir so, am Seil mittels spezieller Seiltechniken bis zur gewünschten Höhe aufzusteigen. Oftmals frei hängend ziehe ich dann die Kameraausrüstung nach, um von dort den Kletterer beim Durchsteigen der ausgewählten Route zu fotografieren.
Das klingt nicht ungefährlich.
Beim Klettern oder anderen Sportarten im absturzgefährdeten Gelände ist es unerlässlich, dass man sich der Gefahren bewusst ist und entsprechend vorsichtig handelt. Routine und die daraus resultierende Illusion von Sicherheit kann
Oftmals frei hängend ziehe ich dann die Kameraausrüstung nach, um von dort den Kletterer beim Durchsteigen der ausgewählten Route zu fotografieren.
Nils Ohlendorf
schnell zu einer Gefahrenquelle werden – wie auch der zusätzliche Zeitdruck, der bei Fotoproduktionen entsteht. Entscheidend ist es darum, sich stets die nötige Zeit zu nehmen, alle lebenswichtigen Handgriffe mit Ruhe und überlegt auszuführen. Die Sicherheit des Teams steht immer vor allen eigenen oder fremden Erwartungen an perfekte Aufnahmen. Bei potenziell gefährlichen Sportarten kommen als Models natürlich auch nur Athleten der jeweiligen Disziplinen zum Einsatz, die die entsprechenden Sicherheitstechniken selber beherrschen.
Wie sind Sie beim Klettern gesichert?
Beim Klettern ist man grundsätzlich mit Seil und Klettergurt gesichert, wobei ich mich entweder selbst sichere, während ich im Seil hänge und fotografiere, oder ein Partner sichert mich. Die dafür verwendeten Fixpunkte sind langfristig verbleibende Haken, die mit Schwerlastankern per Akkubohrhammer montiert werden oder mobile Klemmgeräte, die wieder spurlos entfernt werden können. Der Umgang mit diesen Klemmgeräten erfordert einiges mehr an Erfahrung, ermöglicht aber das Erschließen neuer Felsen, ohne Spuren zu hinterlassen.
Lassen Sie uns auf Ihr Fotoequipment eingehen. Was muss Ihre Kamera besitzen, damit sie für Ihre Aufnahmen infrage kommt?
Normalerweise ist die Nikon D850 meine Hauptkamera mit je nach Situation mehr oder weniger Objektiven. Gerade bei Einsätzen im Gebirge muss ich mich da natürlich beschränken. Eine lichtstarke Festbrennweite habe ich aber trotzdem immer gerne dabei. Ansonsten ist mir ein schneller Autofokus wichtig, gerade, wenn ich Rad- oder Skifahrer fotografiere. Die Megapixel der D850 ermöglichen es mir auch, noch ein wenig den Bildausschnitt zu beschneiden,
falls frei hängend am Seil oder unter anderen ungünstigen Umständen der Ausschnitt mal nicht auf Anhieb perfekt gesessen hat. Meine Bilder entstehen meist in sehr dynamischen Kontexten, sodass ein Stativ selten zum Einsatz kommt und die Bildkomposition eher schnell und intuitiv erfolgt. Zusätzlich arbeite ich auch mit einer Drohne, sowohl beim Fotografieren als auch beim Filmen. Gerade in den Bergen schätze ich die zusätzlichen perspektivischen Möglichkeiten, die Drohnen ermöglichen.
Ist Ihre Ausrüstung wettergeschützt?
Eine gut versiegelte Ausrüstung ist für mich natürlich wichtig, da Regen, Nebel, Schnee, Sand und Staub dem Equipment schon ganz schön zusetzen können. Manchmal gibt es da Ausnahmen, wenn mir zum Beispiel die besondere Abbildungsleistung eines bestimmten Objektivs wichtiger ist als dessen Wasserfestigkeit. Grundsätzlich kommt auch die beste Versiegelung bei Regen oder Schnee schnell an ihre Grenzen, weswegen es immer extrem wichtig ist, auch unter schwierigen Verhältnissen abends die ganze Ausrüstung zu trocknen. Denn nichts ist ärgerlicher als Beschlag zwischen den Linsen, wenn ich gerade fotografieren möchte.
Haben Sie eigentlich eine Lieblingsjahreszeit?
Ich bin unheimlich froh, in einer Klimazone mit so unterschiedlichen Jahreszeiten zu wohnen. Die Jahreszeiten erlauben neben den verschiedenen Stimmungen natürlich vor allem die Ausübung diverser Sportarten. Deswegen – nein, eine Lieblingsjahreszeit habe ich nicht.
Was sind die schönsten Momente, die Sie beim Fotografieren empfinden?
Das ist wohl der Moment, wenn ich während eines aufregenden Tages draußen auf einmal wahrnehme, wie das Licht etwas Magisches, Ungewöhnliches annimmt und es mir in diesen flüchtigen Augenblicken gelingt, die Aktionen und Emotionen meiner Begleiter in dieser besonderen Stimmung einzufangen. Wenn ich dann beim kurzen Blick auf das Display oder später am Bildschirm merke, dass dies gelungen ist, macht mich das schon sehr glücklich.
Meine Bilder entstehen meist in sehr dynamischen Kontexten, sodass ein Stativ selten zum Einsatz kommt.
Nils Ohlendorf