DIE KRAFT DER RUHE
Fotograf Sven Herdt nimmt sich Zeit, wenn er in der Welt unterwegs ist und nach besonderen Bildern sucht – ob in Italien, auf Island oder am Neusiedler See.
Wer Landschaften fotografiert, sollte das große Ganze auf sich wirken lassen, und nicht auf das schnelle Motivglück hoffen. Der Weg als Ziel sozusagen. Fotograf Sven Herdt nimmt sich Zeit, wenn er in der Welt unterwegs ist und nach besonderen Bildern sucht – ob in Italien, auf Island oder am Neusiedler See.
An dieser Stelle präsentieren wir Ihnen in jeder Digitalphoto-ausgabe Fotograf*innen, deren Bilder uns überzeugen – und wir fragen nach, wie und wo die Aufnahmen entstanden sind. Diesmal stand uns Sven Herdt Rede und Antwort. Der bayerische Landschafts- und Naturfotograf blickt auf ein besonderes Jahr 2020 zurück – und geht hoffnungsvoll in die nächsten Monate, in denen er wieder Workshops rund um den Globus anbieten möchte.
photo : Als Landschaftsfotograf treffen Sie die Corona-einschränken eventuell weniger stark oder stimmt das gar nicht?
Sven Herdt: Das wäre schön, wenn mich die Einschränkungen weniger stark treffen würden, doch das Gegenteil ist der Fall. Nur einen Vorteil gibt es: Ich kann mir viel Zeit für unser Interview nehmen.
Wie verliefen die letzten Monate?
Bis Mitte März 2020 lief alles prima. Ich war gerade in Island unterwegs, wir fühlten uns frei und konnten gar nicht so wirklich realisieren, was man aus Deutschland hörte. Nach der Ankunft am Flughafen in Deutschland änderte sich so einiges. Die Reisebranche und Künstler sind ja bis heute sehr betroffen von der Pandemie. Ich stecke irgendwo dazwischen. Meine Haupteinnahmequelle sind normalerweise Fotoreisen, auf denen ich Menschen zu den schönsten Plätzen im besten Licht bringe und dabei etwas über die Fotografie lehre. Hierfür bin ich normalerweise ein Drittel des Jahres im Ausland unterwegs. Vergangenes Jahr fielen die meisten Touren aus.
Wie gehen Sie mit der Situation um?
Ich lebe gerade von einem zum nächsten Monat. Während des letzten Jahres fand ich natürlich viel Zeit für meine Bildbearbeitung, Webseite, E-books oder andere Projekte. Gerade arbeite ich an einen Videokurs für Lightroom. Ohne die Pandemie wären viele meiner Bilder wohl noch länger unbearbeitet geblieben – aber auch damit lässt sich heute kaum noch Geld verdienen. Dennoch versuche ich, immer optimistisch zu bleiben, und genieße viele schöne Touren in der Natur. Ich habe das Glück, im Chiemgau zu leben, mit tollen Motiven in direkter Nähe. Außerdem habe ich viel Zeit in den Alpen verbracht und einen digitalen Reiseführer für Fotografen erstellt.
Seit wann fotografieren Sie Landschaften?
2005 habe ich meine Lehre zum Fotografen abgeschlossen. Danach war ich zehn Jahre lang weltweit sehr viel auf Reisen unterwegs, erstellte zum Beispiel eine
Landschaften zu fotografieren, sollte keine hektische angelegenheit sein–zumindestnichtin meinenaugen.
Sven Herdt
Multivisionsshow über Südamerika oder arbeitete als Unterwasserkameramann in Thailand. Auf den ersten Reisen fotografierte ich auch noch viele Menschen und deren Kultur. Doch im Laufe der Zeit versuchte ich, immer mehr die Natur abzulichten – ein Prozess, der nicht von heute auf morgen passierte. Ich würde mich aber nicht als reinen Landschaftsfotografen verstehen, da ich auch gerne Wildlife- oder hin und wieder Makrofotografie betreibe.
Wie sieht Ihr Equipment auf Fototouren aus?
Ich mache mir natürlich im Voraus Gedanken, was mich bei der Tour erwartet und packe dann entsprechend. Allgemein trage ich lieber zu viel als zu wenig. Ein Stativ sowie meine Filter sind eigentlich immer mit dabei. Ebenso natürlich meine DSLR. Bei den Objektiven packe ich nur ein, was ich auf der jeweiligen Tour benötige. Meine extrem lichtstarke, aber dafür schwere Festbrennweite nehme ich nur mit, wenn Nachtfotografie auf dem Plan steht.
Welche Kamera nutzen Sie?
Die Canon EOS 5D Mark IV und damit bin ich auch noch immer zufrieden. Sie ist robust und ein bisschen Feuchtigkeit macht ihr nichts aus. Mit den etwa 30 Megapixeln kann ich große Drucke erstellen und der Autofokus reicht ebenfalls aus, um Tiere
in Bewegung festzuhalten. Ich denke, sie ist ein schöner Allrounder für die Naturfotografie, ähnlich wie die D850 von Nikon. Ebenfalls kann man damit im Vergleich zum Vorgängermodell der 5D Mark III die Tiefen stärker hervorheben. Würde ich ausschließlich Landschaften fotografieren, hätte ich mich wohl für eine GFX von Fujifilm entschieden. Dies wäre natürlich ein Traum, was Details anbelangt. Doch mit dieser Kamera wäre ich zu eingeschränkt, was Tierfotografie und andere Sparten betrifft. Mein großes Objekt der Begierde ist im Moment die EOS R5 von Canon. Diese hätte noch ein paar wirklich schöne Neuerungen, wie die Augenerkennung von Tieren und noch mehr Megapixel – wobei ich diese hohe Auflösung nur sehr selten benötige. Aber der Umstieg zur R5 muss wohl im Moment noch etwas warten. Grundsätzlich sind mir für meine Arbeit die Objektive meist wichtiger als die Kamera. Ebenso ist ein gutes Stativ bei der Landschaftsfotografie nicht zu unterschätzen!
Was ist sonst für Sie noch unverzichtbar?
Das Smartphone ist inzwischen ein wirkliches Hilfsmittel für mich geworden. Es beginnt bereits bei der Planung. Mit Google Maps erstelle ich mir für bestimmte Gebiete vorab digitale Landkarten und kann diese im Anschluss am Smartphone abrufen. Wenn ich vor der Reise somit etwas Zeit investiere, habe ich immer meinen individuellen Reiseführer dabei. Auch die App Photopills ist praktisch: Sonnenstände können vorausgeplant werden – auch wird angezeigt, wann und wo die Milchstraße steht. Ich kann den Verlängerungsfaktor des Graufilters bestimmen und einiges mehr. Nicht zuletzt für die Wettervorhersage ist das Smartphone praktisch.
Ihre Bilder strahlen Ruhe aus: Ist es die Ruhe, die Sie auf Ihren Reisen suchen?
Landschaften zu fotografieren, sollte keine hektische Angelegenheit sein – zumindest nicht in meinen Augen. Man sollte
immer genügend Zeit mit sich bringen, um die Atmosphäre eines Ortes auf sich wirken zu lassen und die Landschaft mit allen Sinnen wahrzunehmen. Ich muss bei der Landschaftsfotografie auch nicht viele Bilder machen, um zufrieden zu sein. Wenige gute reichen mir völlig aus. Ich genieße die Natur, bis das Licht so ist, wie ich es mir wünsche. Durch das Arbeiten mit Stativ und Filter lässt man sich noch mehr Zeit und kommt richtig zur Ruhe.
Was muss eine Gegend bieten, um für Sie fotografisch infrage zu kommen?
Man kann fast überall etwas entdecken, wenn man nur mit offenen Augen durch die Welt geht und sich mit der vorhandenen Natur, deren Pflanzen und Tiere beschäftigt. Licht und Wetter kann viele Plätze in ein zauberhaftes Motiv verwandeln. Man muss häufig nicht so weit reisen, um gute Motive zu finden. Ich persönlich bin froh, hier im Alpenvorland leben zu dürfen.
Bieten Sie auch eigene Fototouren an?
Ja. Ich biete Touren zur Landschafts- und Tierfotografie an. Die meisten dauern etwa eine Woche und finden vorwiegend in Europa statt. Mir ist es wichtig, dass wir in kleinen Gruppen reisen. So bekommt man nicht das Gefühl einer Gruppenreise, man ist flexibel und ich kann auf jeden Teilnehmer individuell eingehen.
Wie laufen die Touren ab?
Wir haben lichtoptimierte Tagesabläufe. Das bedeutet, dass wir auch schon mal vor dem Sonnenaufgang unterwegs sind und dafür lieber mittags entspannen. Bei den meisten meiner Touren lernen Teilnehmer die jeweilige Gegend richtig gut kennen und haben am Ende einen umfassenden Eindruck davon. Ebenfalls biete ich je nach Tour Bildbesprechungen und Bildbearbeitung an. Doch das gestaltet sich meist flexibel je nach Wetter und Motivation der Teilnehmer. Wenn man eine Tour bucht, ist in der Regel alles außer dem Essen inbegriffen. Das bedeutet, man muss sich um keine Unterkunft kümmern oder sich Gedanken um Dinge wie den Transport machen.
Welche Ziele stehen für dieses Jahr an?
Geplant ist viel, von Island über Slowenien, Italien bis nach Costa Rica. Aber auch zum Neusiedler See oder nach Berchtesgaden soll es Reise geben. Für einige Ziele gibt es noch Plätze auf den Wartelisten. Das komplette Programm mit allen Daten und Informationen findet sich auf meiner Website: www.svenherdt.com/workshops.
Sie waren schon in vielen Ländern. Welches hat den bleibendsten Eindruck hinterlassen?
Island ist meine große Liebe. Ich schätze es nicht nur als Fotoziel. Wenn die Sonne während der Mitternachtssonne über Stunden am Horizont steht, ist das wirklich ein fotografischer Traum. Aber auch der Winter ist mindestens genauso reizvoll. Die ruhige Atmosphäre des Nordens ist einmalig. Das Flugzeug landet und man fühlt sich vom ersten Augenblick an wohl. Die raue Landschaft, beeindruckende Wasserfälle, unterschiedliche Küstenformationen, enorme Gletscher, das magische Hochland im Landesinneren – es gibt so vieles zu entdecken. Vor allem ist es das Licht des Nordens, das mich immer wieder ergreift. Island muss man einfach erlebt haben.
Wenn die sonne während der mitternachtssonne über Stunden am horizont steht, ist dasein fotografischer traum.
Sven Herdt