Aktfotografie: High Key & Low Key
Im Fotostudio haben Sie die Kontrolle über den wichtigsten Faktor der Aktfotografie: das Licht. Profi Martin Zurmühle erklärt Ihnen, wie er mit einfacher Technik Low-key- und High-key-fotos erstellt.
Profi Martin Zurmühle gibt tolle Tipps
Das Low-key-licht ist die klassische Lichtsituation in der Aktfotografie, die jeder anspruchsvolle Aktfotograf beherrschen sollte. Vor allem Lowkey-aktaufnahmen in Schwarzweiß sehen sehr kunstvoll aus und gefallen praktisch jedem Model und jedem Betrachter. Solche Aufnahmen sind oft auch Türöffner, wenn es darum geht, neue Models zu finden oder mit einem neuen Model ein erstes Aktshooting zu machen. Ich zeige Ihnen in diesem ersten Praxisshooting, wie ich in meinem Fotostudio mit einfachen Mitteln kunstvolle Low-key-aktaufnahmen realisiere.
Das gut eingerichtete Fotostudio ist der ideale Ort für ein erstes Aktshooting. Es bietet viele verschiedene Licht- und Bildmöglichkeiten. Gerade wegen dieser großen Vielfalt ist es sinnvoll, eine einfache, aber sehr flexible Grundeinstellung zu haben, die schnell eingerichtet werden kann und deren Lichtwirkung bekannt ist.
Model & Licht
Klassische Aktfotos mit einer bewährten Low-key-lichtsituation kann ich mit allen Models machen. Durch die Licht- und Schattenwirkung haben ich viele Möglichkeiten, die Schönheit des Models durch das Licht zu betonen und weniger attraktive Körperbereiche im Schatten verschwinden zu lassen. So erhalte ich die ideale Startbasis für ein Aktshooting. Zudem lerne ich bei diesem Licht die Körperformen meines Models kennen und erhalte gleichzeitig die ersten guten Aktbilder.
Meine Standardlichtsituation ist sehr einfach aufgebaut: Ich verwende einen schwarzen Hintergrundkarton und insgesamt vier seitliche Reflektoren-/lichtschlucker-stellwände, je zwei auf beiden Seiten des Hintergrundkartons. Die Stellwände habe ich aus großen, weißen Styroporplatten gebaut, die ich auf einer Seite geschwärzt habe. Diese Styroporplatten habe ich anschließend in Aluminium-uProfile gestellt, an die ich jeweils zwei kurze Querhölzer als Füße geschraubt habe. So sind die Wände leicht und mobil. Zwischen jeweils zwei Stellwänden stelle ich ein Studioblitzgerät mit einem Striplight-vorsatz.
Durch die Breite des Lichtschlitzes kann ich die Lichtwirkung regulieren. Schmale Schlitze erzeugen härtere Übergänge von Licht und Schatten, breitere Schlitze weichere. Fertig ist der Lichtaufbau.
Einseitiges Streiflicht
Wird nur ein Blitzlicht eingeschaltet, so entsteht ein stark gerichtetes, sehr kontrastreiches Streiflicht. Die dem Licht zugewandte Seite wird hell beschienen und so betont, die andere Seite (der Schatten) versinkt in tiefem Schwarz. Entsprechend orientieren sich die Pose des Models und die Bildgestaltung zu dieser helleren Seite hin.
Die schwärzesten Schatten erzeuge ich, wenn ich die schwarze Stellwandseite (Lichtschlucker) nahe an die abgeschattete Seite des Models stelle. Mit der weißen Seite (Reflektor) hellen Sie die Schatten auf. Je näher ich den Reflektor zum Model stelle, desto stärker wird diese Aufhellwirkung sichtbar. So kann ich die Stärke der Schatten mit der Oberfläche und dem Abstand der Stellwände genau regulieren.
Beim Posing ist es wichtig, dass das Model auf die einseitige Lichtführung Rücksicht nimmt. Vor allem die Kopfhaltung wird dadurch stark beeinflusst. Ein dem Licht abgewendeter Kopf wird vollständig schwarz wiedergegeben (was in den meisten Fällen unschön wirkt). Durch die harte Licht- und Schattenwirkung leben diese Bilder in erster Linie von den For
Entscheidend für die Bildwirkung sind die richtige Position des Models zum Licht und natürlich die Schönheit der Muskulatur und der Körperformen. Martin Zurmühle, Aktfotograf
men und dem Ausdruck des Models. Ein engerer Bildschnitt (oberhalb der Knie) führt dabei zu einer stärkeren Konzentration und einer zusätzlichen Betonung der Formen. Dieser Bildschnitt bewährt sich bei vielen Aktaufnahmen, zudem brauche ich mich dann auch nicht speziell um die Position der Füße zu kümmern.
Entscheidend für die Bildwirkung ist vor allem die Position des Körpers zur Lichtquelle. Steht das Model frontal Richtung Kamera, so modelliert das starke Streiflicht die Körperformen und insbesondere Bauch, Po und Busen des Models formbetont heraus. Dreht sich das Model in Richtung Lichtquelle, so verschwindet diese Dreidimensionalität, und die Brust und der Bauch werden flach und wenig attraktiv ausgeleuchtet. Dann wird es schwierig, trotzdem noch ein formschönes Bild zu machen. Deshalb beobachte ich während des Shootings die Lichtwirkung auf dem Körper des Models sehr genau.
Bei einem noch unerfahrenen Model gebe ich klare Anleitungen, welche Pose es einnehmen soll. Sonst werde ich nicht meine gewünschten Bildresultate erhalten.
Ein erfahrenes Model kennt diese Problematik und richtet seine Posen schon gezielt auf das vorhandene Licht aus. Dann lasse ich das Model frei posen, und konzentriere mich ganz auf das Fotografieren und auf den besten Bildausschnitt. Ich mache viele Aufnahmen zu verschiedenen Posen. Die am besten wirkenden suche ich später am PC in Ruhe aus.
Zangenlicht
Bei einem einseitigen Licht sind die Ausrichtung des Models zur Lichtquelle und die Pose durch die Lichtrichtung vorbestimmt. Wenn ich aber beide Studioblitze einschalte, erhalte ich ein klassisches Zangenlicht. Da das Licht von beiden Seiten kommt, ist das Model beim Posieren nun viel freier. Mit den Stärkereglern bestimme ich die Lichtbalance. Sind die Abstände zwischen den Studioblitzgeräten und dem Model gleich groß, so werden beide Seiten gleich hell gezeigt, wenn die beiden Blitzgeräte mit identischen Einstellungen blitzen. Reduziere ich die Leistung eines Blitzlichtes, so entsteht eine meist interessanter wirkende Lichtsituation mit unterschiedlichen Helligkeitswerten.
Wie schon beim Arbeiten mit einem seitlichen Striplight kann ich auch beim Zangenlicht die Wirkung der Schatten noch zusätzlich durch den Einsatz von Reflektoren und Lichtschluckern feinsteuern. Wie beim einseitigen Licht beeinflusst auch die Lage des Models zu den Lichtquellen die Licht- und Schattenwirkung. Steht das Model genau zwischen den Blitzlichtern, so werden beide Körperseiten beschienen, aber ein schmaler Streifen in der Körpermitte bleibt im Dunkeln.
Geht das Model einen Schritt zurück, wird die Körpermitte stärker angeleuchtet. Geht das Model einen Schritt Richtung Kamera, bleibt ein größerer Bereich des Körpers im Dunkeln. Beim Zangenlicht ist das Model frei, auf welche Seite hin es sich orientieren möchte. Das Gesicht wird praktisch immer gut ausgeleuchtet. Einzig bei einem direkten Blick in die Kamera wirken die dunklen Schatten oft unattraktiv. Da bei klassischen Aktaufnahmen der Blick des Models eher selten direkt in die Kamera geht, stört dieser Umstand wenig. Wenn ich beim Zangenlicht beide Studioblitzgeräte gleich stark einstelle, entsteht eine symmetrische Lichtsituation. Diese wirkt aber meist langweilig. Besser sehen die Bilder aus, wenn ich bei einem Blitzlicht die Leistung um ein bis zwei Blendenstufen reduziere. So entsteht eine spannungsvollere Lichtverteilung.
Mit dieser einfach aufzubauenden Standardlichtsituation kann ich mit dem Ein- und Ausschalten der Blitzgeräte, dem Einsatz von Reflektoren und Lichtschluckern, der Schlitzbreite zwischen den Stellwänden, den Lichtstärken der Blitzgeräte sowie der Position des Models zu den Blitzgeräten viele verschiedene Lichtsituationen einstellen. Auf diese Weise kann ich mit Licht und Schatten sowie der Pose des Models meine Bilder gestalten.
High Key: Fotos mit viel Licht
Während bei Low-key-bildern die dunklen Töne vorherrschen, zeigen High-keyaufnahmen die Welt in den hellen Tönen. Die Bilder wirken dadurch viel leichter und luftiger, können aber auch dunkle Bereiche besitzen. Die High-key-fotografie ist technisch und gestalterisch anspruchsvoller
als die Low-key-fotografie. Sie brauchen mehr Licht sowie eine sorgfältige Lichtsteuerung und Belichtungsmessung. Können Sie bei Low-key-fotos unattraktive Bereiche im Schatten verschwinden lassen, so ist das bei High-key-fotos schwieriger.
High Key ohne Überstrahlung
Bei High-key-aufnahmen ohne Überstrahlung verwende ich in meinem Fotostudio einen weißen Hintergrundkarton und belege diesen zusätzlich mit einem Moskitonetz. Solche weißen Netze sind günstig zu kaufen, und ich kann sie bei Bedarf zuschneiden. Mit zwei Studioblitzgeräten blitze ich die weißen Außenwände meines Studios an und erzeuge so eine höhere Grundhelligkeit. Mit einer großen Softbox leuchte ich dann das Model von oben herab weich und gleichmäßig aus. Ideal für solche Aufnahmen sind Models, die eine helle Haut und helle Haare haben. Dann liegen die Tonwerte im ganzen Bild bei den Lichtern und eine luftige und leichte Bildstimmung entsteht. Wichtig dabei ist auch, dass das Model eine formschöne Pose einnimmt und einen zum Bild passenden Gesichtsausdruck zeigt. Vor allem die Haare kommen bei diesem Licht sehr gut zur Geltung, wenn sie um den Kopf herum wie ein Kranz ausgebreitet werden.
High Key mit Überstrahlung
Bei Modeaufnahmen für Zeitschriften muss das Model häufig freigestellt werden. Das geht am einfachsten, wenn die Aufnahme vor einer weißen Rückwand gemacht wird. Wenn die Rückwand mindestens zwei Blendenstufen mehr Licht bekommt als das Model, wird diese vollständig reinweiß abgebildet. Das Model lässt sich einfach in der Bildbearbeitung freistellen. Dieses
Licht verwende ich auch in meiner Highkey-aktfotografie, vor allem, wenn ich mit geeigneten Models fotografiere. Solche Aufnahmen sind schwieriger zu realisieren als Low-key-aufnahmen. Ein Problem ist die gleichmäßige Ausleuchtung des Hintergrunds. Dieser sollte gerade so hell sein, dass alles reinweiß gezeigt wird, aber doch nicht zu hell, damit die Bildqualität nicht durch das von der weißen Rückwand in die Kamera zurückgestrahlte Licht beeinträchtigt wird. Da ein Filter vor dem Objektiv bei Gegenlichtaufnahmen Schleierbildungen verursachen kann, entferne ich diese bei High-key-aufnahmen.
Es gibt ein weiteres Problem: Die starke Rückstrahlung der Rückwand führt oft zu Überstrahlungen an den Körperkanten und in den Haaren. Mit Lichtschluckern auf beiden Seiten verhindere ich solche Überstrahleffekte. Mit diesen Lichtschluckern trenne ich auch die Beleuchtung des Models von der des Hintergrunds. So kann ich beide Bereiche separat regulieren. ■
Ich messe zuerst das Licht vor dem Hintergrund, und stelle dann das Blitzlicht so ein, dass die Belichtung vor dem Model ungefähr zwei Blenden darunter zu liegen kommt.
Martin Zurmühle, Aktfotograf