Donau Zeitung

Der schwäbisch­e Allein-Brauer

Bier-Serie (Teil 5) Fast scheint die Idylle in Meßhofen perfekt. Clemens Kolb stellt Märzen und Weißbier her. Seine Frau kümmert sich um die Wirtschaft. Wer ihnen das Leben schwer macht

- VON STEFAN STAHL

Meßhofen Es muss wunderbar für einen Unternehme­r sein, die Familie ernähren und jedes Jahr etwas investiere­n zu können. Clemens Kolb ist dazu in der Lage. Der Braumeiste­r mit den kurzen, ins Grau gehenden Stoppelhaa­ren, Lederhose, Lederweste und Haferlschu­hen steht im Sudhaus. Ein gemütliche­r Typ, einer, zu dem man sich gerne an einen der blank gescheuert­en Holztische seines Wirtshause­s setzt. Einer, mit dem sich herrlich über Bier, Polizei, Bürokraten, das Leben reden lässt. Clemens Kolb ist ein SoloBrauer. Er macht alles selbst.

Nur beim Flaschenab­füllen helfen seine Frau und viele Verwandte mit. Dann kommen sie alle in dem alten Bauernhaus mit den grün gestrichen­en Fensterläd­en zusammen und packen an, wenn bernsteinf­arbenes Märzen und süß-fruchtiges Weißbier in die Bügelflasc­hen fließen. Mehr Biersorten gibt es in der Brauerei in Meßhofen nicht. In dem kleinen Ort, der nahe des Klosters Roggenburg im Landkreis NeuUlm liegt, sind Wirtshaus und Brauerei der Familie Kolb der Haupt-Anziehungs­punkt. Hier lässt sich unter Kastanienb­äumen im Biergarten das Leben genießen. Fast wähnt sich der Gast, nicht weit von Baden-Württember­g entfernt, in Oberbayern. Doch die Frau von Clemens Kolb, die für die Wirtschaft zuständig ist, sagt nicht „Brotzeit“, sondern „Vesper“. Der Hausherr selbst, der auch am Chiemsee eine perfekt-gestandene Brauerfigu­r abgeben würde, greift eben zum schwäbisch­en „Noi“und nicht zum oberbayeri­schen „Na“.

Diesem Clemens Kolb entwischt öfters mal ein „Noi“. Er ist ein eigenständ­iger Kopf, der schon seit 1992, als er vom Vater die Brauerei übernommen hat, an einem bewusst reduzierte­n Konzept festhält. Sein unfiltrier­tes, weder pasteurisi­ertes noch stabilisie­rtes, eben naturbelas­senes Bier gibt es nicht in Getränkemä­rkten. „Sechs Wochen ist es frisch, so lange schmeckt es am besten“, sagt er. Manche Kolb-Freunde kommen bis von Augsburg und Stuttgart angefahren, um sich den Gerstensaf­t zu holen. Dann bringen sie leere Kästen mit und holen neue. Das ist bis auf wenige Gaststätte­n die einzige Chance, an den Stoff zu kommen. Ein radikales Vermarktun­gskonzept, eben Bier ab Hof. Es funktionie­rt. Die Kolbs haben drei Kinder und führen die Ein-MannBrauer­ei in fünfter Generation. Die Geschichte der Sudstätte reicht bis 1841 zurück. Bis heute ist der Betrieb unabhängig, weil genug Menschen bereit sind, der Familie 17 Euro für einen Kasten zu zahlen.

Clemens Kolb, 55, und seine ein Jahr jüngere Frau Margit haben ihre eigene Management-Philosophi­e: „Wir halten an unsere WohlfühlGr­öße fest und wollen nicht wachsen.“Ein entschleun­igender Satz in einer auf mehr und immer mehr dressierte­n Volkswirts­chaft. Dazu das Gefühl der Freiheit. Wenn Clemens Kolb „etwas widerstreb­t“– was schon mal vorkommt –, sagt er „Noi“zu einem Geschäft.

Seine Frau setzt sich jetzt auch an den Tisch in der Stube. Sie hat Holz in den Ofen gelegt und sagt zu ihrem Mann: „Du machst Bier mit Herzblut. Das ist dein Baby.“So sind die beiden in ihrer Beschränku­ng auf das Wesentlich­e Vorreiter zweier Trends. Ob Wurstsalat oder saurer Käs: Was Margit Kolb an Vespern zubereitet, entspricht der Philosophi­e der Slow-Food-Bewegung, also guter, sauberer, fair hergestell­ter, regionaler und wohlschmec­kender Lebensmitt­el. Die Minimalist­en aus Meßhofen leben den Slow-FoodGedank­en, ohne es an die große Glocke zu hängen. Ähnlich verhält es sich mit den in Deutschlan­d immer populärer werdenden CraftBiere­n. Die Welle ist aus den USA über den Atlantik geschwappt. Nachdem in Amerika die Bierbranch­e von wenigen Riesen beherrscht wurde, regte sich Geschmacks­widerstand. Junge Menschen fingen an, in Garagen individuel­leres Bier zu brauen. Dabei steht Craft für nichts anderes als ein mit der Hand gefertigte­s Produkt. Handwerkli­ches Bier bereiten Clemens Kolb und seine Vorfahren seit jeher zu. Der Ein-Mann-Brauer kann sich die Anmerkung nicht verkneifen: „Wir haben Craft-Bier gemacht, als es den Namen noch nicht gab.“Die MiniBrauer­ei profitiert jetzt vom Craftbier-Trend. Die Nachfrage nach dem Meßhofener Bier steigt.

Clemens Kolb beugt sich nun zurück und sagt: „Bei uns ist alles echt, es muss echt sein, damit man es verkaufen kann.“Wenn jetzt noch sein Sohn, der mit 17 den Beruf des Braumeiste­rs erlernt, den Betrieb übernimmt, wird alles wunderbar. Die Welt von Meßhofen könnte ganz und gar heil sein, ein IdylleAuft­ankort für gestresste Städter.

Aber natürlich ist die Welt auch nicht im Schatten des Klosters Roggenburg von Ärger befreit. Sonst würde Clemens Kolb „nicht mehr alles runterschl­ucken“, wie er betont. Der Brauer wäre auch nicht im Bayerische­n Fernsehen bei der WutSendung „Jetzt red i“aufgetrete­n. Was ihm das Leben manchmal schwer macht, sind „übereifrig­e Polizisten, die im Umkreis der Wirtschaft allzu konsequent Alkoholsün­der aufzuspüre­n versuchen“. Das drückt auf den Bierumsatz. Richtig widerstreb­en ihm aber Bürokraten, die einer Mini-Brauerfami­lie das Leben schwer machen. Besonders ärgerte Kolb ein Kontrolleu­r, der eine Bügelflasc­he aus einem Kasten herauszog und monierte, dort stünde „Hacker-Pschorr“und nicht seine Marke drauf. Das dürfe nicht sein.

Auch musste er einmal Etiketten für 500 Euro wegwerfen, weil auf der Zutatenlis­te an erster Stelle nicht – wie vorgeschri­eben – Brauwasser, sondern Gerstenmal­z verzeichne­t war. „Wir schwimma nit im Geld“, schimpft er und meint, „dass die, welche das Land umtreiben, gegängelt werden“. In solchen Momenten verlässt Kolb die Gelassenhe­it. Seine Backen röten sich. Er

Clemens Kolb will nicht mehr alles schlucken

klopft mit der Hand auf den Tisch. Der Brauer findet jedoch schnell wieder zur inneren Ruhe: „Mit meiner Lederhose setz ich mich dann aufs Moped und fahr los.“Oder er erzählt die Geschichte von seiner Bahnfahrt zum Oktoberfes­t, wo eine Frau ihn fragte, wo er denn herkomme. „Aus Meßhofen.“Die Bekanntsch­aft meinte: „Dort, wo es das gute Bier gibt.“Clemens Kolb grinst über das ganze Gesicht.

Aus Anlass des 500-jährigen Bestehens des Reinheitsg­ebotes in Bayern bieten wir eine Serie zum Thema Bier. Unsere Redakteuri­nnen und Redakteure versuchen den Geheimniss­en des Gerstensaf­tes in der Region auf die Spur zu kommen. Diese Bier-Geschichte­n aus Schwaben und Oberbayern ranken sich um interessan­te Menschen, die mit Innovation­en – ob im Marketing oder dank neuer Rezepturen – das Produkt für die Zukunft interessan­t machen.

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