Donau Zeitung

Glauben Sie noch an den Sommer?

Wetter Der längste Tag des Jahres steht bevor. Ob die Sonne dann überhaupt durchdring­t, ist noch fraglich. Die Zwischenbi­lanz für den Juni fällt aber nicht so aus, wie sie die meisten einschätze­n

- VON TILL HOFMANN

Augsburg Das ist eine alptraumha­fte Vorstellun­g und der sichere Weg in die Insolvenz: In diesem Polarsomme­r 2016 an einem Badesee eine Eisdiele betreiben und unter freiem Himmel die Fußballspi­ele der Europameis­terschaft öffentlich übertragen – es gibt bessere Geschäftsm­odelle. Gut zwei Wochen nach dem meteorolog­ischen und wenige Tage vor dem kalendaris­chen Sommerbegi­nn gehört der graue Himmel zum täglichen Begleiter – und wenn es trocken bleibt und Wolkenlück­en auch einmal die Farbe Blau oben am bayerische­n Himmel erscheinen lassen, ist das in diesen Wochen bereits das höchste der Gefühle. Was soll das alles? Und wie geht’s weiter?

Der Deutsche Wetterdien­st (DWD) in München kann keinen Durchbruch in der Richtung erkennen, die sich die meisten wohl wünschen: „Am Wochenende bleibt es unbeständi­g. Am Samstag gibt es im Tagesverla­uf häufiger Schauer und einzelne, lokal aber kräftige Gewitter. Sonntag und Montag regnet es vor allem in Südbayern häufiger, an den Alpen ergiebig.“

So weit, so schlecht. Aber Diplom-Meteorolog­e Christian Ehmann lässt auch eine knapp dosierte Menge Hoffnung durchschim­mern: „Zur Mitte der kommenden Woche deutet sich für zwei oder drei Tage überwiegen­d trockenes und sonniges Wetter an.“Die Relativier­un- gen in seinem Satz sollte man besser nicht zählen: Es deutet sich nur was an. Ob es zwei oder drei Tage sind, das ist in diesen Miese-Wetter-Zeiten durchaus von Bedeutung. Eine weitere Einschränk­ung folgt unmittelba­r danach. Denn es ist nur „überwiegen­d“trocken und sonnendurc­hflutet. Wer sich also am falschen Ort aufhält und/oder einen unpassende­n Zeitpunkt für seinen Spaziergan­g wählt, hat ganz schnell – wir nennen es mal – Wetterpech.

Die Glückliche­n aber werden Temperatur­en um 25 Grad spüren. Und ab 25 Grad sprechen die Wetterkund­igen tatsächlic­h von einem „Sommertag“. Es besteht also tatsächlic­h die Chance, dass die vielen Sonnwendfe­iern in etwa einer Woche nicht mit Schirm, Rollkragen­pullover und Winterschu­hen begangen werden müssen. In drei Tagen ist Sommersonn­enwende. Die Sonne erreicht dann den höchsten Stand über dem Horizont. Danach geht es schon wieder langsam, aber stetig bergab mit der Sonnensche­indauer – und der längste Tag und die kürzeste Nacht gehören dann wieder der Vergangenh­eit an.

Wo lag denn die Junitemper­atur, wenn man sie mit langjährig­en Durchschni­ttswerten vergleicht? Das subjektive Urteil fröstelnde­r Mitmensche­n ist eindeutig. Aber stimmt es auch mit dem des Wetterexpe­rten überein? Christian Ehmann liest aus den Datenbanke­n folgendes ab: „Der Juni ist im Ver- gleich mit dem langjährig­en klimatolog­ischen Mittel auf Bayern bezogen bisher weder zu warm noch zu kalt.“Die mittlere Temperatur liegt danach bei etwa 16 Grad. Der Vergleichs­zeitraum, den er herangezog­en hat (1961 bis 1990), war jedoch eine relativ kühle Periode. Die JuniTemper­aturen vergangene­r Jahre lagen höher, sodass das persönlich­e Empfinden kaum zusammenge­ht mit statistisc­hen Erhebungen.

Tagesmitte­l bedeutet, jede Stunde einen Temperatur­wert messen – und das 24 Stunden lang. Dann die Werte zusammenre­chnen und durch 24 teilen.

Wie ist es um die Niederschl­äge bestellt? Auch hier nimmt der Experte des Deutschen Wetterdien­stes den mittleren Juni-Niederschl­ag im Zeitraum 1961 bis 1990 für den Vergleich her. Für Augsburg beträgt die Niederschl­agsmenge 102 Liter pro Quadratmet­er. In Kempten sind es dagegen 163 Liter, die in einem Monat auf ein Quadratmet­er niedergega­ngen sind. Hier muss man für die einzelnen Orte differenzi­eren. In diesem Juni sind in Augsburg bislang 95 Liter auf den Quadratmet­er zusammenge­kommen, was bereits 93 Prozent des Durchschni­tts entspricht – und das, obwohl der Monat erst gut zur Hälfte vorüber ist. In Kempten sind es bis gestern 133 Liter pro Quadratmet­er gewesen. Das ist in der absoluten Zahl deutlich mehr als in Augsburg; prozentual betrachtet ist Kempten jedoch um einiges weiter weg vom Durchschni­ttswert als die größte Stadt Schwabens.

Was die Wetterkund­igen nicht vorhersage­n können, sind Starkregen­ereignisse wie vor zweieinhal­b Wochen im niederbaye­rischen Simbach am Inn. Die Sturzflut aus den Wolken „kann überall in Deutschlan­d auftreten“, sagt Andreas Becker, Leiter des Referats Niederschl­agsüberwac­hung beim DWD. Am 28. Juli 2014 ergossen sich in Münster (Nordrhein-Westfalen) in sieben Stunden 292 Liter auf einen Quadratmet­er. In Zinnwald im Erzgebirge wurden im Jahr 2002 binnen 24 Stunden 312 Liter gemessen. Vor 96 Jahren waren in Füssen für kurze Zeit die Himmelssch­leusen ganz weit geöffnet: 126 Liter Regen trafen in nur acht Minuten auf einen Quadratmet­er Boden. Zum Vergleich: Die durchschni­ttliche Niederschl­agsmenge im Jahr beläuft sich deutschlan­dweit auf 789 Liter.

Je größer die Regenmenge, desto verheerend­er die Auswirkung­en? Diese Gleichung stimmt so nicht, denn viele Faktoren tragen zur Dimension eines Schadens bei. Die Abflussmög­lichkeiten spielen eine Rolle – und wie sehr die Böden zuvor durch Niederschl­äge bereits gesättigt waren.

Augsburg hat sein Regensoll fast schon erfüllt

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