Donau Zeitung

Gruppenpha­se

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Wir kennen das aus der Kindheit, von Heiligaben­d. Viel Stimmung, Duftschwad­en, festlicher Glanz und ewiges Warten… Nichts gegen Vorfreude, nett, nett – aber jetzt bitte endlich die Bescherung! Und so verhält es sich auch mit der EM. Es ist ein Gesetz der Turnier-Dramaturgi­e, dass der Blick ungeduldig über die weite Ebene der Gruppenpha­se hinaus geht – hin zu den sich am Horizont abzeichnen­den K.-o.-Schlachten und zur Titelverga­be. Wer kommt ins Achtel-, wer ins Viertelfin­ale, und gegen wen? Wer steht im Endspiel, wer könnte es gewinnen? Am Ende ein Gruppendri­tter?

Doch davor, wie gesagt, steht die Gruppenpha­se. Sie ist wie Löws Kaugummi. Eine Art Knetphase, in der das Spiel breitgetre­ten wird bis zur Maximaldeh­nung. Und wenn es noch so lange dauert, bis man kapiert hat, in welcher Hammergrup­pe die Slowakei spielt und dass Island nicht auf Irland treffen kann, – die Gruppenpha­se ist garantiert noch nicht die heiße Phase. Die Gruppenpha­se ist ein bisschen wie die Kohl-Ära. Mehr Aussitzen als Alles oder Nichts. Gestreift vom Trikot der Geschichte. Dauert ewig, spült Typen wie Riesenhube­r und Kiechle nach oben, vergisst sie wieder – und irgendwann, als alle sie schon für immerwähre­nd hielten (hat Schweden eigentlich schon gegen Belgien gespielt?), ist die Gruppenpha­se dann doch vorbei.

Das Image der Gruppe ist nicht das beste. Es gibt viele Gruppenang­elegenheit­en, die abschrecke­n. Gruppendru­ck, Gruppenarb­eit, Gruppenzwa­ng, das Gruppenfot­o. Zu schweigen von der Grüppchenb­ildung. Die Gruppe ist ein Wimmelbild der Unverbindl­ichkeit. Hier kann man sich noch dulden und sich durchmogel­n – immerhin kommen bis zu drei von vier Mannschaft­en einer Gruppe weiter. Also ist die Kuschelpha­se der EM ganz nach dem Geschmack des großen Stürmers und Drängers Friedrich Schiller, der weit vor der Gründung der Gruppe 47 schrieb: „Tote Gruppen sind wir, wenn wir hassen, Götter, wenn wir liebend uns umfassen.“In diesem Sinne: Heute spielen Belgien – Irland, Island – Ungarn, Portugal – Österreich. Heiligaben­d, etwa 14 Uhr.

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