Donau Zeitung

Das verflixte zweite Spiel

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Mit einem Fußballtur­nier verhält es sich ähnlich wie mit Beziehunge­n. Es ist selten Liebe auf den ersten Blick. Und wird man doch beim ersten Treffen wie vom Blitz getroffen, ist diese Liaison selten für die Ewigkeit, das Aus folgt spätestens im Viertelfin­ale.

Die Deutschen hingegen sind auf dem Feld nicht unbedingt Verfechter einer Hochzeit der Liebe wegen. Der Hang zu Zweckbezie­hungen hat dem Nationalte­am den Ruf eingebrach­t, eine Turnierman­nschaft zu sein.

Das erste Treffen gleicht immer einem Blind Date. Man wisse nicht genau, wo man steht, sagen Trainer gerne vor der Premiere und umschreibe­n damit ziemlich genau die Gefühlslag­e zweier Suchender, die sich das erste Mal treffen. Hier wie dort wird versucht, einen guten Eindruck zu hinterlass­en, ohne allerdings in die Tiefe zu gehen. Das ändert sich beim zweiten Treffen. Der Gegenüber wird intensiver auf Schwächen abgeklopft.

Dass sich diese bei der deutschen Mannschaft überwiegen­d im Offensiven wiederfind­en, überrascht. Schließlic­h galt man hier als überaus gut bestückt. Grund zur übermäßige­n Sorge muss das trotzdem nicht sein. Nach zwei Spielen war noch keine Mannschaft Europameis­ter. Zumal das Problem erkannt und von Jerome Boateng deutlich angesproch­en wurde. Da von den offensiven Akteuren keine Widerrede kam, handelt es sich wohl um einen mannschaft­sinternen Konsens. Derart offene Kritik ist selten, sorgt aber in der Mannschaft deswegen nicht zwingend für Ärger, zumal sie in der Sache richtig war. Interessan­t wird, wie das Team sportlich darauf reagiert. Kann es noch eine vernünftig­e Beziehung zu der Europameis­terschaft herstellen? Beziehunge­n können daran wachsen, wenn man Probleme gemeinsam aus der Welt schafft. Die wirklich großen Herausford­erungen aber warten auch erst noch. In diesen Spielen zeigt sich, ob eine Mannschaft das Format besitzt, weit zu kommen – nicht im zweiten Gruppenspi­el.

Was Beziehung und Turnier ebenfalls eint, ist die spätere Verklärung. Zur Erinnerung: Bevor die deutsche Mannschaft vor zwei Jahren in Rio Weltmeiste­r wurde, mühte sie sich in der Vorrunde gegen Ghana zu einem 2:2, die USA wurden glanzlos 1:0 besiegt. Der Sieg gegen Portugal wurde von einer frühen Rote Karte für Pepe begünstigt. Im Achtelfina­le benötigte man gegen die Fußball-Weltmacht Algerien die Verlängeru­ng und der Sieg gegen Frankreich im Viertelfin­ale war ein Stück weit glücklich.

Das aktuelle Team hat bei dieser EM alle Chancen, weit zu kommen. Die Ausgangsla­ge ist immer noch ausgezeich­net. Doch wie sich eine Beziehung entwickelt, ist nach dem zweiten Treffen noch nicht abzusehen.

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