Hart, aber richtig
Die Olympischen Spiele erlebten in ihrer über 120-jährigen Geschichte einige Tiefpunkte. Im Kalten Krieg zwischen 1976 und 1984 boykottierten verschiedene Länder aus politischen Gründen das größte Sportfest der Welt. 1999 musste das IOC einige Mitglieder ausschließen, weil sie sich ihr Stimmverhalten für Gastgeber Salt Lake City (2002) honorieren ließen.
2016 könnte sich zum nächsten großen Krisenjahr entwickeln. Mit der verlängerten Sperre Russlands hat der Leichtathletik-Weltverband die richtige Konsequenz aus einer Vielzahl von Doping-Enthüllungen gezogen. Die Beweislast war so erdrückend, dass selbst zur Verharmlosung neigende Funktionäre hart durchgriffen. Damit bleibt dem IOC nichts anderes übrig, als die Sprinter und Werfer auch für die Spiele in Rio auszuschließen.
Es ist ein verheißungsvolles Zeichen für all die Sportler, die ihr Leben dem Kontrollsystem unterordneten und gleichzeitig immer wieder erfahren mussten, dass der Anti-Doping-Kampf in anderen Ländern fast nicht existent ist.
Der Beschluss von Wien ist ein Schock für diejenigen russischen Athleten, die ihr Training nicht mit pharmazeutischen Mitteln gestalteten – und er sollte im Land Putins das Signal sein, endlich den Kurs zu ändern. Doch noch gibt es kaum Anzeichen für eine Wende. Selbstkritik ist keine bevorzugte russische Disziplin, internationale Dopingkontrolleure werden weiterhin massiv in ihrer Arbeit behindert.
Die gestrige Entscheidung könnte nur der Anfang sein. Es steht der Vorwurf im Raum, dass die Gastgeber 2014 in Sotschi systematisch betrogen haben. Das IOC steht vor einem Dilemma: Ein Rio-Bann für das gesamte russische Team wäre eine Offensive im Kampf um die Sauberkeit im Sport, passt aber so gar nicht zum geliebten HeileWelt-Marketing des IOC.