Sie sind Engel für die Armen
Nächstenliebe Die Schwestern Bernadette und Gratias haben in Nordalbanien eine Missionsstation aufgebaut. Dafür nahmen sie sogar den Bruch mit den Dillinger Franziskanerinnen in Kauf. Jetzt bekommen sie eine ganz besondere Ehrung
Dillingen Schwester Bernadette Ebenhoch kann sich noch genau an den 21. April 1995 erinnern. Vor 21 Jahren kam die Krankenschwester, die damals noch den Dillinger Franziskanerinnen angehörte, ins nordalbanische Fushë-Arrëz. „Der Bischof von Albanien hat uns dorthin gesandt“, erinnert sich Schwester Bernadette. „Wir waren da ganz auf uns alleine gestellt.“Schwester Bernadette und ihre Begleiterin Schwester Gratias Ruf packten an. Die früheren Mitarbeiterinnen im Dillinger Krankenhaus St. Elisabeth kümmerten sich um die Menschen in diesem bitterarmen Teil Europas. Sie versorgten Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Medikamenten, gaben Kurse für Schwangere, lehrten Frauen das Nähen, halfen beim Aufbau von verfallenen Häusern. Und sie gaben den Albanern dort ein Beispiel für ein Leben aus dem christlichen Glauben.
Für die Menschen vor Ort ist die Missionsstation heute eine wichtige Anlaufstelle. Denn die Bevölkerung in dieser Region Albaniens leidet immer noch unter der Armut. „Die Arbeitslosigkeit liegt bei 90 Pro- zent“, weiß Schwester Bernadette. Erst vor einem Jahr stellte die örtliche Kupferschneidefabrik ihren Betrieb ein. Alle Arbeiter standen auf der Straße – ohne Sozialplan.
Die Franziskanerinnen wollten nach Informationen unserer Zeitung die Schwestern 1997 nach Dillingen zurückholen. Doch Schwester Bernadette und Gratias machten auf eigene Faust weiter und blieben. „Wir konnten die Menschen dort nicht zurücklassen“, sagt Schwester Bernadette.
Der frühere Chefarzt des Dillinger Kreiskrankenhauses, Dr. Wilhelm Röll, bewundert die Arbeit der beiden Krankenschwestern, die in diesen Tagen in einem Team mit Kapuzinerbruder Andreas Waltermann und Schwester Martina Nachtnebel, eine Franziskanerin von Sießen, zusammenarbeiten. „Sie haben dort Großartiges geleistet“, sagt Röll über seine früheren Mitarbeiterinnen im Dillinger Krankenhaus.
Ebenhoch und Ruf haben ein großes Helfer-Netzwerk ins Leben gerufen. Viele Spender unterstützen die Missionsstation Fushë-Arrëz. Auch Dillinger Pfarreimitglieder, die Rotarier und die Lions halfen. Für etwa 350 Buben und Mädchen gibt es inzwischen Patenschaften. Nahezu jeden Monat treffen Hilfstransporte aus Deutschland und Österreich in Nordalbanien ein, voll beladen mit Lebensmitteln, Kleidung, Schuhen, Möbeln, Babynahrung, Fahrrädern, Medikamenten, Hygieneartikeln und vielem mehr. Durch die regelmäßigen Spenden von Patenfamilien können die Schwestern monatlich 14 Tonnen Mehl kaufen und an bedürftige Familien verteilen. Jeweils am 1. und 15. des Monats ist Ausgabe. Durch Ausbildungspatenschaften ist es derzeit möglich, etwa 100 Jugendlichen eine bessere Ausbildung oder ein Studium zu finanzieren.
Zur Missionsstation gehört eine Kindertagesstätte mit drei Gruppen für jeweils 20 Buben und Mädchen. In der Nähschule lernen bis zu 20 junge Frauen das Schneidern. Dazu kommen die Ambulanz mit Apotheke, eine kleine Landwirtschaft zur Selbstversorgung, eine Kleiderkammer, ein Mehldepot. Mit etwa 30 Beschäftigten war die Missionsstation zuletzt der größte Arbeitgeber in der Umgebung, informiert Schwester Martina Nachtnebel.
Jetzt ist auch das Auswärtige Amt auf das Wirken der beiden Schwestern aufmerksam geworden, die in Albanien zu Engeln für die Armen geworden sind. Maria Ebenhoch (60), die aus Waal bei Buchloe
„Wir konnten die Menschen dort nicht zurücklassen.“
Schwester Bernadette
stammt, und Agnes Ruf (75), eine Mindelheimerin, haben am 3. Mai das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen bekommen, heißt es in einem Schreiben, das unserer Zeitung vorliegt. Schwester Martina hatte das Auswärtige Amt über das jahrzehntelange Wirken ihrer Mitstreiterinnen informiert und für die Auszeichnung vorgeschlagen. Das Bundesverdienstkreuz soll im Juli in der Deutschen Botschaft in Tirana den beiden Schwestern, die jetzt dem Bischof von Orvieto-Todi unterstehen und der von ihm gegründeten Ordensgemeinschaft angehören, übergeben werden.
Schwester Bernadette nimmt die Auszeichnung gelassen. „Das ist eine Würdigung unserer Arbeit, aber ich war nicht auf eine Ehrung aus“, sagt die 60-Jährige. Alleine hätten sie die Arbeit nicht bewältigen können, sagt Schwester Bernadette, „wenn da nicht von oben die Hilfe unseres Herrgotts gewesen wäre.“I
Informationen über die Missionsstation gibt es auch im Netz unter www.missionsstation-fushearrez.de