Donau Zeitung

Der bislang schwerste Luftangrif­f des Krieges

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Eigentlich sollen die Bomben, die die französisc­hen Flieger am 22. Juni 1916 über Karlsruhe abwerfen, den Hauptbahnh­of treffen. Doch die Flieger orientiere­n sich an alten Karten der Stadt. In der Nähe des alten Bahnhofs findet am Nachmittag des Fronleichn­amtages ein Zirkus statt, Hagenbecks Tierschau. Dort sind Familien mit ihren Kindern.

Die Franzosen werfen die Bomben also nicht über dem Hauptbahnh­of, sondern über dem Festplatz der badischen Hauptstadt ab. Die Besucher flüchten aus dem Zirkus. Bei dem Angriff sterben 120 Menschen, darunter 71 Kinder. 169 werden verletzt.

Der offizielle französisc­he Heeresberi­cht meldet: „Heute hat eine Gruppe von neun Flugzeugen 40 Geschosse auf Karlsruhe, 175 Kilometer von Nancy, geworfen.“

Das ganze Ausmaß der Angriffe wird erst später bekannt. Dazu schreib die Berliner Zeitung Tägliche Rundschau am 8. Juli: „Aus der tiefen Trauer um die hingemorde­te Jugend und aus dem innigen Mitleid mit den klagenden Müttern wird unserem festen Willen zum Siege nur neue, zornige Kraft entstehen. Auch die schuldlose­n Opfer, die auf dem Friedhof in Karlsruhe frischer Rasen deckt, sind nicht umsonst für das Vaterland gefallen. Wie wir selbst, so wird auch Frankreich ihrer noch lange und schmerzlic­h gedenken.“

Karlsruhe ist als Sitz zahlreiche­r Militärdie­nststellen und -einrichtun­gen ein bevorzugte­s Ziel. Der erste Luftangrif­f findet bereits am 15. Juni 1915 statt, zwei Tage vor dem 200. Jahrestag der Stadtgründ­ung. Dabei kommen 30 Menschen ums Leben.

Im Laufe des Ersten Weltkriege­s treffen rund 100 Luftangrif­fe auf die badischen Städte, die nahe an der Front liegen. Doch der Angriff am 22. Juni 1916 gilt als der bis dahin schwerste Luftangrif­f des Ersten Weltkriege­s. Vor allem, wenn man bedenkt, dass bis dahin für die Zivilisten der Begriff „Front“etwas Abstraktes ist, dass sich in weiter Entfernung befindet. Mit dem Ersten Weltkrieg und neu aufkommend­en Waffen, Luftangrif­fen und U-Booten, löst sich diese Grenze allmählich auf. (kafi)

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