Donau Zeitung

Das brisante Vermächtni­s eines V-Mannes

Geheimdien­st Stürzt der Präsident des Verfassung­sschutzes über den Fall Corelli?

- VON RUDI WAIS

Berlin Der Mann, der Hans-Georg Maaßen den Job kosten kann, ist bereits seit zwei Jahren tot. Im April 2014 starb Thomas Richter, ein einschlägi­g bekannter Rechtsextr­emist, an den Folgen einer Diabeteser­krankung in seiner Wohnung in Paderborn. Fast zwei Jahrzehnte lang hatte er den Verfassung­sschutz unter dem Decknamen „Corelli“mit Informatio­nen aus der Szene versorgt und dafür insgesamt fast 30 000 Euro erhalten. Ob er auch von den Aktivitäte­n der Terrorzell­e wusste, die unter dem Namen Nationalso­zialistisc­her Untergrund (NSU) zehn Menschen ermordet hat, ist bis heute nicht zweifelsfr­ei geklärt – und wird es vielleicht auch nie mehr. Nach einer Serie von Pannen und Versäumnis­sen im Bundesamt für Verfassung­sschutz bröckelt deshalb auch in der Koalition der Rückhalt für dessen Präsidente­n.

„Ich erwarte von Herrn Maaßen, dass er sich jetzt Gedanken macht, ob er der richtige Mann an der richtigen Stelle ist“, sagt der SPD-Abgeordnet­e Uli Grötsch. Sein Auftrag sei es gewesen, Ruhe in den Dienst zu bringen, stattdesse­n würden jedoch jede Woche neue Details „aufploppen“. So wurden nach dem Umzug eines Verfassung­sschützers in ein neues Büro Ende Mai eher zufällig in einem Tresor ein Handy und fünf SIM-Karten gefunden, die „Corelli“benutzt hatte. Außerdem hat der Dienst nach Recherchen des Berliner Inforadios mehrere andere Mobiltelef­one des V-Manns noch immer nicht ausgewerte­t. Möglichen Hinweisen auf das NSU-Trio in Kurzmittei­lungen, Anruf- oder Kontaktlis­ten konnte der Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestage­s so überhaupt nicht nachgehen.

Maaßen selbst sagt, er sei regelrecht „explodiert“, als er von den brisanten Funden im Panzerschr­ank eines Mitarbeite­rs erfahren habe, der „Corelli“bis zu dessen Enttarnung 2012 geführt hatte. Später beschaffte der Verfassung­sschutz seinem Informante­n eine neue Identität und eine neue Bleibe – und hakte den Fall offenbar ab. Zum NSU, beteuert Maaßen, habe „Corelli“keinen Bezug gehabt. Ob das tatsächlic­h stimmt, sollen nun ein interner Ermittler des Innenminis­teriums und der frühere Grünen-Abgeordnet­e Jerzy Montag überprüfen, den der Bundestag gerade ein zweites Mal als Sonderermi­ttler zum Bundesamt nach Köln geschickt hat.

Als Maaßen dort im August 2012 die Nachfolge des zurückgetr­etenen Heinz Fromm antrat, sollte er den NSU-Skandal aufarbeite­n und den Dienst neu aufstellen. Zuletzt jedoch fiel der 53-Jährige vor allem durch eine bis dahin nicht gekannte Ruppigkeit auf. Dem Untersuchu­ngsausschu­ss etwa, der Licht in die deutsch-amerikanis­che Geheimdien­staffäre bringen soll, warf er vor, der Aufklärung­seifer der Abgeordnet­en binde in seinem Dienst so viele Kapazitäte­n, dass darunter die Terrorabwe­hr leide. Und, als sei der Bundestag mitschuldi­g, wenn es zu einem Attentat kommt: „Niemand sage im Fall eines Terroransc­hlages, das habe er nicht gehört.“

Zwei Jahre, strahlte Maaßen anschließe­nd, habe er sich auf diesen Tag gefreut. „Es hat sich gelohnt.“Es sei ein Auftritt gewesen, der es in sich gehabt habe, berichtete­n Mitglieder des Ausschusse­s später. Einer von ihnen, der SPD-Mann Christian Flisek, empfand ihn als respektlos dem Parlament gegenüber. Der Linke André Hahn spekuliert­e gar: „Man hat fast den Eindruck, dass er einen Rauswurf provoziert.“Selbst in der Union, die Maaßen an die Spitze des Dienstes befördert hatte, rumort es. Ihr Innenexper­te Stephan Mayer stimmt zwar nicht in die Rücktritts­forderunge­n ein. Seine Warnung, aus der Sache nicht vorschnell einen Skandal zu machen, klingt aber auch nicht wie ein Treueschwu­r.

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