Bewaffneter stürmt Kino in Hessen
Drama Der Mann läuft in das Gebäude, schießt um sich und nimmt Geiseln. Dann wird er erschossen
„X-Men – Apocalypse“prangt auf dem Plakat über dem Eingang zum Kinopolis-Kino in Viernheim. Was sich am Donnerstagnachmittag in dem Kino in dem hessischen Städtchen abspielte, hätte tatsächlich apokalyptische Ausmaße annehmen können. Nicht in der Fiktion, in der Realität.
Davon zeugen noch die schwerbewaffneten Polizisten, die am frühen Abend das Gebäude verlassen. Ein Mann soll darin mehrere Schüsse abgegeben haben. Nun ist er tot, erschossen von der Polizei.
Dem 21-jährigen Kino-Mitarbeiter Guri Blakaj steht der Schreck ins Gesicht geschrieben. „Wenn man eine Waffe an den Kopf bekommt, hat man Angst“, sagt er. Nach Blakajs Schilderung war den Mitarbeitern am Nachmittag ein Mann mit Sturmhaube und einer langen Waffe aufgefallen. „Zuerst dachte ich, das ist ein verkleideter Kunde“, sagt Blakaj. Viele Besucher verkleideten sich passend zu den Filmen, die sie besuchten. „Erst als er dann zu uns kam mit der Waffe und uns aufgefordert hat, uns auf den Boden zu le- gen, da hab’ ich gemerkt: Es ist ernst.“Dann habe der Mann die Angestellten gefragt, ob die Türen zu seien. Blakaj habe sie geschlossen. „Die letzte Tür hat geklemmt, da hat er mit der Waffe direkt auf meinen Kopf gezielt.“Geld habe er nicht gewollt.
Der Täter habe ihn schließlich nach oben in die Personalräume geschickt. Im Aufzug habe er gehört, wie auf einen Kollegen geschossen wurde. Der sei aber unverletzt geblieben. Zu der Zeit hätten sich etwa 30 bis 40 Menschen in dem Kino aufgehalten. Durch die Überwachungskamera hätten er und seine Kollegen verfolgt, wie der Täter durchs Foyer gelaufen sei. Er wirkte verwirrt, sagt Blakaj. Wie die Polizei ihn überwältigte, habe er nicht mitbekommen. Den Täter beschreibt Blakaj als „klein, schwarzhaarig und 18 bis 22 Jahre alt“.
Die Tat weckt Erinnerungen an einen Vorfall in den USA aus dem Jahr 2012. Während der Mitternachts-Preview eines „Batman“Films tötete ein 24-Jähriger in einem Kino in Aurora in Colorado zwölf Menschen. Es ist ein Horrorszenario, das auch hierzulande alles andere als undenkbar ist: Ein bewaffneter Einzeltäter an einem Ort, an dem viele Menschen sind und man kaum für hundertprozentige Sicherheit sorgen kann.
Was sich in dem Kino in Viernheim genau abgespielt hat, steht auch am späten Abend nicht fest. Viermal habe der Täter gefeuert, sagt der Darmstädter Polizeisprecher Bernd Hochstädter. Mit was für einer Waffe? Das ist am späten Abend ebenso wenig bekannt wie die genaue Zahl der Geiseln. Zu Medienberichten, wonach neben der Leiche des Täters eine Handgranate und ein Sprengstoffgürtel gefunden worden sein sollen: keine Angaben.
Die Zeitung Mannheimer Morgen berichtet, ein Rucksack des Täters habe sich als harmlos erwiesen. Schon zuvor kann Polizeisprecher Hochstädter „verbindlich sagen“: „Es gibt keinen Hinweis, dass es sich um einen islamistischen Hintergrund handeln könnte.“
Rund um das Kino, das bei 37 Grad im gleißenden Sonnenlicht liegt, wimmelt es gegen 18 Uhr von Polizei. Es seien viele Kräfte aus Südhessen zusammengezogen worden, sagt Hochstädter. Sie wurden von Spezialeinsatzkräften verstärkt. Polizisten mit Maschinenpistolen sind an der Tiefgaragenausfahrt des Kinos postiert. Hinter dem Gebäude suchen Beamte das Gebüsch ab.
Oguzhan Türk, Verkäufer in einem Geschäft neben dem Kino, erinnert sich, wie eine Kinomitarbeiterin mit Panik im Blick in sein Geschäft gelaufen kam. „Die hat gezittert, mit der konnte man gar nicht mehr reden“, sagt er. Er habe die Polizei angerufen und mit ihr telefoniert, bis die Leitung nach einer halben Stunde unterbrochen worden sei. Dann seien viele Mitarbeiter aus dem Kino gelaufen. „Die haben am Telefon gefragt, ob gerade eine Vorstellung läuft.“Es war 14.47 Uhr – um 15 Uhr hätte die erste beginnen sollen. Türks Chef Nusret Acik sagt dann noch etwas Verstörendes: „Wenn der Tod kommt, kommt er überall.“(dpa)