Rätselhafte Spuren der Geschichte
Archäologie Eine Firma will im Nordosten Nördlingens bauen. Experten haben das Baufeld untersucht. Sie finden die Skelette dreier Jugendlicher
Nördlingen Drei tote Jugendliche. Ihre Leichen abgelegt in einer Ecke eines römischen Gutshofs. Vor hunderten von Jahren. Doch warum? Und woran sind diese drei gestorben? Was die Archäologen auf dem Baugrund der Schwaben Präzision Fritz-Hopf GmbH im Nordosten Nördlingens gefunden haben, lässt viele Fragen offen – auch bei den Experten selbst, der wissenschaftlichen Leiterin Dr. Elke Mattheußer und Dr. Hanns Dietrich vom Landesamt für Denkmalpflege. Denn regulär bestattet wurden die Jugendlichen dort offensichtlich nicht. „Ob die Verstorbenen Opfer einer kriegerischen Auseinandersetzung wurden oder aber zu einem späteren Zeitpunkt in dem bereits nicht mehr bewohnten Gutshof niedergelegt wurden, lässt sich derzeit noch nicht sagen“, so Mattheußer.
Sicher ist nur, dass an eben jener Stelle, wo demnächst eine neue Halle des Nördlinger Unternehmens entstehen soll, schon seit Jahrtausenden Menschen gelebt haben. Bei den Ausgrabungen wurden Grundrisse von Häusern aus der Bandkeramik gefunden – also aus der Zeit zwischen 5300 und 5100 vor Christus. Damals siedelten sich im Ries die ersten Bauern an, mit Schafen, Rindern oder Ziegen. Dietrich: „Es gab hier fruchtbare Böden und gutes Klima.“In der Region wurde ge- nauso gebaut, wie in Russland oder Frankreich, ja wie überall zu dieser Zeit. Verwendet wurden dazu Eichenstämme aus den nahegelegenen Wäldern. Die Überreste eines besonders imposanten Hauses mit einer Länge von mehr als 36 Metern und einer Breite von 6,30 Metern habe man bei SPN gefunden, sagt Mattheußer: „So gut erhalten hat man das selten. Es ist ein besonders schönes Beispiel.“
Nur auf vereinzelte Spuren aus der Spätbronze- und der Eisenzeit stießen die Archäologen – dagegen auf umso mehr Funde aus der Rö- merzeit. Denn damals stand an dieser Stelle ein Gutshof. Soldaten, die 20 Jahre lang in der römischen Armee gedient hatten, bekamen Land für solche Höfe zugesprochen, erklärt Dietrich. Aufgedeckt wurden Reste von drei Gebäuden, die damals in Stein errichtet worden sind. Das Herrenhaus war jedoch nicht darunter. Die Experten vermuten es in östlicher beziehungsweise nördlicher Richtung. Mattheußer: „Es scheint sich um eine große Anlage zu handeln. Der im Grabungsschnitt erfasste Bereich beträgt bereits über 5600 Quadratmeter.“Gefunden wurde wohl ein Torwärtergebäude. Das schließen die Experten aus den Resten von Hofpflastern. Die wurden nämlich nur vor Wohngebäuden verlegt. Die beiden anderen Bauwerke könnten ein Lagerraum beziehungsweise eine Werkstatt sowie ein überdachter Wandelgang sein. Sicher ist: Der Gutshof hat sich im Laufe der Jahre – genauer gesagt zwischen dem 1. Jahrhundert und 250 nach Christus – immer wieder verändert. Dietrich sagt, man habe nun nördlich und südlich der Nördlinger Altstadt viele Funde aus der Römerzeit gesichert.
Die heutige Bundesstraße B 25 sei zudem eine alte Römerstraße. Er vermutet, dass es in Nördlingen zu dieser Zeit eine große Siedlung gegeben haben könnte. Beweisen ließe sich diese Theorie wohl mit Ausgrabungen in der Innenstadt. Die an der Baustelle muss übrigens das Unternehmen SPN bezahlen. Eine Tatsache, die Geschäftsführer Rainer Hertle nicht ganz nachvollziehen kann.
Schließlich gehe es um einen sechsstelligen Betrag: „Das sind keine Peanuts mehr.“Hertle fordert, dass sich auch der Freistaat an solchen Kosten beteiligt. Erst seit der Jahrtausendwende muss sie der Bauherr alleine tragen. Schließlich erhalte man mit solchen Ausgrabungen Zeugnisse aus der Vergangenheit für die Allgemeinheit. Auch die Skelette der drei Jugendlichen werden in der anthropologischen Staatssammlung aufbewahrt. Einem der Toten, einem Mädchen, wurden vier Überfangperlen einer Halskette mit ins Grab gegeben. Wahrscheinlich ist es in der Spätantike oder im frühen Mittelalter gestorben, sagt Mattheußer.
„So gut erhalten hat man das selten. Es ist ein besonders schönes Beispiel.“
Dr. Elke Mattheußer