Lob von der kleinen Schwester
Union Warum die CSU mit der CDU zufrieden ist. Und warum viele in der CDU mit Merkel unzufrieden sind
Berlin Die kleine Schwester ist zufrieden und spart nicht mit Lob – auch wenn ihr die Beschlüsse der großen Schwester noch immer nicht weit genug gehen. Doch in München registriert man mit Wohlwollen, dass die CDU auf ihrem Parteitag in Essen in der Ausländer- und Flüchtlingspolitik deutlich vom bisherigen Kurs der Bundeskanzlerin abgerückt ist und sich wieder ein konservativeres Profil zugelegt hat.
Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft und Rückkehr zur alten Optionsregelung, strengere Auflagen für Flüchtlinge, konsequentere Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern, Einrichtung von Aufnahmelagern in Nordafrika sowie das Bekenntnis der Kanzlerin, dass sich so etwas wie 2015 nie mehr wiederholen darf – hat die CDU mit diesen Positionen Frieden mit der CSU geschlossen und den Streit kurz vor Beginn des Wahljahres beigelegt? Für CSUChef Horst Seehofer, der als Folge des Streits mit seiner CDU-Kollegin Angela Merkel zum ersten Mal in seiner Amtszeit nicht auf einem CDU-Parteitag gesprochen hat, stimmt die Richtung, Merkel und die CDU würden sich auf die CSUPositionen zubewegen, attestiert er in der Süddeutschen Zeitung der Schwester, um allerdings einzuschränken: „Wir sind noch längst nicht über den Berg.“So poche die CSU weiterhin auf die Festlegung einer Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen. „Der CSU kommt es auf ein in sich schlüssiges Regelwerk an“, so Seehofer. „Die Obergrenze ist nur ein Element davon.“
In der CDU sorgen vor allem der Beschluss zur Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft und die Äußerungen von Parteichefin Merkel, sich als Bundeskanzlerin nicht an diesen Beschluss halten zu wollen, da sie ihn für falsch halte, für Diskussionen. Die CDU habe sich in dieser Frage „klar positioniert“, sagt der Karlsruher CDU-Abgeordnete Axel E. Fischer gegenüber unserer Zeitung. „Wenn die Bundeskanzlerin darauf hinweist, dass es in dieser Legislaturperiode keine Änderungen geben werde, ist sie realistisch. Wenn sie den Beschluss falsch hält, ist sie in dieser Sachfrage bei der Minderheit. Das kann auch Regierungschefs passieren.“Im Lager der Konservativen hat man wenig Verständnis, dass Merkel einerseits in ihrer Rede die Partei um Unterstützung gebeten habe („Ihr müsst, ihr müsst, ihr müsst mir helfen“), sie aber keine 24 Stunden der eigenen Partei die kalte Schulter zeige und einen Parteitagsbeschluss demonstrativ ignoriere. „Wenn die Vorsitzende Mehrheitsbeschlüsse des obersten Entscheidungsorgans der CDU nicht beachtet, können wir uns künftig den ganzen Aufwand eines Bundesparteitags sparen“, kritisiert Christean Wagner, der Vorsitzende des konservativen „Berliner Kreises in der Union“. Zur innerparteilichen Demokratie gehöre es, Parteitagsbeschlüsse zu respektieren und zu akzeptieren, „selbst wenn sie gegen das Votum der Bundesvorsitzenden erfolgt sind“.
Der Vorsitzende der CDU-Landesgruppe Baden-Württemberg im Bundestag, der Konstanzer Andreas Jung, weist gegenüber unserer Zeitung den Vorwurf des Koalitionspartners wie der Opposition zurück, die CDU sei in Essen nach rechts gerückt. „Unser Platz ist und bleibt die Mitte.“Gleichwohl hält er es nicht für „zielführend“, die Diskussion um den Doppelpass neu aufzurollen. Die bestehende Regelung sei ein Kompromiss mit der SPD, die sehr viel weiter gehende Vorstellungen habe und den Doppelpass als Regel wolle. Das lehne die Union ab.
Unterstützung erhält Merkel auch vom hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier und der rheinland-pfälzischen Landesvorsitzenden Julia Klöckner, die sich ebenfalls gegen den Parteitag stellen. „Ich denke nicht, dass dieser Beschluss in die Regierungsarbeit in Berlin eingehen wird“, sagt Bouffier. Und Klöckner verweist darauf, dass jeder Parteitag „immer eine eigene Dynamik“habe, für „CDU pur“stehe und nicht dafür, „dass am nächsten Tag der Koalitionsvertrag umgeschmissen wird“.