Nichts als reden
Teures Ministertreffen ohne sichtbaren Erfolg
Hamburg Der Weihnachtsbaum im Hotel „Atlantic“, wo während des laufenden OSZE-Ministertreffens in Hamburg die wichtigeren Leute logieren, ist ein besonders prächtiges Exemplar. Siebeneinhalb Meter hoch, Kerzen bis in die Spitze, dazu ein paar hundert Kugeln. Darunter liegen Geschenkkartons. Wer daran rüttelt, stellt fest, dass sie leer sind.
So verhält es sich im übertragenen Sinn mit der ganzen Veranstaltung. Zwar sind aus den 57 Mitgliedstaaten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) fast alle Außenminister da. Von der Prominenz fehlt nur der Brite Boris Johnson. Mit deutscher Gründlichkeit ist alles durchorganisiert. Damit nichts passiert, sind mehr als 13000 Polizisten im Einsatz. Der Ertrag des mehrere Millionen Euro teuren Treffens dürfte trotzdem gegen null tendieren.
Am ersten Tag: nichts Konkretes. Nach einem Treffen von US-Außenminister John Kerry mit dessen russischem Kollegen Sergej Lawrow zur Lage in Syrien ist von Fortschritten keine Rede. Ansonsten die üblichen Appelle. Gastgeber FrankWalter Steinmeier mahnt, sich auf die Grundsätze der Sicherheitspartnerschaft zu besinnen: „Gerade in stürmischen Zeiten wie diesen brauchen wir die OSZE als Leuchtturm, der auch Orientierung geben kann.“Er erinnert daran, wie wichtig es sei, im Gespräch zu bleiben.
Dass solche Treffen notwendig sind, bestreitet keiner ernsthaft. Doch der deutsche Außenminister dämpft die Erwartungen: „Wir dürfen
OSZE steckt seit längerem in der Sinnkrise
uns nichts vormachen: Der große Wurf zur Überwindung des Trennenden wird uns so schnell nicht gelingen.“Die OSZE steckt seit längerem in der Sinnkrise. Die Hoffnung der Deutschen, während ihres Vorsitzes verloren gegangenes Vertrauen wieder aufbauen zu können, hat sich nicht erfüllt. Im Gegenteil: Im Lauf des Jahres sind – ohne dass sie etwas dafür konnten – noch einige weitere Probleme hinzugekommen, wie der Brexit und die Entwicklung in der Türkei.
Wichtigster Streitpunkt bleibt der Konflikt in der Ukraine. Dabei beharren auch in Hamburg alle Seiten auf ihren Standpunkten. Lawrow und sein ukrainischer Kollege Pawel Klimkin geben sich zum x-ten Mal gegenseitig die Schuld daran, dass die Friedensvereinbarungen immer noch nicht eingehalten werden. Steinmeier und Kerry nennen das russische Vorgehen auf der Krim einen Verstoß gegen das Völkerrecht, im Gegenzug hält Lawrow dem Westen „martialische Rhetorik“vor – das kennt man.
Einzige Neuerung ist, dass in Hamburg nach allzu langen Erklärungen ein Schiffshorn ertönt. Weder Kerry noch Lawrow lassen sich davon beirren. Dafür fehlen beide dann beim großen „Familienfoto“, eigentlich ein Pflichttermin bei solchen Treffen. Bevor es mit den Kollegen zum gemeinsamen Mittagessen in den feinen Ruderklub „Germania“geht, reist Kerry schon wieder ab. Heute endet das Treffen – wohl wieder ohne gemeinsame Erklärung, nur mit einem AbschlussKommuniqué von Gastgeber Steinmeier. Christoph Sator, dpa