Das Leben nach dem Null-Zins
Kommentar
Die europäische Währungspolitik ist höllisch kompliziert, lässt sich aber auf einen einfach-erschreckenden Nenner bringen: Länder wie Italien sind unfähig, sich grundlegend zu reformieren, und hängen damit wie Süchtige an der HeroinNadel immer neuer Schulden. Deswegen ist die Europäische Zentralbank zu einer Klinik für unbelehrbare und schwerst abhängige Staaten geworden. In dem Krankenhaus werden die Patienten nicht – was notwendig wäre – auf kalten Entzug gesetzt, sondern EZB-Chefarzt Mario Draghi versucht, sie in einem exzessiven Methadon-Programm zumindest ruhigzustellen.
Die schmerzstillende Ersatzdroge besteht darin, dass der Zentralbank-Präsident eine radikale Politik billigen Geldes fährt, dank derer die Schulden-Süchtigen überleben können. Ohne die von Draghi verabreichten Methadon-Cocktails würden Staaten wie Griechenland und Italien kollabieren. Der EZBPräsident hat keine andere Wahl. Die Süchtigen selbst sind nicht bereit, dem Schulden-Schlendrian zu entsagen. Denn in den über ihre Verhältnisse lebenden Ländern versagen die politischen Klassen, wie sich gerade schmerzhaft an Italien zeigt. Deshalb muss der Römer Draghi weiter für Milliarden-Unsummen Staatsanleihen aufkaufen.
Der EZB–Boss will so einen EuroInfarkt verhindern. Dass Draghi nun die Dosis von 80 auf immer noch irre 60 Milliarden Euro pro Monat senkt, zeigt eines: Auf lange Sicht ist Schluss mit der Methadon-Politik.
Das mag noch einige Jahre weitergehen, letztlich könnte der EuroWächter, wenn die Inflation deutlicher steigt, dennoch gezwungen sein, die Zinsen zu erhöhen, zumal wenn in den USA Geld teurer wird. Am Ende der enorm verzweigten europäischen Billiggeld-Drogenhöhle muss ein Licht leuchten. Noch ist es nicht sichtbar, aber der Weg dorthin zeichnet sich schemenhaft ab.