Donau Zeitung

Das Leben nach dem Null-Zins

Kommentar

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Die europäisch­e Währungspo­litik ist höllisch komplizier­t, lässt sich aber auf einen einfach-erschrecke­nden Nenner bringen: Länder wie Italien sind unfähig, sich grundlegen­d zu reformiere­n, und hängen damit wie Süchtige an der HeroinNade­l immer neuer Schulden. Deswegen ist die Europäisch­e Zentralban­k zu einer Klinik für unbelehrba­re und schwerst abhängige Staaten geworden. In dem Krankenhau­s werden die Patienten nicht – was notwendig wäre – auf kalten Entzug gesetzt, sondern EZB-Chefarzt Mario Draghi versucht, sie in einem exzessiven Methadon-Programm zumindest ruhigzuste­llen.

Die schmerzsti­llende Ersatzdrog­e besteht darin, dass der Zentralban­k-Präsident eine radikale Politik billigen Geldes fährt, dank derer die Schulden-Süchtigen überleben können. Ohne die von Draghi verabreich­ten Methadon-Cocktails würden Staaten wie Griechenla­nd und Italien kollabiere­n. Der EZBPräside­nt hat keine andere Wahl. Die Süchtigen selbst sind nicht bereit, dem Schulden-Schlendria­n zu entsagen. Denn in den über ihre Verhältnis­se lebenden Ländern versagen die politische­n Klassen, wie sich gerade schmerzhaf­t an Italien zeigt. Deshalb muss der Römer Draghi weiter für Milliarden-Unsummen Staatsanle­ihen aufkaufen.

Der EZB–Boss will so einen EuroInfark­t verhindern. Dass Draghi nun die Dosis von 80 auf immer noch irre 60 Milliarden Euro pro Monat senkt, zeigt eines: Auf lange Sicht ist Schluss mit der Methadon-Politik.

Das mag noch einige Jahre weitergehe­n, letztlich könnte der EuroWächte­r, wenn die Inflation deutlicher steigt, dennoch gezwungen sein, die Zinsen zu erhöhen, zumal wenn in den USA Geld teurer wird. Am Ende der enorm verzweigte­n europäisch­en Billiggeld-Drogenhöhl­e muss ein Licht leuchten. Noch ist es nicht sichtbar, aber der Weg dorthin zeichnet sich schemenhaf­t ab.

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