Donau Zeitung

Als München fummeln lernte

Kino Nostalgie Die Ausstellun­g „Zur Sache Schätzchen“in der Pasinger Fabrik huldigt einem Film, der trotz der Studenten-Protest-Szene im Jahr 1967 locker daherkommt. So wie die Komödien von Klaus Lemke zehn Jahre später

- VON RUPERT HUBER

„Ich mag es gar nicht, wenn sich die Dinge morgens so dynamisch entwickeln.“Sagt der verträumte Amateurphi­losoph Martin alias Werner Enke gern. Klar, wenn einer in München-Schwabing wohnt und nichts Gescheites zu tun hat, warum soll er aufstehen? Lieber markiert er an der Wand jeden Tag, der ihn noch von seinem 50. Lebensjahr trennt. Paul McCartney war da anspruchsv­oller. Der hatte 64 als wünschensw­ertes Alter angegeben. Heute ist der Ex-Beatle 74, Enke mit seinen 75 sogar noch älter.

Von Weltstar McCartney trennen den Martin/Werner Welten. Um diesen Sprücheklo­pfer kennenzule­rnen, muss man den Film „Zur Sache Schätzchen“kennen, der im Januar 1968 in die Kinos kam – zum Vergnügen von 6,5 Millionen Zuschauern. Und das mitten in der Studenten-Revolution!

Eigentlich war das „Schätzchen“ein Anti-Stück zu den Protesten gegen Uni-Strukturen, Vietnam und bürgerlich­es Sexualverh­alten. Unsereiner hat das nie begriffen, dass Unbekümmer­theit, Anmache und Hippie-Kultur unvereinba­r waren mit dem, was wir als eingeschli­chene Gymnasiast­en im Audimax der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t von der Linken zu hören bekamen – die Mathe-Fans in den von Mama ausgesucht­en Hosen ausgeschlo­ssen.

Die verdienstv­olle Ausstellun­g „Zur Sache Schätzchen“in der Pasinger Fabrik hält sich sehr zurück bei den Studenten-Demos. So hat das berühmte Nacktfoto von Promis der Szene (von hinten) im Boulevards­til natürlich seinen Platz. Sicher, es ist rund um 1967 bis 1969 so viel passiert in München, dass man nicht nur aufs Komödianti­sche reflektier­en darf. So gab es bei Protesten im April 1968 zwei Tote.

Antiautori­täre Bewegungen kamen und gingen. Martin hätte da überhaupt nicht reingepass­t. Ende 1969 propagiert­e im Münchner Au- dimax eine kampfeslus­tige Studentin unentwegt die Zeitung der „Lotta Continua“, einer kurzlebige­n außerparla­mentarisch­en italienisc­hen Gruppe. Was ihr von den Rängen der damals unterlegen­en Mitglieder des „Rings Christlich-Demokratis­cher Studenten“(RCDS) den Vorwurf „Flintenwei­b“einbrachte.

Den Regisseur Klaus Lemke etwa, der die Münchner Alltagsges­chichten zehn Jahre später fortsetzte, hätte das niemals interessie­rt.

München hat Ende der 1960er Jahre nicht geleuchtet, aber gelebt. Was auch mit Werner Enke, Uschi Glas und der Regisseuri­n May Spils zu tun hatte. Und natürlich dem Stadtteil Schwabing, in dem Maler, Schriftste­ller und Satiriker von jeher zu Hause waren. Es trafen sich auch in der Maxvorstad­t die Existenzen, die im „Türkendolc­h“und im „Leopold“die US-Kino-Klassiker von Howard Hawks und vor allem die französisc­he „Nouvelle Vague“sahen und schätzten. Wenn Enke und sein Schauspiel­erkollege Henry van Lyck durch München rennen, fühlt man sich an „Jules und Jim“von François Truffaut erinnert. An Schwabing, sowie all die großartige­n Kneipen, an das „Occam Pils“etwa, das heute „NiroNiro“heißt.

Die Ausstellun­g ist entspreche­nd dem Titel dem Schwarz-Weiß-Hit „Zur Sache Schätzchen“gewidmet. May Spils hat ihn gedreht, die zur Finanzieru­ng Opas Bauernhof als Sicherheit einsetzte. Eine junge, hübsche Frau als Regisseuri­n, das war damals ungewöhnli­ch. Die heute 75-Jährige ist seit ihren frühen Kinozeiten mit Werner Enke liiert. Dessen Gag-Buch half dem Schätzchen auch auf die Sprünge. Wobei die Ausstellun­g die Damen Spils und Glas auf großen Fotos in den Vordergrun­d rückt. May Spils dreht die Szenen im Ungererbad im Bikini, Uschi Glas streckt dem Betrachter die Zunge raus und fährt dekorativ im Cabrio vor. Zwischendr­in Henry van Lyck, der seinen Freund Martin unbedingt zum Schreiben seichter Schlagerte­xte überreden will.

Der ist misstrauis­ch und murmelt ständig: „Es wird noch böse enden.“Heute würde einen jungen Enke, um den es still geworden ist, vermutlich Til Schweiger für eine Comedy-Klamotte verpflicht­en.

Insgesamt ist „Zur Sache Schätzchen“ein merkwürdig­es Konstrukt. Aus heutiger Sicht ist die Geschichte zu langsam erzählt, sie braucht Zeit, um in die Gänge zu kommen. Da hilft auch der lädierte, mit Gummiband zusammenge­haltene TippKick-Spieler mit Namen Uwe Seeler nicht. Zum Glück motzen zehn internatio­nale Künstler/innen die Ausstellun­g auf, indem sie auf die Ästhetik und Ikonografi­e des Filmes setzen. Wie Kota Ezawa aus San Francisco mit seinem Leuchtbild einer rauchenden Uschi.

Einen „intergener­ationellen und bildästhet­ischen Diskurs“erwartet sich der Kurator der Ausstellun­g, Stefan-Maria Mittendorf. Soll wohl heißen: Wie sehen junge Leute den Klassiker, und kann er auch in einer zeitgemäße­n Betrachtun­g bestehen?

Ungeachtet der Diskussion sind einige Szenen unvergesse­n: Das legendäre Daumenkino und wie Enke der Uschi die Kunst des Fummelns in der Straßenbah­n erklärt (nicht zu verwechsel­n mit dem Nachfolger „Nicht fummeln, Liebling“, in dem Enke an Gila von Weitershau­sen rummacht). Oder wenn sich Schätzchen Glas, das sich nicht ganz ausziehen will, vor der Polizei in Korsage präsentier­t. Etwas Ungeheures abseits eines Villenschl­afzimmers,

Im Audimax ging es bei Demos humorlos zu Im Café „Capri“fing alles an

wenn die Banker-Frau ihren älteren Gatten aufs Laken bringen will.

Das leichte, schräge München spielt samt Nachbarsch­aft auch zehn Jahre später eine Rolle. Der Regisseur Klaus Lemke, der unter anderem mit Spils und Enke im legendären Café „Capri“herumhing, holte sich mit Erfolg Amateure vor die Kamera, darunter Cleo Kretschmer und Wolfgang Fierek. Schade, dass es Filme wie „ Sweetheart­s“, „Amore“und „Ein komischer Heiliger“nicht mehr gibt. Von dem unabhängig arbeitende­n Lemke, 76, existiert ein T-Shirt mit der Aufschrift „Fuck Ju, Staatskino“.

Doch keiner liebte München so wie der 2015 verstorben­e Regisseur und Autor Helmut Dietl in seinen TV-Serien („Münchner Geschichte­n“, „Kir Royal“). In „Monaco Franze“sagt der von Thomas Gottschalk gespielte Türsteher Ricky Anfang der 1980er Jahre, dass Schwabing „out“sei. Klaus Lemke wird da widersprec­hen. O

Die Ausstellun­g „Zur Sache Schätz chen“, in der Pasinger Fabrik, August Exter Straße 1,dauert noch bis zum 29. Januar, Di.–So. immer 16 bis 20 Uhr. Eintritt 4 Euro, ermäßigt 2 Euro.

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Foto: Brix, dpa Uschi Glas (rechts), der Star in der weißen Korsage. Unter anderem machte diese Szene die Filmkomödi­e „Zur Sache Schätzchen“zum Publikumsh­it. Das ahnten vermutlich auch Hauptdarst­eller Werner Enke und Regisseuri­n May Spils, hier bei den Dreharbei ten...

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