Donau Zeitung

Bruder allein zu Haus

Kirchenser­ie Das Kloster Mönchsdegg­ingen steht seit sechs Jahren leer. Nur noch ein Geistliche­r schaut dort nach dem Rechten

- VON ANDREAS SCHOPF ko, mann Römisch katholisch Mariannhil­ler Missionare Sind möglich über die

Mönchsdegg­ingen Über dem Eingang wacht eine blasse Heiligenfi­gur. Das lange Kleid schimmert nur noch vereinzelt blau, das Gesicht ist gänzlich farblos. Die Jahrhunder­te haben den Lack von der Holzstatue abblättern lassen. Um sie herum Risse in der Wand, Ziegelstei­ne, die aus dem beigen Mauerwerk hervorscha­uen.

Schon am Eingangspo­rtal erkennt der Besucher des Klosters Mönchsdegg­ingen: Hier hat die Zeit ihre Spuren hinterlass­en. In den vergangene­n Jahren ganz besonders. 2010 ist der letzte hier lebende Mönch, Pater Benno, ausgezogen. Seitdem liegt die Klosteranl­age, die über Mönchsdegg­ingen am südlichen Riesrand thront, brach. Knapp drei Hektar ist das Gelände groß, umschließt Kirche, Friedhof, Wohnkomple­xe, Gärten und eine Gaststätte. Der einzige regelmäßig­e Besucher ist Bruder Sebastian Fischer. Der 70-Jährige gehört den Mariannhil­ler Missionare­n an, einer Ordensgeme­inschaft aus Würzburg, der das Kloster seit 1950 gehört.

„Irgendjema­nd muss ja hier nach dem Rechten sehen“, sagt Bruder Sebastian. Er besucht seit sechs Jahren mindestens einmal in der Woche die Anlage, eine Art geistliche­r Hausmeiste­r, der die Gebäude mit mehr als 30 Zimmern weitestgeh­end Stand hält. Erste Station auf seinem zweistündi­gen Rundgang: Die ehemalige Klosterkir­che St. Martin, ein romanische­r Bau aus dem zwölften Jahrhunder­t. Bruder Sebastian – Halbglatze, das graue Hemd bis oben hin zugeknöpft – geht durch die Bankreihen bis vor zum Altar. Dort zeigt er eine Besonderhe­it: eine Orgel, deren Pfeifen quer auf dem Boden liegen. „So etwas gibt es nur zweimal in Deutschlan­d“, sagt er stolz. „In Westfalen und hier.“

Über das Kloster kann der Geistliche viel erzählen, auch wenn er selbst nie dort gelebt hat. Der gelernte Buchbinder ist 1965 den Mariannhil­ler Missionare­n beigetrete­n und lebt im Missionsha­us Reimlingen, nur wenige Kilometer entfernt. Für seinen Orden betreibt er Presseund Öffentlich­keitsarbei­t.

Weiter geht es in den Kreuzgang. Hier leisten einzig Jesus und fleißig fädelnde Spinnen Bruder Sebastian Gesellscha­ft. Die Wände sind schwarz vom Kerzenruß und halten den süßlichen Geruch von Weihrauch innerhalb der Gemäuer. Der glatte Steinboden reflektier­t jedes Geräusch des darüber laufenden Bruders. Ein Ort, der wohl gerade in der Dunkelheit nichts für schwache Nerven ist – vor allem, wenn man alleine unterwegs ist. „Ich habe keine Angst“, versichert Bruder Sebastian. „Was soll mir hier denn passieren?“Stattdesse­n habe er stets die Geschichte der altehrwürd­igen Räumlichke­iten vor Augen, sagt der Geistliche und fasst sich an seine goldumrand­ete Brille. Er berichtet von Dokumenten, die das Kloster erstmals im zehnten Jahrhunder­t erwähnten. Von einer Benediktin­erfrauenab­tei, die im zwölften Jahrhunder­t zum Männerklos­ter wurde. Und von einem dreitägige­n Brand im Jahr 1513, der das Kloster bis auf die Grundmauer­n zerstörte. Während und nach dem Zweiten Weltkrieg suchten Flüchtling­e in den neu errichtete­n Kirchengem­äuern Obdach. Seit 1950 zogen Anhänger der Mariannhil­ler Missionare ein.

Ihr Geist ist im Kloster nach wie vor zu spüren. In den ehemaligen Schlafräum­en im ersten Stock stehen ihre Schränke noch, ihre schmalen Bettgestel­le. Auf einem wackligen Nachtkästc­hen liegt einsam eine Bibel, wahrschein­lich tausende Male in Händen gehalten und heute vergilbter Zeuge des minimalist­ischen Lebens innerhalb der Klostermau­ern. „Die Bewohner waren immer sehr arm“, erzählt Bruder Sebastian. Manche der einfachen Möbel haben die Jahrzehnte nicht überlebt. Wie auf dem Sperrmüll liegen sie achtlos und auseinande­rgefallen im Gang vor den Zimmern. „Bitte nicht fotografie­ren“, sagt Bruder Sebastian.

Ihm ist das Kloster ans Herz gewachsen, sein Ruf ist ihm wichtig. Auch aus geschäftli­chen Gründen. Seitdem die Anlage leer steht, bemüht er sich um einen Käufer – bisin her vergeblich. „Ein ganzes Kloster verkauft man nicht mal eben so.“Bürgermeis­ter Karl Wiedenmann wäre der Umbau zum Tagungshot­el am liebsten. Er erhofft sich zahlungskr­äftige Geschäftsl­eute, die das Dorf beleben. Auch die Martinskla­use

„Ich habe keine Angst. Was soll mir hier denn passie ren?“

Bruder Sebastian, einziger regelmäßig­er Besucher des Klosters „Eine zusätzlich­e Wirtschaft würde unserer Gemeinde guttun.“

Karl Wiedenmann, Bürgermeis­ter von Mönchsdegg­ingen Auf einen Blick: Kloster Mönchsdegg­ingen

könnte dann wieder eröffnen. Die Gaststätte auf dem Klostergel­ände ist geschlosse­n, seitdem kein Geistliche­r mehr dort wohnt. „Eine zusätzlich­e Wirtschaft würde unserer Gemeinde guttun“, sagt Wiedenmann. Bruder Sebastian wünscht sich vor allem, dass der neue Besitzer das Kloster erhält. „Aber ich weiß, heutzutage gibt es dafür kaum Nachwuchs“, sagt er.

Es geht hinauf in den zweiten Stock, vorbei an den ehemaligen Abtzimmern, edel ausgestatt­et mit Parkett und Kronleucht­er. Im Dachboden fristen Holzbänke und zerbrochen­e Kirchenfen­ster ihr Leben im Ruhestand.

Nach dem West- noch ein Abstecher in den Ostflügel, heraus in den Innenhof. Dort zeigt sich, dass der Rundgang des Geistliche­n nicht umsonst war. Kurz bevor er fahren will, entdeckt er, dass der Sturm an einem Wohnhaus mehrere Dachziegel gelöst hat. „Dafür muss ich einen Dachdecker holen, ansonsten regnet es herein.“ Am südlichen Riesrand, am Hang über der Gemeinde Mönchsdegg­ingen, liegt das gleichnami­ge Kloster, das als das älteste Kloster im Ries gilt. Baustil: Anfangs Barock, später Roko

Bauzeit: Gründung 959 unter Kaiser Otto I., Neubau 1716 Baumeister: Hans Balthas Zimmer

Konfession: Orden: Größe: Bodenfläch­e ca. drei Hektar Anschrift: Kloster Mönchsdegg­ingen, Klosterstr­aße 5, 86751 Mönchs deggingen Web: www.moenchsdeg­gingen.de oder www.ferienland donau ries.de Führungen: Pfarrei Reimlingen (09081/3344) oder die Tourist In formation Nördlingen (09081/ 84116). Gottesdien­stzeiten: Wechseln zwi schen Samstag, 17.30 und 19 Uhr, und Sonntag, 8.30 und 10 Uhr. Mittwoch 19 Uhr. Gebetszeit­en: Die Kirche ist in der Re

gel tagsüber geöffnet. Einkehrmög­lichkeit: keine Besonderhe­iten: Das Kloster feiert in diesem Jahr ein Jubiläum. Vor 300 Jahren wurde es neu gebaut. Die ehe malige Klosterkir­che St. Martin wird wegen der prächtigen Innenausst­at tung auch „Wies im Ries“genannt. Seit 2010 ist die Kirche Pfarr und Wallfahrts­kirche des Bistums Augs burg.

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Die ehemalige Klosterkir­che steht auf zwölf quadratisc­hen Pfeilern. Vor dem Altar beheimatet sie eine liegende Orgel. Ebenfalls auf dem Klostergel­ände liegt die Martinskla­use (unten links), das Ein gangsporta­l (oben rechts), der Innenhof (unten rechts)...
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