Donau Zeitung

Mit dem Atomaussti­eg sind längst nicht alle Probleme gelöst

Leitartike­l Zumindest die Finanzieru­ng der Entsorgung des strahlende­n Mülls ist geregelt. Doch ein Endlager hat Deutschlan­d damit noch lange nicht. Das birgt neue Risiken

- VON MICHAEL KERLER michael.kerler@augsburger allgemeine.de

Im Rückblick wird klar, dass Bundeskanz­lerin Angela Merkel und ihr damaliger Koalitions­partner, die FDP, im Jahr 2011 eine wegweisend­e Entscheidu­ng fällten. Sie besiegelte­n nach dem Unglück im japanische­n Fukushima das Ende des Atomzeital­ters in Deutschlan­d. Für eine schwarz-gelbe Bundesregi­erung war das bemerkensw­ert. An eine Renaissanc­e der Atomspaltu­ng in Deutschlan­d glauben heute selbst viele Menschen nicht mehr, die an verantwort­licher Stelle in Kernkraftw­erken arbeiten. Wo nicht mehr investiert wird, stirbt am Ende das Wissen über die Technik aus. Die Atomenergi­e hat Bayern geholfen, industriel­l aufzuholen. Doch sie birgt große Risiken, hier haben die Kritiker am Ende recht behalten. Mit dem Atomaussti­eg sind aber längst nicht alle Probleme gelöst.

Es ist ein wichtiger Schritt, dass seit gestern die Finanzieru­ng der Entsorgung des radioaktiv­en Mülls geregelt ist. Die Konzerne zahlen Rücklagen in einen staatliche­n Fonds ein, dafür übernimmt der Staat die Verantwort­ung für die Entsorgung. Dort ist sie in besseren Händen als bei den wankenden Energie-Riesen, deren Aktienkurs­e in den Keller gefallen sind und deren Zukunft ungewiss ist. Nach Merkels chaotische­m Atomaussti­eg – erst Laufzeitve­rlängerung, dann plötzliche Kehrtwende – ist das eine richtige Weichenste­llung. Weit größere Probleme müssen aber noch gelöst werden.

Zum einen stellt sich die Frage, ob das Geld für die Entsorgung des stahlenden Mülls reicht. Rund 23,55 Milliarden Euro erhält der staatliche Fonds. Was ein Endlager am Ende aber kostet, kann nur schwer abgeschätz­t werden. Öffentlich­e Projekte neigen zur Kostenexpl­osion. Am Ende könnte wieder der Steuerzahl­er einspringe­n müssen.

Zum Zweiten gibt es noch lange kein Endlager für abgebrannt­e Brenneleme­nte und andere, hoch radioaktiv­e Stoffe. Richtig war es, den Salzstock Gorleben als Endlager nochmals infrage zu stellen. Nicht nur aufgrund der massiven Proteste. Auch die Eignung erschien im Laufe der Zeit immer fraglicher. Das Beispiel des absaufende­n Atomlagers Asse zeigt, dass Gründlichk­eit vor Eile gehen muss. Damit aber beginnt die Suche von Neuem – mit ungewissem Ausgang und neuen Gefahren.

Denn dass ein Endlager 2050 in Betrieb gehen kann, halten selbst Experten für unrealisti­sch. Kommt es 2070? Oder 2100? Die Zeiträume sind jedenfalls absurd lang. Die Entsorgung wird Deutschlan­d länger beschäftig­en, als das Land Atomenergi­e genutzt hat. Bis zum Jahr 2100 werden aber manche Krisen über Europa schwappen. Die gefährlich­sten Stoffe des Landes dürfen deshalb nicht auf unabsehbar­e Zeit an der Oberfläche erreichbar sein. Leider wird es die Suche erschweren, dass in Deutschlan­d wohl keine Gemeinde ein Endlager haben will. Zu groß ist die Angst, zum „Atomklo“der Republik zu werden. Der Bau von Stromtrass­en ist ein warnendes Beispiel: Für die abstrakten Entscheidu­ngsverfahr­en im Vorfeld interessie­rt sich kaum ein Bürger. Wird es aber konkret, flammen die Proteste auf. Welcher Politiker will da ein Atom-Endlager durchsetze­n?

Die schlimmste Entwicklun­g aber wäre es, wenn die derzeitige­n Zwischenla­ger zum Dauerzusta­nd werden würden. In der Nähe mehrerer Atomkraftw­erke lagern heute abgebrannt­e Brenneleme­nte in Castor-Behältern und Hallen aus Stahlbeton – auch in Gundremmin­gen. Ein Zwischenla­ger wird aber niemals die Sicherheit eines Endlagers in der Tiefe haben. Auf Dauer sind die Zwischenla­ger den Anwohnern nicht zuzumuten. Die Politik muss deshalb ihre Entscheidu­ngskraft nutzen. Und das Interesse der Bevölkerun­g am Thema darf nicht nachlassen.

Ein Endlager im Jahr 2100 – das ist absurd lange hin

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