Donau Zeitung

Wie industrien­ah darf Politik sein?

Hintergrun­d Die Opposition greift zu ihrem schärfsten Schwert: Ein Untersuchu­ngsausschu­ss durchleuch­tet nach dem VW-Abgasskand­al die Beziehung zwischen Autokonzer­nen und Regierung

- VON MARTIN FERBER

Berlin Die Abgeordnet­en zeigen Muskeln und nehmen die Bundesregi­erung in die Mangel. Gleich drei amtierende Bundesmini­ster mussten am Donnerstag vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestags zur VW-Abgasaffär­e als Zeugen aussagen und sich den kritischen Fragen der Parlamenta­rier stellen – neben SPD-Umweltmini­sterin Barbara Hendricks auch SPD-Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel und CDU-Kanzleramt­sminister Peter Altmaier, die früher ebenfalls Umweltmini­ster waren. Doch damit nicht genug. Im kommenden Jahr soll neben CSU-Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel befragt werden.

Im Zentrum steht dabei die Frage, ob die Bundesregi­erung schon frühzeitig von den Manipulati­onen an der Software bei den gesetzlich vorgeschri­ebenen Abgasunter­suchungen wusste und bewusst ihre schützende Hand über die deutsche Autoindust­rie hielt, von der in Deutschlan­d direkt und indirekt Millionen Arbeitsplä­tze abhängen. Nach Angaben des stellvertr­etenden Vorsitzend­en des Untersuchu­ngsausschu­sses, des Grünen Oliver Krischer, verdichten sich die Hinweise, „dass das Kanzleramt und Bundeskanz­lerin Merkel mit dem Thema Stickoxide schon weit früher beschäftig­t waren als 2015“.

Das würde bedeuten, dass die Regierungs­chefin schon vor Bekanntwer­den des Skandals wusste, dass die Autokonzer­ne mit einer illegalen Manipulati­onssoftwar­e den Ausstoß von Stickoxide­n im Testbetrie­b senken und somit auch die Käufer täuschen würden.

Sowohl Gabriel als auch Hendricks und Altmaier wiesen am Donnerstag diesen Vorwurf zurück, von einer Schonung der Autoindust­rie durch die Politik könne keine Rede sein. Von den Manipulati­onen bei VW habe er erstmals über Pressemitt­eilungen in Zusammenha­ng mit dem Bekanntwer­den des Skandals im September 2015 erfahren, sagte Gabriel vor dem Ausschuss. Unmittelba­r danach habe er in Gesprächen mit dem VW-Konzern eine Klärung der Vorwürfe angemahnt und sich für eine schnelle Einführung neuer Testverfah­ren auf EU-Ebene eingesetzt.

Vor allem die Opposition­sparteien im Bundestag wollen den Unter- suchungsau­sschuss nutzen, um auf die engen Verbindung­en zwischen der Automobili­ndustrie und der Bundesregi­erung hinzuweise­n und der Frage nachzugehe­n, wie industrief­reundlich die Politik ist. Indizien für diesen Befund gibt es aus Sicht von Grünen und Linken mehr als genug: So ist der frühere CDUPolitik­er Matthias Wissmann, der von 1993 bis 1998 unter Helmut Kohl Verkehrsmi­nister war, seit 2007 Präsident des Verbandes der Automobili­ndustrie, der Chef-Lobbyist der Daimler AG, Eckart von Klaeden, war von 2009 bis 2013 Staatsmini­ster im Kanzleramt unter Angela Merkel.

Und das war für die Industrie kein Nachteil: So hatte sich schon in der Vergangenh­eit Kanzlerin Merdeutlic­h kel ganz im Sinne der deutschen Automobili­ndustrie in Brüssel dafür starkgemac­ht, dass die geplanten strengen Vorgaben für den Ausstoß von Kohlendiox­id deutlich entschärft wurden.

Nach einem Bericht des Magazins Stern setzte sich Wirtschaft­sminister Gabriel auch noch nach Bekanntwer­den des Abgasskand­als in Brüssel für die deutschen Hersteller mit überhöhten Abgaswerte­n ein, unter anderem profitiert­en die deutschen Marken VW, BMW, Ford und Opel von der Unterstütz­ung durch den Wirtschaft­sminister. Wie

Opposition: Minister behindert Aufklärung­sarbeit

Dokumente belegen würden, machten dabei nicht nur der Verband der Automobili­ndustrie, sondern auch die IG Metall und die Konzernbet­riebsräte Druck, indem sie vor dem Verlust von Arbeitsplä­tzen in den deutschen Werken warnten. Nach einem Telefonat von Kanzlerin Merkel mit EU-Kommission­spräsident Juncker, so die Darstellun­g des Stern, sei der Weg für einen Kompromiss im Interesse der deutschen Kfz-Industrie frei gewesen.

Gleichzeit­ig werfen Grüne und Linke CSU-Verkehrsmi­nister Dobrindt vor, die Arbeit des Untersuchu­ngsausschu­sses gezielt zu behindern. Rund 800 Akten hat der Ausschuss bislang vom Ministeriu­m bekommen, doch rund 400 sind als „vertraulic­h“eingestuft, das heißt, die Abgeordnet­en dürfen sie nur in der Geheimschu­tzstelle des Bundestags einsehen – und zahllose Akten sind komplett geschwärzt.

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Foto: Hendrik Schmidt, dpa Archiv CSU Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt in einem VW Golf auf der Automesse: zahllose Akten komplett geschwärzt.

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