Die Wissenschaft des Gänsebratens
Science Slam Matthias Mader ist Physiker. Und er tut nichts lieber, als auf der Bühne über sein Fach zu reden. Andere Forscher tun das auch. Jetzt treffen sie sich zur deutschen Meisterschaft
Herr Mader, Sie nehmen am Samstag bei der deutschen Meisterschaft im Science-Slam in Darmstadt teil. Erklären Sie doch kurz, was ein Science Slam überhaupt ist. Matthias Mader: Der Science-Slam ist ein wissenschaftlicher Vortragswettbewerb, bei dem jeder Teilnehmer Zeit hat, dem Publikum in zehn Minuten seine Forschungen in einem bestimmten Sachgebiet näherzubringen. Am Ende bestimmt das Publikum den Sieger.
Und mit welchem Thema treten Sie bei der Meisterschaft an? Mader: Ich bin Physik-Doktorand an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München. Mein Vortrag zeigt, wie man durchsichtige Nanoteilchen sichtbar macht.
Was sind Nanoteilchen? Mader: Das sind Teilchen, die kleiner als etwa ein Mikrometer sind – zum Beispiel ein Draht, der hundertmal dünner ist als ein menschliches Haar. Das ist dann ein Nanofaden. Auch Viren sind Nanoteilchen.
Ist die deutsche Meisterschaft der Hö- hepunkt Ihrer bisherigen SlammerKarriere? Mader: Eigentlich schon. Aber es gibt immer wieder Slams, die allein schon wegen des Veranstaltungsorts spannend sind. In meiner Heimat München zum Beispiel veranstalte ich selber welche im Lustspielhaus, einer der berühmtesten Kabarettbühnen Deutschlands. Dort führt eine wahnsinnig schmale Stahlwendeltreppe auf die Bühne. Wenn man sich vorstellt, dass sich auch schon Ottfried Fischer da hochgequält hat, ist das schon etwas Besonderes.
Die Meisterschaft findet in Darmstadt statt – da, wo der Science Slam 2006 erfunden wurde. Ein würdiger Ort? Mader: Ohne Zweifel. Darmstadt hat schließlich seit 1994 sein eigenes chemisches Element, das Darmstadtium. Physiker der Gesellschaft für Schwerionenforschung haben es entdeckt – genauso wie das Hassium übrigens, dessen Bezeichnung sich vom lateinischen Namen des Bundeslands Hessen ableitet.
Was begeistert Sie so am Konzept des Science Slams? Mader: Ich finde es sehr wichtig, zu berichten, was man als Wissenschaftler in seinem dunklen Keller so macht. Im Alltag ist das schwierig. Gehen Sie mal als Physiker auf eine Party. Man erzählt, was man arbeitet – und das Gespräch ist vorbei. Im besten Fall sagt noch jemand: ,Ach, Physik. Da war ich in der Schule schon schlecht.‘ Das ist ziemlich frustrierend. Beim Science Slam kann man das Publikum mitnehmen und versuchen, sein eigenes Spezialgebiet zu erklären.
Dem Klischee zufolge gelten Physiker nicht gerade als Entertainer. Ist es eine Überwindung, sich aus seinem Labor heraus vor ein Publikum zu wagen? Mader: Es ist tatsächlich oft nicht leicht, Referenten zu gewinnen – egal, aus welcher Wissenschaft sie stammen. Viele haben einfach Angst vor der Bühne. Andere haben die Sorge, dass sie in der Forschung nicht mehr ernst genommen werden. Ich kenne auch wirklich Professoren, die das nicht toll finden.
Wie ist es bei Ihnen an der LMU? Mader: Mein Chef hat anfangs auch gelitten, als ich Elemente aus dem Science Slam in meine Vorträge eingebaut habe und die Nanoteilchen mit Glupschaugen durch die Folien hüpften. Aber erst dadurch haben es selbst viele Forscher verstanden – und mussten nicht nur so tun.
Am Ende jedes Slams kürt das Publikum mit seinem Applaus den Sieger. Aber bleibt bei den Zuschauern auch etwas hängen – können sie das Gehörte vielleicht sogar im Alltag anwenden? Mader: Natürlich gibt es manchmal einen Aha-Effekt. Und in einem meiner Vorträge lernt man, wie man eine Weihnachtsgans richtig brät.
Was hat das mit Physik zu tun? Mader: Für ein Projekt erforschte ich Metallplättchen unter Laserbeschuss. Ob man Plättchen erwärmt oder eine Gans brät, ist im Prinzip dasselbe. Interview: Sarah Ritschel
Matthias Mader, 1987 ge boren, steht seit sechs Jahren auf der Bühne. In Darmstadt misst er sich mit sieben Konkurrenten.