Schwierige Altersschätzung
Ermittlungen II Der junge Flüchtling ist angeblich 17 Jahre alt. Entscheidend für seine Strafe ist, wann er tatsächlich geboren wurde
Freiburg Seit der junge Flüchtling Hussein K. wegen Mordes an einer Studentin unter Verdacht steht, beherrscht vor allem die Frage nach seinem Alter die Diskussion. Denn das entscheidet darüber, ob er nach Jugendstrafrecht verurteilt wird oder nicht. Hier die wichtigsten Antworten zur Altersbestimmung:
Ist der Täter wirklich erst 17?
Ein Gutachten zur Altersbestimmung ist in Auftrag gegeben. Mit welchen Methoden es erstellt wird – noch offen. Neben rein auf den Körper bezogenen biologischen Untersuchungen sind entwicklungspsychologische Einschätzungen sehr wichtig, erklärt Anthropologin Ursula Wittwer-Backofen von der Universitätsklinik Freiburg.
Welche der biologischen Methoden sind die aussichtsreichsten?
Dazu müsse man sich die Merkmale am Menschen anschauen, die sehr eng mit dem kalendarischen Alter verknüpft sind, erklärt die Professorin: „Also verwenden wir radiologische Methoden, die uns etwas über die Skelettreife sagen.“
Was wird dabei gemacht?
Bei diesem Verfahren werden bestimmte Knochen geröntgt. Zum einen ist das der Handwurzelknochen, der vor allem bei mutmaßlich unter 16 Jahre alten Jugendlichen gute Hinweise gibt. Sind die sogenannten Wachstumsfugen auf dem Röntgenbild bereits verschlossen, wäre ein Junge nach Angaben Wittwer-Backofens ungefähr zwischen 16 bis 18. Ein Mädchen wäre, da bei Frauen das Wachstum früher abgeschlossen ist, zwischen 15 und 17. Auch das Gebiss kann untersucht werden. Je nach Ernährungszustand und zahnmedizinischer Versorgung können die Ergebnisse aber sehr unterschiedlich ausfallen. Betrachtet werden etwa der Zustand von Zahnfüllungen oder der Abrieb der Zähne.
Wo liegen die Probleme der einzelnen Verfahren?
Manche Methoden – etwa eine Altersschätzung über die Betrachtung der Geschlechtsmerkmale – sind ethisch umstritten. Andere, wie das Röntgen von Schlüsselbein oder Beckenkamm, sind wegen der hohen Strahlenbelastung nicht wünschenswert. Eine Knochenuntersuchung mithilfe eines sogenannten MRT wäre zu teuer. Jahresringe auf Zahnwurzeln zu betrachten, ist nicht erlaubt: Dafür muss der Zahn gezogen werden. Hinzu kommt: „Vom Altersprozess in anderen Ethnien wissen wir wenig“, gibt Wittwer-Backofen zu bedenken. „Viele Merkmale wurden nur an europäischen Menschen untersucht.“
Sind die Methoden wenigstens einigermaßen genau?
Eine genaue Altersbestimmung ist mit keiner Methode möglich. Alle weisen Bandbreiten von plus minus mindestens einem Jahr auf. „Am erfolgversprechendsten erscheint es“, schreibt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, „mehrere Methoden in einem Stufenverfahren zu kombinieren, um die Schätzgenauigkeit zu erhöhen.“(dpa)