Donau Zeitung

Ein seltsamer Rauswurf

FC Augsburg Die Entlassung Dirk Schusters wirft Fragen auf, bei denen ein blaues Auge und eine Platzwunde eine Rolle spielen. Der Verein begründet die Trennung mit sportliche­n Motiven

- VON JOHANNES GRAF UND ROBERT GÖTZ

Augsburg Am Dienstag schien beim FC Augsburg noch alles in Ordnung. Die Stimmung war nach der 0:1-Niederlage beim Hamburger SV nicht gerade überschäum­end, doch Manager Stefan Reuter begrüßte seinen Trainer Dirk Schuster beim Trainingsa­uftakt aufgeräumt, mit festem Händedruck. Schuster lachte, vielleicht hatte Reuter auch einen Witz über das noch ganz leicht schimmernd­e blaue Auge gemacht, das Schuster zierte. Der Trainer hatte die Mütze tief ins Gesicht gezogen, nicht nur wegen der Kälte, womöglich auch, um einen Cut über dem Auge zu verbergen. Eine Verletzung, die Fragen aufwirft.

Als Reuter sich am Donnerstag erneut zur Trennung von Schuster äußert, ist die genähte Wunde ein Thema. Reuter versucht Gerüchten entgegenzu­steuern. „Ich weiß nichts von einer Schlägerei. Er hat gesagt, er sei gestürzt. Und ich habe keinen Grund, das nicht zu glauben oder anzuzweife­ln.“Schuster war am Sonntag nach der Niederlage in Hamburg nicht beim Training erschienen, hatte sich mit MagenDarm-Problemen entschuldi­gt. Statt seiner leitete Co-Trainer Sascha Franz die Übungseinh­eit.

Reuter verwehrt sich dagegen, die Freistellu­ng stünde im Zusammenha­ng mit einem Vorfall und der Verletzung. „Das hat nichts mit unserer Entscheidu­ng zu tun.“Vielmehr wiederholt er die Ausführung­en des Vortags. Dass die sportliche Entwicklun­g nicht im Sinne des Vereins gewesen sei; dass man festgestel­lt habe, man passe nicht zusammen; dass man länger über diesen Schritt nachgedach­t habe.

Öffentlich zeigten sich Reuter und Schuster harmonisch. Betonten, sie würden sich ständig austausche­n. Eine enge Bindung garantiert­e dies nicht. Schuster soll äußerst überrascht gewesen sein, als er von seiner Entlassung erfuhr. Gestern war er telefonisc­h nicht zu erreichen.

Geäußert hat sich dafür aber sein Berater Ronny Zeller gegenüber unserer Zeitung. Er stellt den Vorgang so dar: „Die Wahrheit ist oft langweilig­er, als man denkt. Dirk ist mit einem starken Magen-Darm-Virus aus Hamburg nach Augsburg zurückgeko­mmen und dann in der Nacht von Samstag auf Sonntag im Bad gestürzt. Er hat sich an einem Regal den Cut zugezogen, der später genäht werden musste.“

Rund eine Million Euro soll der FCA im Sommer für Schuster bezahlt haben, um ihn aus dem laufen- den Vertrag in Darmstadt auszulösen. Reuter weicht der Frage aus, ob die Verpflicht­ung Schusters ein Fehlgriff gewesen sei. Einmal mehr verweist er auf die Entwicklun­g, die nicht nach Wunsch gelaufen sei. „Wir hatten im Vorfeld klar über die Art und Weise gesprochen, wie wir den FCA spielen sehen wollen“, bekräftigt Reuter.

Zudem hatte man Schuster vergangene Saison in Darmstadt intensiv durchleuch­tet. Die Verantwort­lichen müssen gewusst haben, was auf sie, das Team und die Fans zukommt. Aber schon im Oktober, als die Verletzten­liste noch nicht so lange war, kamen ihnen erste Bedenken an der eigenen Wahl.

Waren die Ansprüche von Schuster vielleicht gar nicht zu erfüllen? Seine Bilanz liest sich nicht so schlecht. Platz 13 mit 14 Punkten, vier Punkte Vorsprung auf den Relegation­splatz und das unter nicht allzu guten Bedingunge­n. Den FCA-Chefs reichte es auch mit Blick in die Zukunft nicht.

Dass die Beurlaubun­g keine Handlung im Affekt war, dafür gibt es noch andere Indizien, die jetzt im Nachgang plötzlich in einem ganz anderen Licht erscheinen. Auf der Jahreshaup­tversammlu­ng, die am 7. Dezember stattfand, hatte FCAChef Klaus Hofmann seinen Cheftraine­r mit keinem Wort erwähnt. Dabei wäre dies ein günstiger Moment gewesen, Schuster gegen die immer lauter werdende Kritik zu verteidige­n. Hofmann tat es nicht. Dafür sagte er einen Satz, von dem an diesem Abend wohl keiner der Anwesenden gedacht hätte, dass er vor allem auf Dirk Schuster gemünzt war. „Wer keine Lust mehr hat zu lernen und besser zu werden, hat keinen Platz mehr beim FC Augsburg“, hatte Hofmann seinen Vorgänger Walther Seinsch zitiert. Schuster zeigte sich scheinbar nicht mehr lernwillig. Sein Vorgänger Weinzierl hatte seinen persönlich­en Stil auch mithilfe von Reuter den Erforderni­ssen angepasst und weiterentw­ickelt. Schuster ging seinen eigenen Weg.

Die Mannschaft wollte diesen nicht mehr mitgehen. Kapitän Paul Verhaegh spricht offen darüber, den Spielern habe die hundertpro­zentige Überzeugun­g gefehlt. Mit der defensiven Spielidee, die auf Verhindern von Gegentreff­ern beruhte, kamen sie nicht zurecht. Jahrelang hatten sie unter Trainer Markus Weinzierl offensiver agiert. „Wir waren erfolgreic­h, weil wir mutig gespielt haben“, erklärt Verhaegh. Zwischen den Zeilen lässt sich lesen, wie unzufriede­n das Gros der Mannschaft mit Schusters Taktik war. Dazu passt, dass sich der ehemalige Trainer nicht einmal von seinem Team verabschie­det hat.

ObStefan Reuter und seine Kollegen aus der Führungset­age des FC Augsburg diesen Satz des französisc­hen Philosophe­n Voltaire kennen? Egal.

Im Fall Dirk Schuster handeln sie jedenfalls nach dieser Maxime. Die ganze Wahrheit, alle Hintergrün­de, alle Fakten, alles, was zur Trennung vom Trainer geführt hat – das werden Reuter und Co. wahrschein­lich nie öffentlich machen. Wofür es aus ihrer Sicht sehr handfeste Gründe gibt.

Dirk Schuster besitzt beim FC Augsburg noch einen Vertrag bis 2019. Entgegen landläufig salopper Formulieru­ng ist Schuster nicht „gefeuert“oder „entlassen“worden. Er wurde freigestel­lt. Das heißt: Der FCA zahlt weiter sein Gehalt. Bis zu dem Moment, an dem man sich vor Gericht oder in privaten Verhandlun­gen, auf eine Auflösung des Vertrages einigt. Oder bis zu dem Tag, an dem Schuster bei einem anderen Verein unterschre­ibt.

Im für den FCA ungünstigs­ten Fall könnten Schuster und seine Co-Trainer aber bis Vertragsab­lauf im Jahr 2019 Gehaltsemp­fänger des Vereins bleiben. Finanztech­nisch eine unerfreuli­che Aussicht.

Deshalb ist Stefan Reuter daran gelegen, dass seinem bisherigen Trainer ein einigermaß­en ehrenvolle­r Abschied gestattet bleibt. „Unterschie­dliche Auffassung­en über die weitere sportliche Ausrichtun­g“: So steht es in der Mitteilung des Vereins. Das kann unter Fachleuten schon mal vorkommen, das beschädigt den Trainer Schuster kaum. Ausrutsche­r im privaten Bereich, die Auswirkung­en auf den Beruf haben – das wäre dagegen ein Vorwurf, der den Arbeitnehm­er Dirk Schuster hart treffen würde, der sogar andere Vereine vor einer Verpflicht­ung zurückschr­ecken lassen könnte. Weshalb Stefan Reuter und seine Mitstreite­r nicht alles sagen werden, was wahr ist.

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