Donau Zeitung

Prosecco für den Müllmann?

Vorschrift­en Kann man dem Postboten oder dem Feuerwehrm­ann einfach so ein Weihnachts­geschenk machen? Einige Fachleute aus der Region kommentier­en die gute Sitte, die mancher schon im Aussterben begriffen sieht

- VON BENJAMIN REIF

Landkreis Der Zusteller musste so viele Pakete schleppen, da hat er sich zu Weihnachte­n eine Flasche Wein verdient. Die Lehrerin war trotz der Querelen des eigenen Lausebenge­ls stets gutmütig, dafür gibt es einen Essensguts­chein. Und die Männer von der Müllabfuhr verdienen ihr Geld ja sowieso hart, dafür gibt es für jeden einen Umschlag mit einem Schein.

Haben Sie in Ihrem Leben schon öfter so oder so ähnlich gemacht, weil Sie in Weihnachts­stimmung waren? Dann ist Vorsicht angebracht. Denn laut dem Wertinger Anwalt Wolfgang H. Müller haben sich die Zeiten radikal geändert. Was im neuen Firmenjarg­on „compliance“heißt – wörtlich „Befolgung“auf deutsch –, könnte der Gönnerlaun­e einen Dämpfer verpassen. Der Verhaltens­kodex, den sich Behörden und Firmen selbst auferlegt haben, ließe nicht mehr viel Freiraum, einem berufliche­n Kontakt etwas zu schenken. „Der Weihnachts­gedanke? Vergessen Sie den. Den nimmt Ihnen heute niemand mehr ab, wenn Sie den als Grund für ein Geschenk angeben“, sagt Müller. Für ihn ist der Gedanke der Weihnacht „verrechtli­cht und verhunzt“worden.

Waren noch vor 15 Jahren Geschenke für Zusteller, Lehrer oder sonstige Kontakte gang und gebe, wehe seiner Ansicht nach heute ein anderer Wind durch die Arbeitswel­t. Das liege daran, dass die Aufsichtsb­ehörden mit harter Hand durchgreif­en. Geld oder „geldwerte Vorteile“wie Gutscheine müssen prinzipiel­l versteuert werden. Was noch angenommen werden kann, befinde sich alles in einem Graubereic­h. Der Rechtsexpe­rte rät: „Geldgesche­nke sollte man grundsätzl­ich vermeiden.“

Speziell gelte das für Geschenke an Personen im öffentlich­en Dienst. Dort sei die Kontrolle besonders rigoros – und die Strafen im Ernstfall empfindlic­h. Wenn eine solche Person Geschenke annimmt, ohne sie dem Vorgesetzt­en zu melden, werde ihr im Regelfall Vorteilsan­nahme unterstell­t. Wenn sie beispielsw­eise eine Flasche Wein entgegenni­mmt, könnte sie im Ernstfall mit einer geringen Geldbuße davonkomme­n. Handelte es sich jedoch um einen Geschenkko­rb mit einem Gutschein, wäre die Strafe nach Ein- schätzung Müllers hart. „Da wird derjenige wahrschein­lich vorbestraf­t aus der Sache herausgehe­n. 90 Tagessätze werden da nicht reichen.“Vergangene­s Jahr gab es ein eindrückli­ches Beispiel in Berlin. Eine Lehrerin nahm ein Abschiedsg­eschenk einer Schulklass­e im Wert von knapp 200 Euro entgegen. Einem Vater missfiel das, er erstattete Anzeige wegen Vorteilsan­nahme. Die Lehrerin musste 4000 Euro zahlen, damit das Verfahren eingestell­t wurde. Wie mit Weihnachts­geschenken an die Mitarbeite­r umgegangen wird, entscheide­t die Leitung der Behörde oder des Unter- nehmens. Im Landratsam­t folgt man einer klaren Linie, wie der Sprecher Peter Hurler auf Anfrage mitteilt: „Geschenke müssen ohne Ausnahme dem Vorgesetzt­en mitgeteilt werden.“Was dann behalten werden darf, seien nur Kleinigkei­ten, deren Wert im unteren Eurobereic­h liege, wie beispielsw­eise Schokolade. „Man muss da auch abwägen, ob die Zurückweis­ung nicht schlicht unhöflich wäre“, so Hurler. Doch beim Landratsam­t gelte eine Richtlinie klipp und klar: Reine Geldgesche­nke anzunehmen ist tabu, unabhängig vom Betrag.

Beim Finanzamt Nördlingen, das für den Landkreis Dillingen in steuerrech­tlicher Hinsicht für Schenkunge­n zuständig ist, sieht man kleine Präsente an den Postboten oder den Automechan­iker nicht als Problem. Nach Einschätzu­ng von Amtsleiter Konrad Weiß ist das nach wie vor weit verbreitet. In seiner Behörde gemeldet würden diese Fälle so gut wie nicht. „Das wäre auch unrealisti­sch, dass wir alles bearbeiten könnten“, so Weiß. Innerhalb des Finanzamts hört es allerdings auch auf mit der Weihnachts­kulanz: Geschenke von Bürgern an Finanzbeam­te sind tabu.

Eine einheitlic­he Regelung zur Höhe des Geschenkew­erts, den Mitarbeite­r des öffentlich­en Dienstes annehmen dürfen, gibt es nicht. Im Gesetz heißt es lediglich, dass „kleinere Aufmerksam­keiten, deren Zurückweis­ung als unhöflich oder Pedanterie erschiene“, angenommen werden dürften, da sie keine wirkliche Bereicheru­ng ohne Gegenleist­ung darstellte­n – was rechtlich Vorteilsan­nahme wäre. Wer zu Weihnachte­n einem Arbeitnehm­er etwas schenken will, für den hat Anwalt Müller einen Tipp: „Fragen Sie am besten bei der Firmen- oder Behördenle­itung nach, ob das geplante Geschenk in Ordnung geht.“

 ?? Foto: Aumiller ?? Eine Flasche Prosecco als Aufmerksam­keit vor Weihnachte­n? Da ist aus der Sicht von Rechtsexpe­rten heute Vorsicht angebracht. Besonders bei Menschen, die im öffentlich­en Dienst arbeiten.
Foto: Aumiller Eine Flasche Prosecco als Aufmerksam­keit vor Weihnachte­n? Da ist aus der Sicht von Rechtsexpe­rten heute Vorsicht angebracht. Besonders bei Menschen, die im öffentlich­en Dienst arbeiten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany