Prosecco für den Müllmann?
Vorschriften Kann man dem Postboten oder dem Feuerwehrmann einfach so ein Weihnachtsgeschenk machen? Einige Fachleute aus der Region kommentieren die gute Sitte, die mancher schon im Aussterben begriffen sieht
Landkreis Der Zusteller musste so viele Pakete schleppen, da hat er sich zu Weihnachten eine Flasche Wein verdient. Die Lehrerin war trotz der Querelen des eigenen Lausebengels stets gutmütig, dafür gibt es einen Essensgutschein. Und die Männer von der Müllabfuhr verdienen ihr Geld ja sowieso hart, dafür gibt es für jeden einen Umschlag mit einem Schein.
Haben Sie in Ihrem Leben schon öfter so oder so ähnlich gemacht, weil Sie in Weihnachtsstimmung waren? Dann ist Vorsicht angebracht. Denn laut dem Wertinger Anwalt Wolfgang H. Müller haben sich die Zeiten radikal geändert. Was im neuen Firmenjargon „compliance“heißt – wörtlich „Befolgung“auf deutsch –, könnte der Gönnerlaune einen Dämpfer verpassen. Der Verhaltenskodex, den sich Behörden und Firmen selbst auferlegt haben, ließe nicht mehr viel Freiraum, einem beruflichen Kontakt etwas zu schenken. „Der Weihnachtsgedanke? Vergessen Sie den. Den nimmt Ihnen heute niemand mehr ab, wenn Sie den als Grund für ein Geschenk angeben“, sagt Müller. Für ihn ist der Gedanke der Weihnacht „verrechtlicht und verhunzt“worden.
Waren noch vor 15 Jahren Geschenke für Zusteller, Lehrer oder sonstige Kontakte gang und gebe, wehe seiner Ansicht nach heute ein anderer Wind durch die Arbeitswelt. Das liege daran, dass die Aufsichtsbehörden mit harter Hand durchgreifen. Geld oder „geldwerte Vorteile“wie Gutscheine müssen prinzipiell versteuert werden. Was noch angenommen werden kann, befinde sich alles in einem Graubereich. Der Rechtsexperte rät: „Geldgeschenke sollte man grundsätzlich vermeiden.“
Speziell gelte das für Geschenke an Personen im öffentlichen Dienst. Dort sei die Kontrolle besonders rigoros – und die Strafen im Ernstfall empfindlich. Wenn eine solche Person Geschenke annimmt, ohne sie dem Vorgesetzten zu melden, werde ihr im Regelfall Vorteilsannahme unterstellt. Wenn sie beispielsweise eine Flasche Wein entgegennimmt, könnte sie im Ernstfall mit einer geringen Geldbuße davonkommen. Handelte es sich jedoch um einen Geschenkkorb mit einem Gutschein, wäre die Strafe nach Ein- schätzung Müllers hart. „Da wird derjenige wahrscheinlich vorbestraft aus der Sache herausgehen. 90 Tagessätze werden da nicht reichen.“Vergangenes Jahr gab es ein eindrückliches Beispiel in Berlin. Eine Lehrerin nahm ein Abschiedsgeschenk einer Schulklasse im Wert von knapp 200 Euro entgegen. Einem Vater missfiel das, er erstattete Anzeige wegen Vorteilsannahme. Die Lehrerin musste 4000 Euro zahlen, damit das Verfahren eingestellt wurde. Wie mit Weihnachtsgeschenken an die Mitarbeiter umgegangen wird, entscheidet die Leitung der Behörde oder des Unter- nehmens. Im Landratsamt folgt man einer klaren Linie, wie der Sprecher Peter Hurler auf Anfrage mitteilt: „Geschenke müssen ohne Ausnahme dem Vorgesetzten mitgeteilt werden.“Was dann behalten werden darf, seien nur Kleinigkeiten, deren Wert im unteren Eurobereich liege, wie beispielsweise Schokolade. „Man muss da auch abwägen, ob die Zurückweisung nicht schlicht unhöflich wäre“, so Hurler. Doch beim Landratsamt gelte eine Richtlinie klipp und klar: Reine Geldgeschenke anzunehmen ist tabu, unabhängig vom Betrag.
Beim Finanzamt Nördlingen, das für den Landkreis Dillingen in steuerrechtlicher Hinsicht für Schenkungen zuständig ist, sieht man kleine Präsente an den Postboten oder den Automechaniker nicht als Problem. Nach Einschätzung von Amtsleiter Konrad Weiß ist das nach wie vor weit verbreitet. In seiner Behörde gemeldet würden diese Fälle so gut wie nicht. „Das wäre auch unrealistisch, dass wir alles bearbeiten könnten“, so Weiß. Innerhalb des Finanzamts hört es allerdings auch auf mit der Weihnachtskulanz: Geschenke von Bürgern an Finanzbeamte sind tabu.
Eine einheitliche Regelung zur Höhe des Geschenkewerts, den Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes annehmen dürfen, gibt es nicht. Im Gesetz heißt es lediglich, dass „kleinere Aufmerksamkeiten, deren Zurückweisung als unhöflich oder Pedanterie erschiene“, angenommen werden dürften, da sie keine wirkliche Bereicherung ohne Gegenleistung darstellten – was rechtlich Vorteilsannahme wäre. Wer zu Weihnachten einem Arbeitnehmer etwas schenken will, für den hat Anwalt Müller einen Tipp: „Fragen Sie am besten bei der Firmen- oder Behördenleitung nach, ob das geplante Geschenk in Ordnung geht.“