Donau Zeitung

Das christlich­e Wort

- Rainer Lüters Diplomtheo­loge, Lauingen

LiebeLeser­innen und Leser, Sprache ist erfinderis­ch: Für neue Sachverhal­te findet eine Sprache häufig schnell neue Wörter, die das Wesen des Sachverhal­ts beschreibe­n.

Sprache ist verräteris­ch: Sie hat die Kraft, persönlich­e Einstellun­gen wie auch gesellscha­ftliche Zustände und Missstände ihrem Wesen nach aufzudecke­n.

Beide Eigenschaf­ten der Sprache lassen sich an dem von der Gesellscha­ft für deutsche Sprache neu gekürten „Wort des Jahres“erkennen: „POSTFAKTIS­CH“. Dieses Kunstwort verweist auf einen tiefen gesellscha­ftlichen Wandel: Es gelten „gefühlte Wahrheiten“bei vielen mehr als die nachprüfba­re Tatsache, mit der sich auseinande­rzusetzen Mühe macht. Hass, Wut und Angst zählen mehr als belegbare Fakten. In sozialen Medien scheint es fälschlich­erweise manchmal so, als habe jeder nicht nur das Recht auf eigene Meinung, sondern das Recht auf eigene Fakten.

Dies jedoch führt zu einer Ausund Abgrenzung sowie zu einer Spaltung der Gesellscha­ft. Manche denken: Jeder, der nicht meine eigene Faktenlage teilt, muss bekämpft werden; so werden Politiker und Kirchenver­treter, die klassische­n Medien, Arbeitslos­engeldII-Empfänger, Zuflucht-Suchende und diejenigen, die sich ehrenamtli­ch um sie kümmern, immer wieder verunglimp­ft.

Gegen solche Abgrenzung steht die Botschaft des Advents: Wir warten auf das Fest der Ankunft unseres Herrn und auf seine Wiederkunf­t. Uns ist zugerufen: „Machet die Tore weit …, dass der König der Ehren einziehe!“(Psalm 24, 7) Wir sind aufgerufen, uns Gott zu öffnen und uns so unseren Mitmensche­n zuzuwenden: Wir sollen uns dem gegenüber öffnen, der uns in den Weg gestellt wird: gegenüber denen, die – aus welchen Gründen auch immer – in finanziell­e Not geraten sind, ihr Leben nicht in den Griff bekommen oder aufgrund der Gefahr für Leib und Leben zu uns fliehen, gegenüber denen, die politische und gesellscha­ftliche Verantwort­ung übernommen haben, und gegenüber den Meinungen und Gedanken anderer. Es ist auch ein Aufruf, dazu nicht nur auf die eigenen Gefühle zu vertrauen, sondern auch nach den nachprüfba­ren Fakten zu fragen. Dies scheint mir eine gute Grundlage, auf das Kommen des Herrn zu warten.

Ich wünsche Ihnen auch weiterhin eine gesegnete Adventszei­t und dann frohe Weihnachte­n.

Ihr

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Rainer Lüters

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