Das christliche Wort
LiebeLeserinnen und Leser, Sprache ist erfinderisch: Für neue Sachverhalte findet eine Sprache häufig schnell neue Wörter, die das Wesen des Sachverhalts beschreiben.
Sprache ist verräterisch: Sie hat die Kraft, persönliche Einstellungen wie auch gesellschaftliche Zustände und Missstände ihrem Wesen nach aufzudecken.
Beide Eigenschaften der Sprache lassen sich an dem von der Gesellschaft für deutsche Sprache neu gekürten „Wort des Jahres“erkennen: „POSTFAKTISCH“. Dieses Kunstwort verweist auf einen tiefen gesellschaftlichen Wandel: Es gelten „gefühlte Wahrheiten“bei vielen mehr als die nachprüfbare Tatsache, mit der sich auseinanderzusetzen Mühe macht. Hass, Wut und Angst zählen mehr als belegbare Fakten. In sozialen Medien scheint es fälschlicherweise manchmal so, als habe jeder nicht nur das Recht auf eigene Meinung, sondern das Recht auf eigene Fakten.
Dies jedoch führt zu einer Ausund Abgrenzung sowie zu einer Spaltung der Gesellschaft. Manche denken: Jeder, der nicht meine eigene Faktenlage teilt, muss bekämpft werden; so werden Politiker und Kirchenvertreter, die klassischen Medien, ArbeitslosengeldII-Empfänger, Zuflucht-Suchende und diejenigen, die sich ehrenamtlich um sie kümmern, immer wieder verunglimpft.
Gegen solche Abgrenzung steht die Botschaft des Advents: Wir warten auf das Fest der Ankunft unseres Herrn und auf seine Wiederkunft. Uns ist zugerufen: „Machet die Tore weit …, dass der König der Ehren einziehe!“(Psalm 24, 7) Wir sind aufgerufen, uns Gott zu öffnen und uns so unseren Mitmenschen zuzuwenden: Wir sollen uns dem gegenüber öffnen, der uns in den Weg gestellt wird: gegenüber denen, die – aus welchen Gründen auch immer – in finanzielle Not geraten sind, ihr Leben nicht in den Griff bekommen oder aufgrund der Gefahr für Leib und Leben zu uns fliehen, gegenüber denen, die politische und gesellschaftliche Verantwortung übernommen haben, und gegenüber den Meinungen und Gedanken anderer. Es ist auch ein Aufruf, dazu nicht nur auf die eigenen Gefühle zu vertrauen, sondern auch nach den nachprüfbaren Fakten zu fragen. Dies scheint mir eine gute Grundlage, auf das Kommen des Herrn zu warten.
Ich wünsche Ihnen auch weiterhin eine gesegnete Adventszeit und dann frohe Weihnachten.
Ihr