Kanzlerin schweigt zum Fall Freiburg
Justiz Nach dem mutmaßlich von einem Flüchtling begangenen Mord streiten Berlin und Athen hinter den Kulissen über Schuldfragen. Wird das Alter von Asylbewerbern bald medizinisch geprüft werden?
Berlin Einträchtig wehen die Flaggen Griechenlands und Deutschlands nebeneinander vor dem Berliner Kanzleramt im leichten Wind, gemeinsam vermitteln das WeißBlau und das Schwarz-Rot-Gold ein Bild der Harmonie. Alexis Tsipras, der griechische Ministerpräsident, legt auf dem Rückflug vom EUGipfel in Brüssel einen Zwischenstopp in Berlin ein, um sich mit Kanzlerin Angela Merkel auszutauschen. Bei ihrem kurzen gemeinsamen Auftritt vor der Presse loben beide die deutsch-griechischen Beziehungen und das gegenseitige Vertrauen. Die Gespräche, sagt Merkel, seien nicht immer einfach, „aber aufrichtig und ehrlich“. Kein Wort verlieren die beiden jedoch zum Fall Freiburg.
Der Mord an der 19-jährigen Studentin Maria L. in Freiburg durch einen Flüchtling aus Afghanistan, der sich bei seiner Einreise nach Deutschland im November vergangenen Jahres als minderjährig ausgab, belastet in diesen Tagen das Verhältnis zwischen Berlin und Athen. Denn der Mann war bereits in Griechenland zu zehn Jahren Haft verurteilt worden, weil er im Mai 2013 auf Korfu eine Studentin überfiel und eine Klippe hinunterstieß.
Doch schon nach knapp zweieinhalb Jahren kam er nach einer Amnestie vorzeitig frei und entzog sich der Auflage, sich regelmäßig bei der Polizei zu melden, durch seine Flucht. Die griechischen Sicherheitsbehörden schrieben ihn darauf zur Fahndung aus – allerdings nur national, nicht international. Bundesinnenminister Thomas de Maizière nannte dies „einen sehr ärgerlichen Vorgang“.
Doch die griechischen Ministerien für Justiz und Zivilschutz weisen die Vorwürfe aus Berlin zurück. Sowohl die Fingerabdrücke als auch die Personalien des mutmaßlichen Täters seien im Jahr 2013 in die EU- Datenbank „Eurodac“eingespeist worden. „Diese Daten waren allen europäischen Sicherheitsbehörden zugänglich.“
Aus griechischen Justizkreisen hieß es, das Athener Polizeikommissariat, bei dem sich der Mann alle zwei Wochen melden sollte, habe nach dessen Verschwinden die Staatsanwaltschaft unterrichtet. Diese habe daraufhin Interpol informiert, wobei dies möglicherweise zu spät geschehen sei.
In Deutschland löst der Fall eine Debatte über den Umgang mit unbegleiteten Minderjährigen aus. Der Afghane gab bei seiner Einreise an, jünger als 18 Jahre zu sein, obwohl er in Griechenland ein Dokument mit dem Geburtsdatum 1. Januar 1996 vorgelegt hatte, er wäre demnach fast 20 Jahre alt gewesen.
Der baden-württembergische CDU-Innenminister Thomas Strobl fordert als Konsequenz, unbegleitete Minderjährige notfalls medizinisch zu untersuchen, um auf diese Weise ihr Alter festzustellen. „Wir gewähren ihnen Rechte, die nur ihnen zustehen – und deshalb müssen wir mit mehr Sorgfalt schauen, wer minderjährig ist und wer nicht“, sagte er. „Das geht hin bis zu einer standardmäßigen Röntgenuntersuchung des Handwurzelknochens.“
Strobl spielt dabei auf Berichte aus Dänemark an: Das Forensische Institut der Universität Kopenhagen hatte mit ähnlichen Tests festgestellt, dass bei 800 getesteten Zweifelsfällen angeblich minderjährige Flüchtlinge in Wirklichkeit 600 Betroffene bereits über 18 waren, berichtete die Zeitung Jyllands-Posten. Viele Flüchtlinge würden keine Pässe mit sich führen, sagt Strobl, „und in vielen Fällen können wir uns leider auch nicht auf die Altersangabe verlassen“. (mit dpa)
In Dänemark waren sehr viele Alterszweifel berechtigt