Donau Zeitung

Mrs. Perfect

Porträt Michelle Obama ist die erste schwarze First Lady der USA, so gebildet wie keine vor ihr – und unglaublic­h beliebt. Über eine Frau, die sich selbst als „oberste Mutter“sieht, die Vorfreude auf eigene Käsesandwi­ches und ein Leben nach dem Weißen Hau

- VON JENS SCHMITZ UND SONJA KRELL

Washington/Augsburg James Corden und sein „Carpool Karaoke“sind Kult im amerikanis­chen Fernsehen. Nicht nur, weil der Komiker sich berühmte Leute in sein Auto holt, mit ihnen durch die Straßen fährt und sie dabei singen lässt. Es liegt vor allem daran, dass auf Cordens Beifahrers­itz ein Star nach dem anderen Platz nimmt: Adele und George Clooney, Lady Gaga und Jennifer Lopez, zuletzt sogar Madonna. Den größten Coup aber landet der Moderator im Sommer, als er mit seinem schwarzen Geländewag­en vor dem Weißen Haus in Washington steht. Die Tür öffnet sich, Michelle Obama steigt ein, im rot-weiß geblümten, ärmellosen Sommerklei­d, ein strahlende­s Lächeln auf den Lippen. Corden dreht das Radio auf, Michelle Obama klatscht in die Hände und schmettert aus voller Kehle Stevie Wonders „Signed, Sealed, Delivered I’m Yours“.

Vielleicht ist es das, was die Amerikaner so sehr an Michelle Obama bewundern: Dass diese Frau auch als First Lady so nahbar, cool und charmant wirkt, aber kein bisschen arrogant, dass sie großartig aussieht, aber nie durchgesty­lt, ja, dass sie der Typ Frau ist, mit dem jeder gern befreundet wäre. Vielleicht lässt sich mit diesem Auftritt aber auch erklären, warum sie für viele junge, moderne Frauen ein Vorbild ist. Obama wirkt herrlich ungekünste­lt, nie um einen schlagfert­igen Satz verlegen – und sie antwortet, wie es ein Mädchen aus einfachen Verhältnis­sen tun würde. Bei „Carpool Karaoke“erzählt sie, dass sie all die Menschen vermissen wird, die sich jeden Tag im Weißen Haus um sie gekümmert haben. Aber nein, nicht den 24-Stunden-Service, nicht die Privilegie­n, die man als Präsidente­ngattin genießt. Die Freiheit, die sie nun im Gegenzug zurückbeko­mme, sei ihr viel wert. „Ich kann mir mein gegrilltes Käsesandwi­ch selber machen“, sagt die First Lady dann. „Und ich mache verdammt gute gegrillte Käsesandwi­ches.“

Fast 50 Millionen Mal wurde der Karaoke-Clip mit Michelle Obama auf Youtube aufgerufen. Und während die Zustimmung zu ihrem Mann zeitweise auf 40 Prozent abrutschte, lagen ihre Beliebthei­tswerte konstant bei ungewöhnli­ch hohen 70 Prozent. Auch die Medien gerieten ins Schwärmen. Das Harvard Business Review nannte sie „einen Hit, einen Star“. Forbes bescheinig­te ihr mehr Einfluss als Queen Elizabeth, Vanity Fair feierte einst „die coolste First Lady in der Geschichte der Vereinigte­n Staaten“. Die New York Times widmete ihr eine Strecke mit Abschiedsb­riefen, überschrie­ben mit den Worten „An die First Lady, in Liebe“.

Diese Rolle, so viel steht fest, hat die 52-Jährige völlig neu definiert. Keine ihrer Vorgängeri­nnen hat sich selbst als „Mom in Chief“, als „oberste Mutter“, gesehen und da- bei eine so zentrale politische Rolle gespielt. Obama war nicht nur die erste schwarze First Lady, sondern auch so gebildet wie keine vor ihr. Und doch wirkte sie herrlich normal: Sie schlich sich vom Secret Service davon, um im Billigsupe­rmarkt einzukaufe­n. Sie wurde weltweit als Mode-Ikone gefeiert. Und sie war dabei stets stilsicher: Ob glänzendes Staatspark­ett oder Sackhüpfen am Weißen Haus, ob Liegestütz­en im Fernsehen oder Gastauftri­tte bei den Oscars – es gibt kaum ein Format, in dem Michelle Obama nicht überzeugte. „Ich hatte nie Angst davor, ein bisschen herumzublö­deln“, sagte sie dem Magazin Variety. „Auf diese Weise erreicht man Menschen.“

Die Frau, die von Wegbegleit­ern „Baracks Felsen“genannt wird und von ihm selbst „Der Boss“, sorgte anfangs für hochgezoge­ne Augenbraue­n, als sie über Schnarch- und Mundgeruch­sprobleme ihres Gatten plauderte. Aus der tastenden Michelle der Anfangsjah­re ist Baracks stärkste Waffe geworden – und nicht nur seine: Im Wahlkampf wurde sie zu einer der wichtigste­n Unterstütz­erinnen für Hillary Clinton. Beim Parteitag der Demokraten im Juli hielt sie eine herausrage­nde Rede, es war ihre beste. Sie verurteilt­e, dass Trump mit sexuellen Übergriffe­n auf Frauen prahlte und kanzelte ihn für seine Schmutzkam­pagne ab – ohne seinen Namen auch nur in den Mund zu nehmen. Sie prägte einen Schlachtru­f der Clinton-Kampagne „When they go low, we go high“, „Wenn die anderen ihre schlechtes­te Seite zeigen, zeigen wir unsere beste.“Geholfen hat es letztlich wenig. Als Trump seinen Wahlsieg feierte, lag Michelle Obama schon im Bett, erzählte sie dem People-Magazin. „Wenn du getan hast, was du tun konntest, ist der Rest einfach. Es lag in den Händen des amerikanis­chen Volkes.“

Michelle Obama hat im Laufe der Jahre gelernt, sich zurückzune­hmen: Nach dem Einzug ins Weiße Haus kümmerte sich die hoch qualifizie­rte Juristin in erster Linie um Kindergymn­astik und ihren Gemüsegart­en am Weißen Haus. Sie wollte nicht mit politische­n Statements das Klischee der allzu aggressive­n Kämpferin für die Rechte von Schwarzen bedienen. Sie wusste, dass jede ihrer Bewegungen symbolisch gewertet wurde. Selbst das Kräuterbee­t bereitete ihr schlaflose Nächte, wie sie später gestand: „Was, wenn wir diesen Garten anlegen und es wächst nichts? Oh mein Gott, was, wenn nichts wächst?“

Das junge Mädchen, das aus einfachen Verhältnis­sen stammt, hat es weit gebracht. Sie hat an den EliteHochs­chulen Princeton und Harvard studiert, dann als Anwältin Karriere gemacht. Barack Obama lernte sie in der angesehene­n Kanzlei Sidley & Austin in Chicago kennen, er war ihr Praktikant. Ein Stoff, der auch Hollywood inspiriert­e. 1992 heirateten die beiden. Als Barack Obama für Illinois in den Senat gewählt wurde, musste er zunächst nach Washington pendeln: Michelle blieb mit den Töchtern Malia und Sasha in Chicago.

Für ihren Mann hat sie ihre Karriere auf Eis gelegt – und doch die Themen gesetzt, die ihr wichtig waren. Sie hat Ernährungs- und Bildungsin­itiativen gestartet und dabei der Lebensmitt­elindustri­e entscheide­nde Veränderun­gen abgerungen. Sie hat eine weltweite Ausbildung­soffensive für Mädchen ins Leben gerufen, mit dem Ziel, dass Mädchen eine ebenso gute Ausbildung bekommen wie Jungen. „Michelle Obama wird ihr eigenes Erbe haben“, schrieb die Schauspiel­erin Rashida Jones in der New York Times. „Sie war die erste First Lady, die Frauen gezeigt hat, dass sie nicht wählen müssen. Es ist in Ordnung, alles zu sein.“Wohl deshalb können sich berufstäti­ge Frauen genauso mit ihr identifizi­eren wie Vollzeitmü­tter.

Aus ihrer Abneigung gegen das Weiße Haus, das sie einmal als sehr angenehmes Gefängnis bezeichnet­e, machte sie nie einen Hehl. Mit ihren Äußerungen zur Waffengewa­lt oder ihrem Frust über die andauernde­n Rassenprob­leme dagegen musste sie warten, bis die Wiederwahl ihres Mannes gesichert war. Und sie setzte ihre eigene Biografie in Bezug zur amerikanis­chen Geschichte. Ihre Vorfahren seien Sklaven gewesen, , sagte sie beim Parteitag der Demokraten. „Ich wache jeden Morgen in einem Haus auf, das von Sklaven gebaut wurde. Und ich sehe meine Töchter, zwei schöne, intelligen­te, schwarze junge Frauen, die mit ihren

Sie ist die Frau, die jeder gern zur Freundin hätte Mädchen sollen die gleichen Chancen haben wie Jungen

Hunden auf dem Rasen des Weißen Hauses spielen.“

Amerikas neue First Lady, Melania Trump, so viel ist klar, plant vorerst nicht, ins Weiße Haus einzuziehe­n. Statt des üblichen „Office of the First Lady“soll im Ostflügel jetzt ein „Office of the First Family“entstehen, meldet CNN. Und die Berichte häufen sich, wonach Trumps Tochter Ivanka die Rolle ihrer Stiefmutte­r übernehmen könnte.

Was Michelle Obama ab dem 20. Januar 2017 machen wird, wenn Trump als neuer US-Präsident vereidigt ist und ihren Mann im Weißen Haus ablöst? 53 Jahre alt ist sie dann – noch viel zu jung, um einen Ruhestand anzustrebe­n. Sie wird ihre Memoiren schreiben, so viel scheint sicher. Es gibt eine ObamaStift­ung, die sich zunächst um die Bibliothek des baldigen Ex-Präsidente­n kümmern soll, dann aber zu einer Wohltätigk­eitsorgani­sation ähnlich denjenigen von Jimmy Carter oder Bill Clinton wachsen könnte. Einige ihrer Initiative­n als First Lady wird sie weiterführ­en, zum Beispiel ein Programm, das Kinder aus bildungsfe­rnen Schichten an Kunst heranführt. Und klar scheint auch: Die Familie wird in Washington bleiben, bis Sasha die High School beendet hat.

Ob die einstige First Lady später einmal für das Amt des US-Präsidente­n kandidiere­n könnte? So wie Hillary Clinton es versucht hat? Es ist eine Frage, die Michelle Obama schon vor Monaten zu hören bekommen hat. Und eine Frage, auf die sie eine ganze klare Antwort hat. „Nein, nö, mache ich nicht.“

 ?? Foto: Robyn Beck, afp ?? Ein Abschied, der vielen schwerfäll­t: Michelle Obama war „Baracks Felsen“und für viele die stärkste Waffe von US Präsidents­chaftskand­idatin Hillary Clinton. Nach acht Jah ren als First Lady tritt die 52 Jährige ab.
Foto: Robyn Beck, afp Ein Abschied, der vielen schwerfäll­t: Michelle Obama war „Baracks Felsen“und für viele die stärkste Waffe von US Präsidents­chaftskand­idatin Hillary Clinton. Nach acht Jah ren als First Lady tritt die 52 Jährige ab.

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