Nur ein Bruchteil der Flüchtlinge hat Arbeit
Integration Bundesweit sind 160 000 Asylbewerber als arbeitslos erfasst. Warum die Suche nach einer Stelle für viele schwierig ist
Augsburg Die Integration der geflüchteten Menschen am deutschen Arbeitsmarkt steht noch ganz am Anfang. Und sie dauert länger, als es viele erwartet haben. Dies betonen die beiden bayerischen Arbeitsmarktexperten Steffen Sirries und Jürgen Wursthorn.
Sirries, der am Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) arbeitet, kann aus Erfahrung sagen, dass 50 Prozent der Flüchtlinge erst nach etwa fünf Jahren beruflich Fuß fassen. Bundesweit waren bei den Arbeitsagenturen und Jobcentern nach Berechnungen des IAB im November 406 000 Flüchtlinge als arbeitsuchend gemeldet. Viele von ihnen hätten aber noch keinen Asylantrag gestellt oder befinden sich in sogenannten Maßnahmen wie Sprachkurse. 160000 von ihnen sind dagegen als arbeitslos erfasst. Und etwa 34000 aus den acht wichtigsten nichteuropäischen Asylherkunftsländern hätten es seit Dezember 2015 geschafft und arbeiten.
Allein nach Bayern waren in diesem Jahr von Januar bis November nach Zahlen des Arbeitsministeriums 152 241 Asylsuchende eingereist. Aktuell seien etwa 134 000 im Freistaat untergebracht. Bayerns Arbeitsagenturen und Jobcenter meldeten Ende November 14 593 arbeitslose Flüchtlinge.
Jürgen Wursthorn, Sprecher der Regionaldirektion Bayern, ist mit der Integrationsentwicklung zufrieden. Er verweist vor allem auf die steigende Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten unter den Flüchtlingen. Es seien vor allem kleine und mittlere Unternehmen, die Asylsuchenden Berufschancen geben. Dazu zählen allen voran Firmen in den Dienstleistungsbranchen, etwa bei der Gebäudereinigung und Kurierdiensten. Aber auch das Handwerk nennt Wursthorn als engagierte Arbeitgeber von geflüchteten Menschen. Dabei haben viele Handwerksbetriebe mit bürokratischen Hürden zu kämpfen. Darauf verweist Ulrich Wagner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Schwaben. Er sieht zwar weiter die positive Einstellung vieler Betriebe, „die Unternehmen müssen allerdings die Sicherheit haben, dass ihre Mitarbeiter nicht über Nacht abgeschoben werden“. Und nicht nur die Firmen benötigen dringend diese Sicherheit, betont Josefine Steiger von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwaben, „sondern auch die Menschen“.
Die Sicherheit ist ein Aspekt, auf den die Unternehmen drängen. Aber auch ohne Investitionen wird die Integration am Arbeitsmarkt nicht gelingen. Davon ist Joachim Möller, Direktor des IAB, überzeugt. Sein Kollege Sirries sieht Deutschland hier mit den vielen Programmen gut aufgestellt: „Wir wissen aus Befragungen, dass die Programme effizient sind und keineswegs Geld verschleudern.“Dass vor allem kleine und mittlere Unternehmen Flüchtlinge einstellen und Konzerne eher zurückhaltend reagieren, bereitet Sirries dagegen keine Sorge: „Die großen Arbeitgeber sind ja auch die kleinen und mittleren Unternehmen.“Ihre Einstellungsverfahren sind seiner Ansicht nach oft weniger standardisiert, was Asylsuchenden den Start erleichtere. Formale Bildungs- und Berufsabschlüsse fehlten vielen.
Nicht übersehen werden darf bei der Bilanz der Integration am Arbeitsmarkt, dass durch die Migration auch viele neue Jobs entstanden sind. Dies betont IAB-Chef Möller: „Wir rechnen mit einer Größenordnung im mittleren fünfstelligen Bereich, mit etwa 50000 oder 60000.“Als Beispiele nennt er das Bau- und Wachgewerbe, aber auch außerschulische Lehrtätigkeiten und Stellen in der öffentlichen Verwaltung. Auch künftig sind seiner Einschätzung nach Sprachlehrer, Sozialarbeiter und Erzieher nötig. (mit dpa)