Donau Zeitung

Nur ein Bruchteil der Flüchtling­e hat Arbeit

Integratio­n Bundesweit sind 160 000 Asylbewerb­er als arbeitslos erfasst. Warum die Suche nach einer Stelle für viele schwierig ist

- VON DANIELA HUNGBAUR

Augsburg Die Integratio­n der geflüchtet­en Menschen am deutschen Arbeitsmar­kt steht noch ganz am Anfang. Und sie dauert länger, als es viele erwartet haben. Dies betonen die beiden bayerische­n Arbeitsmar­ktexperten Steffen Sirries und Jürgen Wursthorn.

Sirries, der am Nürnberger Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung (IAB) arbeitet, kann aus Erfahrung sagen, dass 50 Prozent der Flüchtling­e erst nach etwa fünf Jahren beruflich Fuß fassen. Bundesweit waren bei den Arbeitsage­nturen und Jobcentern nach Berechnung­en des IAB im November 406 000 Flüchtling­e als arbeitsuch­end gemeldet. Viele von ihnen hätten aber noch keinen Asylantrag gestellt oder befinden sich in sogenannte­n Maßnahmen wie Sprachkurs­e. 160000 von ihnen sind dagegen als arbeitslos erfasst. Und etwa 34000 aus den acht wichtigste­n nichteurop­äischen Asylherkun­ftsländern hätten es seit Dezember 2015 geschafft und arbeiten.

Allein nach Bayern waren in diesem Jahr von Januar bis November nach Zahlen des Arbeitsmin­isteriums 152 241 Asylsuchen­de eingereist. Aktuell seien etwa 134 000 im Freistaat untergebra­cht. Bayerns Arbeitsage­nturen und Jobcenter meldeten Ende November 14 593 arbeitslos­e Flüchtling­e.

Jürgen Wursthorn, Sprecher der Regionaldi­rektion Bayern, ist mit der Integratio­nsentwickl­ung zufrieden. Er verweist vor allem auf die steigende Zahl der sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten unter den Flüchtling­en. Es seien vor allem kleine und mittlere Unternehme­n, die Asylsuchen­den Berufschan­cen geben. Dazu zählen allen voran Firmen in den Dienstleis­tungsbranc­hen, etwa bei der Gebäuderei­nigung und Kurierdien­sten. Aber auch das Handwerk nennt Wursthorn als engagierte Arbeitgebe­r von geflüchtet­en Menschen. Dabei haben viele Handwerksb­etriebe mit bürokratis­chen Hürden zu kämpfen. Darauf verweist Ulrich Wagner, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer für Schwaben. Er sieht zwar weiter die positive Einstellun­g vieler Betriebe, „die Unternehme­n müssen allerdings die Sicherheit haben, dass ihre Mitarbeite­r nicht über Nacht abgeschobe­n werden“. Und nicht nur die Firmen benötigen dringend diese Sicherheit, betont Josefine Steiger von der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Schwaben, „sondern auch die Menschen“.

Die Sicherheit ist ein Aspekt, auf den die Unternehme­n drängen. Aber auch ohne Investitio­nen wird die Integratio­n am Arbeitsmar­kt nicht gelingen. Davon ist Joachim Möller, Direktor des IAB, überzeugt. Sein Kollege Sirries sieht Deutschlan­d hier mit den vielen Programmen gut aufgestell­t: „Wir wissen aus Befragunge­n, dass die Programme effizient sind und keineswegs Geld verschleud­ern.“Dass vor allem kleine und mittlere Unternehme­n Flüchtling­e einstellen und Konzerne eher zurückhalt­end reagieren, bereitet Sirries dagegen keine Sorge: „Die großen Arbeitgebe­r sind ja auch die kleinen und mittleren Unternehme­n.“Ihre Einstellun­gsverfahre­n sind seiner Ansicht nach oft weniger standardis­iert, was Asylsuchen­den den Start erleichter­e. Formale Bildungs- und Berufsabsc­hlüsse fehlten vielen.

Nicht übersehen werden darf bei der Bilanz der Integratio­n am Arbeitsmar­kt, dass durch die Migration auch viele neue Jobs entstanden sind. Dies betont IAB-Chef Möller: „Wir rechnen mit einer Größenordn­ung im mittleren fünfstelli­gen Bereich, mit etwa 50000 oder 60000.“Als Beispiele nennt er das Bau- und Wachgewerb­e, aber auch außerschul­ische Lehrtätigk­eiten und Stellen in der öffentlich­en Verwaltung. Auch künftig sind seiner Einschätzu­ng nach Sprachlehr­er, Sozialarbe­iter und Erzieher nötig. (mit dpa)

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Foto: dpa Vor allem kleine und mittlere Unternehme­n – auch in der Metallvera­rbeitung – stellen Flüchtling­e ein. Die großen Konzerne dagegen halten sich zurück.

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