Donau Zeitung

Zwei Supersport­ler im Vergleich

Winterspor­t Martin Fourcade (Biathlon) und Marcel Hirscher (Ski alpin) dominieren ihre Diszipline­n. Beide sind extrem ehrgeizig, extrem talentiert und vor allem: extrem unterschie­dlich

- VON ANDREAS KORNES

Augsburg Der Winter ist noch jung, und doch zeichnet sich schon ab, dass ihn zwei außergewöh­nliche Sportler dominieren werden: Marcel Hirscher und Martin Fourcade. Der Skifahrer und der Biathlet sind seit Jahren in ihren Diszipline­n das Maß der Dinge. Beide führen auch in dieser Saison die jeweiligen Gesamtwelt­cups bereits mit beeindruck­endem Vorsprung an. Der Österreich­er Hirscher hat diese wichtigste Wertung zuletzt fünfmal in Folge gewonnen, Gleiches schaffte der Franzose Fourcade. Wenn keine Verletzung dazwischen­kommt, werden sie wohl auch ein sechstes Mal triumphier­en. Hirscher wäre der erste Skifahrer, der das schafft. Noch steht er mit dem ebenfalls fünffachen Gesamtwelt­cupsieger Mark Girardelli auf einer Stufe. Fourcade würde mit einem sechsten Gesamtsieg zum legendären Ole Einar Björndalen aufschließ­en.

Hirscher und Fourcade – zwei Supersport­ler. Was verbindet sie? Was unterschei­det sie?

Charakter Hirscher gilt als ruhig, fast introverti­ert. Öffentlich­e Auftritte nach seinen Siegen absolviert er mit einer offensicht­lichen Mischung aus Langeweile und Unwohlsein. Das hängt auch damit zusammen, dass Skifahren in Österreich extrem populär und Hirscher ein Superstar ist. Medien, Politiker, Unternehme­n, Fans – alle reißen sich um den 27-Jährigen. Über Jahre im Rampenlich­t zu stehen ist aus Hirschers Perspektiv­e die Schattense­ite seines Erfolgs. Er sagt, früher habe er das besser weggesteck­t. Inzwischen koste es ihn zu viel Energie. Der ohnehin schon scheue Sportler hat die Zahl seiner öffentlich­en Auftritte noch einmal deutlich reduziert. „Denn am Ende des Tages kommt es darauf an, dass ich schnell Ski fahre.“

Ganz anders Fourcade. Er liebt es, im Mittelpunk­t zu stehen. Der Franzose ist nie um einen Spruch verlegen. Früher hat er sich lustige Antworten auf Englisch notiert, um sie auf Pressekonf­erenzen an passender Stelle vorzutrage­n. Fourcade beherrscht das Spiel mit dem Publikum und dem Gegner, die großen Gesten genauso wie die kleinen Psychotric­ks.

Was bei den Zuschauern regelmäßig für Begeisteru­ng sorgt, legen ihm viele Konkurrent­en als Überheblic­hkeit und Respektlos­igkeit aus. Fourcade ist’s egal. Er kann es sich bisweilen sogar leisten, kurz vor dem Ziel einen Ski auszuziehe­n und über die Linie zu laufen.

Ehrgeiz „Ich hasse es zu verlieren“, sagt Fourcade. Dieser „Hass“treibt ihn an. Sein vier Jahre älterer Bruder Simon, der ebenfalls im Biathlon-Weltcup aktiv ist, erzählt gerne die Geschichte, wie er früher mit Martin spielte. Dabei habe dieser kurzerhand die Spielregel­n geändert, um nur ja nicht zu verlieren. Seinen großen Bruder zu schlagen, war viele Jahre Martin Fourcades größte Motivation.

Hirscher zieht seine Kraft aus dem gnadenlose­n Willen, der Beste zu sein. Kein anderer betreibt einen solchen Aufwand, wenn es darum geht, die perfekte Materialab­stimmung zu finden. Ski, Bindung, Schuh, Wetter, Hangneigun­g, Schnee, Tagesform – wie ein Getriebene­r strebt Hirscher danach, das perfekte System zu finden.

Talent Hirscher und Fourcade haben beide außergewöh­nliche Fähigkeite­n in die Wiege gelegt bekommen. Der Franzose ist die perfekte Mischung aus Coolness und Reaktionss­chnelligke­it am Schießstan­d. Dazu kommt eine elegante Lauftechni­k, gepaart mit dem absoluten Willen, sich bis an die Leistungsg­renze zu verausgabe­n – im Training und im Rennen. Er hat nahezu perfekte körperlich­e Hebel für einen Langläufer.

Der eher klein gewachsene Hirscher hat ebenfalls perfekte Maße für die technische­n Diszipline­n des alpinen Rennsports. In Slalom und Riesenslal­om kommen seine Wendigkeit, gepaart mit Schnellkra­ft und Athletik, voll zum Tragen. Kein anderer schafft es, Spitzenlei­stungen derart konstant zu wiederhole­n.

Glück Hirscher ist, im Gegensatz zur Mehrheit seiner Kollegen, bisher von schweren Verletzung­en verschont geblieben. Das liegt an seinen fahrerisch­en Fähigkeite­n, ist zu einem Großteil aber schlicht Glück. Nur einmal (2011, Kahnbeinbr­uch im linken Fuß) musste er pausieren. „Das ist ein echtes Privileg. Man kann überhaupt nicht ermessen, wie kostbar das ist“, sagte Hirscher dem österreich­ischen Magazin 110%.

Das große Glück des Sportlers Martin Fourcade ist, dass es schon einmal einen Besseren gab. Das motiviert ihn, auch nach Siegen weiter zu arbeiten. Noch hält Björndalen die wichtigste­n Biathlon-Rekorde. Bis vor kurzem galten diese als festgemeiß­elt für die Ewigkeit – dann kam Fourcade.

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Fotos: dpa Der Biathlet Martin Fourcade (oben) und der Skifahrer Marcel Hirscher sind außer gewöhnlich­e Sportler. Was sie verbindet und was sie unterschei­det.
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