Lass dich nieder in der Welt des Geistes!
Neueröffnung Die Monacensia ist Münchens Schriftstellerarchiv, berühmt für seine Schätze rund um die Familie Mann. Das Haus wurde aufwendig saniert – und ist nun ein Muss für alle, die sich fürs literarische Leben nach 1900 interessieren
München Vom gar nicht fernen hektischen Getriebe der Münchner Innenstadt ist es ein wunderbarer Rückzugsort. Unweit des Friedensengels, in Bogenhausen, unmittelbar am Isarhochufer, tritt man ein in eine Welt der Bücher und des Geistes. Wenn Heinrich Manns Satz, er lebe deshalb so gerne in München, „weil die Stadt eine heitere und hübsche Ruhe hat, die der geistigen Arbeit günstig ist“– wenn dieser Satz in dieser Stadt heute noch irgendwo gilt, dann hier, im frisch sanierten, neu konzipierten Hildebrandhaus, unter dessen Dach sich die Monacensia befindet.
Monacensia: Das ist „das literarische Gedächtnis der Stadt München“, Literaturarchiv und Bibliothek in einem, berühmt vor allem für seine 300 Autorennachlässe und literarischen Konvolute, gerade auch zu den Mitgliedern der Familie des Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann. Hier in der Maria-Theresia-Straße hat die Monacensia als Bestandteil der Münchner Stadtbibliothek seit 1977 ihren Sitz im sogenannten Hildebrandhaus.
Das Gebäude selbst ist eine Wucht. Jetzt, nach dreieinhalbjähriger Schließung und Sanierung für 9,3 Millionen Euro, erschließt sich der Öffentlichkeit erst seine ganze Dimension. Das Haus stellt ein architektonisches Denkmal ersten Ranges dar, vergleichbar den anderen großen Münchner Künstlervillen von Lenbach und Stuck. Bauherr war der Bildhauer Adolf von Hildebrand (1847 – 1921), der bis heute das Gesicht Münchens prägt durch seinen Monumentalbrunnen für den Lenbachplatz. Hildebrand selbst entwarf das Raumprogramm des Hauses, in dem Wohn- und Arbeitswelt ineinander übergehen sollten. Es ist ein Gewinn für die neue Monacensia, dass in einem eigenen Raum nun eine kleine Ausstellung an die Geschichte des Hildebrandhauses erinnert – eine Geschichte mit dunklen Kapiteln während der NS-Zeit; und mit einer Rettung vor Abriss in letzter Minute, nachdem das Haus in den 70ern zum Spekulationsobjekt verkommen war.
Über die elegant geschwungene Wendeltreppe geht es ins Obergeschoss, wo in den ehemaligen Atelierund Wohnräumen nun mehrere themenbezogene Freihandbibliotheken genutzt werden wollen und man sich in dunklen Ledersesseln etwa in Literatur aus der „Bibliothek Familie Mann“vertiefen kann. Das Dachgeschoss ist der Wissenschaft vorbehalten. Buchstäblich die Krönung stellt das runde Turmzimmer dar, Hildebrands ehemalige Bibliothek – nun Geistesarbeitern mit besonderen Projekten vorbehalten. Undenkbar, dass einen hier in luftiger Höhe nicht der genius loci überkommt.
Doch auch ebenerdig, im einstigen Ateliertrakt, wartet die Monacensia mit stimmungsvoll-anregenden Räumen auf. Hier ist auch die neue Dauerausstellung eingerichtet, die den Faden des Sammlungsschwerpunkts der Monacensia aufnimmt: Das literarische München zur Zeit von Thomas Mann – eine Epoche, die sich vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Zeit des Exils nach der braunen Machtergreifung 1933 erstreckt. Gemäß dem Motto bilden an den fünf Themenstationen, an denen sich Handschriftliches und Gedrucktes kurzweilig mischt mit Fotografien und Erinnerungsstücken, die Manns einen Schwerpunkt. Monacensia-Leiterin Elisabeth Tworek, die die kleine, feine Schau kuratiert hat, beweist Sinn fürs Detail in Preziosen wie der Einladungskarte zur Münchner Nobelpreisfeier für Thomas Mann im Dezember 1929 – die „Speisenfolge“sah nicht nur „Krebsschwänze nach Aida“vor, sondern auch „Omelette Surprise“und „Käsestangen“. Aber nicht nur die Hochliteratur, auch die Münchner Volkskultur jener Jahre kommt zu ihrem Recht mit Karl Valentin und Liesl Karlstadt – unter die sich auch Bertolt Brecht mischt, mitbeteiligt etwa am Klamaukfilm „Mysterien eines Frisiersalons“, der in Ausschnitten gezeigt wird.
Neben dieser Dauerausstellung will die Monacensia künftig ein bis zwei Sonderausstellungen im Jahr präsentieren. Die jetzige erste nimmt sich ausführlich den Lebensläufen und dem Verhältnis zweier Fixsterne aus dem Mann-Universum an: den Schriftstellern Heinrich und Klaus Mann, Onkel und Neffe, weshalb die Ausstellung den Titel „Mon oncle – Mein Onkel“trägt. Auch hier kann die Monacensia auffahren, was ihr Archiv zu bieten hat, beispielsweise die bestürzend lapidaren Papiere, mit denen Biografien aus der Bahn geworfen wurden: „Der deutschen Staatsangehörigkeit für verlustig erklärt“liest man auf den Ausbürgerungsdokumenten für Heinrich und Klaus aus dem Jahre 1933. Klaus Mann ist in der Ausstellung auch in einem Filmschnipsel kurz nach Kriegsende 1945 zu sehen. Als US-Reporter für „Stars and Stripes“wohnt er der Vorführung des gewesenen Reichsmarschalls Göring bei – ein Pressetermin, der in Augsburg stattfand.
Wer nach all dem Gesehenen, Gelesenen in den Ausstellungen und Leseräumen ein wenig matt geworden ist, für den hat ab Frühjahr das Café der Monacensia geöffnet, das in einem neuen, behutsamen Glas-Anbau auf der Rückseite des Hildebrandhauses untergebracht ist. Von dort lässt es sich in den Garten schweifen – der dann einlädt zu neuer, abgeschiedener Lektüre. O
Monacensia Geöffnet Mo Mi 9.30 bis 17.30, Do 12 bis 19, Sa, So 11 bis 18 Uhr (geschlossen am 24., 25., 26 und 31. Dezember, am 1. und 6. Januar). Zur Neueröffnung ist der so informative wie bildstarke Band Literarisches München zur Zeit von Thomas Mann von Elisabeth Tworek erschienen (Verlag Friedrich Pustet, 256 S., 28 ¤).