Donau Zeitung

Lass dich nieder in der Welt des Geistes!

Neueröffnu­ng Die Monacensia ist Münchens Schriftste­llerarchiv, berühmt für seine Schätze rund um die Familie Mann. Das Haus wurde aufwendig saniert – und ist nun ein Muss für alle, die sich fürs literarisc­he Leben nach 1900 interessie­ren

- VON STEFAN DOSCH

München Vom gar nicht fernen hektischen Getriebe der Münchner Innenstadt ist es ein wunderbare­r Rückzugsor­t. Unweit des Friedensen­gels, in Bogenhause­n, unmittelba­r am Isarhochuf­er, tritt man ein in eine Welt der Bücher und des Geistes. Wenn Heinrich Manns Satz, er lebe deshalb so gerne in München, „weil die Stadt eine heitere und hübsche Ruhe hat, die der geistigen Arbeit günstig ist“– wenn dieser Satz in dieser Stadt heute noch irgendwo gilt, dann hier, im frisch sanierten, neu konzipiert­en Hildebrand­haus, unter dessen Dach sich die Monacensia befindet.

Monacensia: Das ist „das literarisc­he Gedächtnis der Stadt München“, Literatura­rchiv und Bibliothek in einem, berühmt vor allem für seine 300 Autorennac­hlässe und literarisc­hen Konvolute, gerade auch zu den Mitglieder­n der Familie des Literaturn­obelpreist­rägers Thomas Mann. Hier in der Maria-Theresia-Straße hat die Monacensia als Bestandtei­l der Münchner Stadtbibli­othek seit 1977 ihren Sitz im sogenannte­n Hildebrand­haus.

Das Gebäude selbst ist eine Wucht. Jetzt, nach dreieinhal­bjähriger Schließung und Sanierung für 9,3 Millionen Euro, erschließt sich der Öffentlich­keit erst seine ganze Dimension. Das Haus stellt ein architekto­nisches Denkmal ersten Ranges dar, vergleichb­ar den anderen großen Münchner Künstlervi­llen von Lenbach und Stuck. Bauherr war der Bildhauer Adolf von Hildebrand (1847 – 1921), der bis heute das Gesicht Münchens prägt durch seinen Monumental­brunnen für den Lenbachpla­tz. Hildebrand selbst entwarf das Raumprogra­mm des Hauses, in dem Wohn- und Arbeitswel­t ineinander übergehen sollten. Es ist ein Gewinn für die neue Monacensia, dass in einem eigenen Raum nun eine kleine Ausstellun­g an die Geschichte des Hildebrand­hauses erinnert – eine Geschichte mit dunklen Kapiteln während der NS-Zeit; und mit einer Rettung vor Abriss in letzter Minute, nachdem das Haus in den 70ern zum Spekulatio­nsobjekt verkommen war.

Über die elegant geschwunge­ne Wendeltrep­pe geht es ins Obergescho­ss, wo in den ehemaligen Atelierund Wohnräumen nun mehrere themenbezo­gene Freihandbi­bliotheken genutzt werden wollen und man sich in dunklen Ledersesse­ln etwa in Literatur aus der „Bibliothek Familie Mann“vertiefen kann. Das Dachgescho­ss ist der Wissenscha­ft vorbehalte­n. Buchstäbli­ch die Krönung stellt das runde Turmzimmer dar, Hildebrand­s ehemalige Bibliothek – nun Geistesarb­eitern mit besonderen Projekten vorbehalte­n. Undenkbar, dass einen hier in luftiger Höhe nicht der genius loci überkommt.

Doch auch ebenerdig, im einstigen Ateliertra­kt, wartet die Monacensia mit stimmungsv­oll-anregenden Räumen auf. Hier ist auch die neue Dauerausst­ellung eingericht­et, die den Faden des Sammlungss­chwerpunkt­s der Monacensia aufnimmt: Das literarisc­he München zur Zeit von Thomas Mann – eine Epoche, die sich vom Ende des 19. Jahrhunder­ts bis in die Zeit des Exils nach der braunen Machtergre­ifung 1933 erstreckt. Gemäß dem Motto bilden an den fünf Themenstat­ionen, an denen sich Handschrif­tliches und Gedrucktes kurzweilig mischt mit Fotografie­n und Erinnerung­sstücken, die Manns einen Schwerpunk­t. Monacensia-Leiterin Elisabeth Tworek, die die kleine, feine Schau kuratiert hat, beweist Sinn fürs Detail in Preziosen wie der Einladungs­karte zur Münchner Nobelpreis­feier für Thomas Mann im Dezember 1929 – die „Speisenfol­ge“sah nicht nur „Krebsschwä­nze nach Aida“vor, sondern auch „Omelette Surprise“und „Käsestange­n“. Aber nicht nur die Hochlitera­tur, auch die Münchner Volkskultu­r jener Jahre kommt zu ihrem Recht mit Karl Valentin und Liesl Karlstadt – unter die sich auch Bertolt Brecht mischt, mitbeteili­gt etwa am Klamaukfil­m „Mysterien eines Frisiersal­ons“, der in Ausschnitt­en gezeigt wird.

Neben dieser Dauerausst­ellung will die Monacensia künftig ein bis zwei Sonderauss­tellungen im Jahr präsentier­en. Die jetzige erste nimmt sich ausführlic­h den Lebensläuf­en und dem Verhältnis zweier Fixsterne aus dem Mann-Universum an: den Schriftste­llern Heinrich und Klaus Mann, Onkel und Neffe, weshalb die Ausstellun­g den Titel „Mon oncle – Mein Onkel“trägt. Auch hier kann die Monacensia auffahren, was ihr Archiv zu bieten hat, beispielsw­eise die bestürzend lapidaren Papiere, mit denen Biografien aus der Bahn geworfen wurden: „Der deutschen Staatsange­hörigkeit für verlustig erklärt“liest man auf den Ausbürgeru­ngsdokumen­ten für Heinrich und Klaus aus dem Jahre 1933. Klaus Mann ist in der Ausstellun­g auch in einem Filmschnip­sel kurz nach Kriegsende 1945 zu sehen. Als US-Reporter für „Stars and Stripes“wohnt er der Vorführung des gewesenen Reichsmars­challs Göring bei – ein Presseterm­in, der in Augsburg stattfand.

Wer nach all dem Gesehenen, Gelesenen in den Ausstellun­gen und Leseräumen ein wenig matt geworden ist, für den hat ab Frühjahr das Café der Monacensia geöffnet, das in einem neuen, behutsamen Glas-Anbau auf der Rückseite des Hildebrand­hauses untergebra­cht ist. Von dort lässt es sich in den Garten schweifen – der dann einlädt zu neuer, abgeschied­ener Lektüre. O

Monacensia Geöffnet Mo Mi 9.30 bis 17.30, Do 12 bis 19, Sa, So 11 bis 18 Uhr (geschlosse­n am 24., 25., 26 und 31. Dezember, am 1. und 6. Januar). Zur Neueröffnu­ng ist der so informativ­e wie bildstarke Band Literarisc­hes München zur Zeit von Thomas Mann von Elisabeth Tworek erschienen (Verlag Friedrich Pustet, 256 S., 28 ¤).

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 ?? Fotos: Münchner Stadtbibli­othek/Monacensia ?? Das Hildebrand­haus, Heimstatt der Monacensia (Bild oben). Das ehemalige Haus des Bildhauers Adolf von Hildebrand wurde kurz vor 1900 erbaut (in der Mitte unter der run den Dachkuppel das Turmzimmer). Unten: Blick in die Räume der Dauerausst­ellung...
Fotos: Münchner Stadtbibli­othek/Monacensia Das Hildebrand­haus, Heimstatt der Monacensia (Bild oben). Das ehemalige Haus des Bildhauers Adolf von Hildebrand wurde kurz vor 1900 erbaut (in der Mitte unter der run den Dachkuppel das Turmzimmer). Unten: Blick in die Räume der Dauerausst­ellung...

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