Schniefnasen in der Schule
Gesundheit Fieber, Husten oder Schnupfen – die Erkältungswelle ebbt nicht ab. Weshalb es zum Problem wird, wenn Eltern ihre Kinder trotz Krankheit in den Unterricht schicken
Augsburg Es ist noch früh am Morgen und schon herrscht Panik. Ist das eigene Kind krank, gerät die übliche Routine außer Kontrolle. Bekommen wir kurzfristig noch einen Termin beim Arzt? Brauchen wir einen Babysitter? Wer bleibt zu Hause? Oder geht das Kind doch in den Unterricht?
Die aktuelle Erkältungswelle macht auch vor den bayerischen Schulen nicht Halt. Lehrer und Schüler liegen im Moment gleichermaßen flach – nicht zuletzt, weil Kinder trotz Krankheit in den Unterricht kommen. Für die Vorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Simone Fleischmann, ist das ein großes Problem: „Wir können kranken Kindern in der Schule nicht gerecht werden“, sagt sie. Zwar könne sie Eltern verstehen, die durch den Job unter Druck stehen und sich nicht freinehmen können, doch: „Lehrer sind keine Krankenschwestern“, sagt Fleischmann. Wenn Kinder trotz Krankheit in die Schule geschickt werden, sei nicht nur die Gefahr der Ansteckung groß, auch die Belastung durch die zusätzlich notwendige Betreuung sei enorm.
„Grundsätzlich gilt an Schulen die Aufsichtspflicht“, betont Fleischmann. Zwar gebe es an den meisten Schulen Krankenzimmer, in denen sich die betroffenen Schüler eine Zeit lang ausruhen könnten, doch auch hier müsse stets für Aufsicht gesorgt werden. Fleischmann fordert daher Krankenschwestern an Schulen, wie es sie etwa in Schweden gibt.
Kranke Schulkinder seien ein „gesamtgesellschaftliches Thema“, für das man eben auch „Geld lockermachen“müsse. Ihr sei bewusst, dass ihre Forderung nach Schulkrankenschwestern nicht von heute auf morgen umgesetzt werden könne, dennoch: „Es kann nicht sein, dass Lehrer allein gelassen werden.“
„Wir haben hier jeden Tag Schüler, die eigentlich ins Bett gehören“, sagt Franz-Josef Dorsch, Schulleiter der Augsburger Schiller-Grundschule. Ein Krankenzimmer gibt es an seiner Schule aus Platzmangel nicht. Wenn ein Kind offensichtlich zu krank für den Unterricht ist, rufe der Lehrer zunächst bei den Eltern an. „Aber die sind eben oft in der Arbeit“, sagt Dorsch. Dann müsse das betroffene Kind mit Fieber oder Husten bis Unterrichtsende im Klassenzimmer bleiben. „Wir dürfen die Kinder ja nicht unbeaufsichtigt nach Hause schicken.“
Anders ist die Situation in ländlicheren Gebieten. Sibylle Lutzkat, Rektorin der Mangold-Grundschule in Donauwörth, erklärt: „Hier hilft oft noch die Oma oder der Opa aus.“Natürlich seien auch an ihrer Schule immer wieder Kinder krank im Unterricht. „In der Regel rufen wir dann zu Hause an“, sagt Lutzkat. Wenn die Eltern selbst keine Zeit haben, ihr krankes Kind aus der Schule zu holen, könne mit einer Vollmacht auch ein Bekannter oder ein Mitglied der Familie das betroffene Kind abholen. „Das funktioniert bei uns gut“, erklärt Lutzkat. Dennoch denke sie auch an ihre Kollegen in den größeren Städten. Denn dort haben Eltern oft keine Oma in der Nähe, die im Notfall einspringt.
Wenn sich tatsächlich niemand findet, der sich um die kleinen Patienten kümmern kann, kommt das Projekt „Rotznase“ins Spiel. Seit rund sechs Jahren betreuen ehrenamtliche Helferinnen der Diakonie Augsburg Kinder mit Fieber, Husten oder Schnupfen. „Eltern können uns einfach anrufen“, erklärt Petra Rößle, Organisatorin des Projekts. In der Regel mache sich dann eine der älteren Damen ihres Teams auf den Weg. Für sechs Euro in der Stunde plus Fahrtkosen werden die Kinder zu Hause betreut. „Wir haben mittlerweile viele Stammkunden“, sagt Rößle. „Das sind Berufstätige, die nicht einfach daheim bleiben können.“Die Nachfrage nach der Betreuung im Notfall ist groß. Immer wieder müsse sie Eltern leider
Forderung nach Krankenschwestern Diakonie Augsburg hat eine Lösung
auch absagen, erklärt Rößle. Sie sei daher stets auf der Suche nach neuen „Feen“, wie sie die Ehrenamtlichen nennt.
Für Simone Fleischmann vom BLLV sind Projekte wie dieses vorbildlich. Doch das Angebot werde der Nachfrage bei Weitem nicht gerecht. Sie rät allen Eltern zu Transparenz. „Wenn Lehrer wissen, dass es zu Hause gerade stressig ist, können sie entsprechend planen“, sagt Fleischmann. „Das Wichtigste ist die Kommunikation mit der Schule.“Denn solange Eltern und Lehrer in einem guten Verhältnis stehen, könne auf beiden Seiten Rücksicht genommen werden. (mit dpa)