Eine Augsburger Erfolgsgeschichte
Eishockey Die Panther zählen mit einem Saisonetat von 5,4 Millionen Euro zu den finanziell schwächeren Klubs der DEL. Trotzdem spielen sie bei den sportlich stärkeren mit. Jetzt wollen sie nichts weniger, als deutscher Meister werden
Augsburg Es ist ein Kabuff: Drei Schreibtische verteilt auf zehn Quadratmeter, eine Nasszelle, kein Fenster, kein Mobilfunkempfang. „Das ist ein bisschen wie in einem Bunker, aber es ist okay“, beschreibt Mike Stewart sein Büro im Curt-Frenzel-Stadion. Dort arbeitet der 44-jährige Trainer der Augsburger Panther, brütet über Aufstellungen und Taktiken oder füttert seinen Computer mit Statistiken über Tore, Vorlagen, gewonnene Bullys oder Zweikämpfe.
Eishockey-Trainer sind ZahlenFreaks und man ist versucht zu glauben, dass Erfolg zu einem gewissen Grad planbar ist. Schließlich führte der Kanadier mit dem Zungenschlag von Arnold Schwarzenegger die Augsburger Panther auf Platz sechs der Deutschen Eishockey-Liga. So gut war das DELGründungsmitglied in seinen 23 Jahren in der Eliteklasse noch nie nach der Punktrunde.
„Wir genießen den Moment. Aber wir sind noch nicht fertig“, sagt der AEV-Coach. Denn die Eishockey-Saison beginnt erst mit den Play-offs so richtig. Die Panther treffen im Viertelfinale auf den Dritten Nürnberg. Das erste Spiel steigt am Mittwoch in Franken. Die Vorfreude ist groß.
Zum ersten Mal nach einer dreijährigen Durststrecke mit einem frühen Saison-Aus dürfen die Augsburger mit den Riesen der Puckbranche wie München, Köln, Mannheim und Nürnberg mitspielen. „Die großen Vier peilen den Meistertitel an. Wir und drei andere werden versuchen, das zu verhindern“, sagt Panther-Chef Lothar Sigl. Mit einem Saisonetat von 5,4 Millionen Euro zählt der AEV zu den DEL-Schlusslichtern im Vergleich zu München (12,5 Mio.), Mannheim (11,5) oder Nürnberg (10,5). Doch die Panther haben den von Großkonzernen wie SAP (Mannheim), Red Bull (München) oder Schmuckdesigner Thomas Sabo (Nürnberg) finanziell kräftig gepäppelten Konkurrenten gezeigt, dass nicht Geld allein Tore schießt. Das genießt auch Sigl: „Da, wo wir momentan sind, haben wir eigentlich nichts verloren. Deshalb freut es uns umso mehr.“
An die teuren Stars kommen die Augsburger nicht ran. „Eine gewisse Kategorie von Spielern wird uns nicht angeboten. Oder erst zu einem wenn aus den großen Fleischtöpfen nichts mehr zu holen ist“, erzählt der Hauptgesellschafter, der die Verträge mit Spielern und Trainern aushandelt. „Augsburg ist für einen Start in Europa ein sehr guter Platz für einen NordamerikaProfi“, sagt Sigl, der seit 30 Jahren eine Führungsposition bei dem Augsburger Eishockeyklub innehat.
Meist kämpfen die AEV-Profis wirtschaftlich wie sportlich ums Überleben. Auch in dieser Saison muss die Panther-GmbH ohne einen Hauptsponsor auskommen. Aber mittlere und kleine Werbepartner halten dem AEV die Treue. Das für 33 Millionen Euro von der Stadt runderneuerte Curt-Frenzel-Stadion bietet dem Klub eine perfekte Bühne für die Eishockey-Show.
In dieser Saison begeisterten die Panther ihr Publikum. Zu den 26 Heimspielen strömten im Schnitt 4920 Besucher. Das bedeutet Platz sechs in der Liga. Im vergangenen Sommer baute der gelernte Diplom- Sigl zusammen mit Stewart einen Kader, der höheren Ansprüchen genügt. Auch gegen große Widerstände bei den eigenen Fans. Den vom Zweitligisten Freiburg verpflichteten ersten Torwart Jonathan Boutin beschimpften einige Anhänger im Internet so übel,
„In 23 DEL Jahren waren wir Anfang März noch nicht so weit in unserer Kaderpla nung.“
Panther Geschäftsführer Lothar Sigl
dass der Deutsch-Kanadier seine Facebook-Seite im Frühjahr 2016 abschaltete. Der 31-Jährige entpuppte sich als solider Rückhalt.
Die Defensive mit Kapitän Steffen Tölzer und den Verteidigern Brady Lamb, Mark Cundari oder Scott Valentine blockt so viele Schüsse wie kaum eine andere Abwehr. Im Sturm setzt der AEVZeitpunkt, Trainer auf den Faktor Geschwindigkeit. Seine Spiel-Philosophie: „Modernes Eishockey hat mit Speed zu tun.“Neben den letztjährigen Stützen wie Ben Hanowski und Spielmacher Drew LeBlanc überzeugten alle Neuverpflichtungen wie Topscorer Trevor Parkes (22 Tore/22 Vorlagen), Michael Davies oder Evan Trupp. Das Saisonziel ist typisch nordamerikanisch unbescheiden: die deutsche Meisterschaft. Etwas anderes könnten sich die Mannschaft und er nicht vornehmen, sagt Stewart.
Der Blick geht jedoch auf das erste Duell am Mittwoch in Nürnberg. Am Freitag (10. März) steigt das erste von mindestens zwei Heimspielen gegen die Franken im CurtFrenzel-Stadion. Der Ansturm auf die Tickets war riesig. Nach 20 Minuten war das erste Match ausverkauft, nach 90 Minuten waren die Karten für das Heimspiel zwei am 14. März ebenfalls so gut wie weg. Die Euphorie ist in der Stadt zu spüBetriebswirt ren. Es fühlt sich an wie im Jahr 2010, als die Panther mit dem Durchmarsch bis ins Finale und der Vizemeisterschaft für den größten Erfolg der Klubgeschichte sorgten. Damals feierte der AEV den Triumph, obwohl die Mannschaft danach auseinanderflog. In diesem Jahr ist es anders. Bereits 16 Verträge sind verlängert. Nur die Unterschrift des Trainers fehlt noch, aber der Hauptgesellschafter gibt sich gelassen: „Ich habe keinen Hinweis, dass sich Mike Stewart zu einem anderen Klub orientiert.“
Für die nächste Saison steht mehr als das Gerüst. „In 23 DEL-Jahren waren wir Anfang März noch nie so weit in unserer Kaderplanung“, sagt Sigl. Die Eishockey-Profis aus der Stadt der Puppenkiste ärgern die Platzhirsche der Liga. Wer des Sprüchleins von der Kirchenmaus Augsburg überdrüssig ist, dem antwortet der Gastronom: „Das ist dummerweise die Realität. Es wäre schön, wenn es anders wäre.“