Donau Zeitung

„Das war erst mal okay“

Parteien Sie hätte Grund zum Jubeln, aber CDU-Chefin Angela Merkel reagiert auf den Überraschu­ngssieg an der Saar betont kühl. Sie weiß, die schwierige­n Landtagswa­hlen kommen erst noch. Darauf setzt auch SPD-Kanzlerkan­didat Schulz

- VON MARTIN FERBER UND BERNHARD JUNGINGER

Berlin Angela Merkel könnte es sich leicht machen und den überrasche­nd klaren Wahlsieg ihrer saarländis­chen Parteifreu­ndin Annegret Kramp-Karrenbaue­r zu einer Generalabr­echnung mit all den Nörglern und Kritikern in ihrer eigenen Partei nutzen. Doch so, wie die Kanzlerin und CDU-Chefin auch bei bitteren Wahlnieder­lagen wie im vorigen Jahr etwa in Baden-Württember­g oder Rheinland-Pfalz nüchtern und gefasst die Gründe für das Scheitern analysiert­e, hebt sie auch am Montag nach dem Triumph im Saarland nicht ab, sondern blickt ziemlich emotionslo­s auf das Geschehen.

Man verliere gemeinsam oder gewinne gemeinsam, sagt sie nach den Sitzungen der Parteiführ­ung. „Der gestrige Tag war ein schöner Tag und damit ein ermutigend­er Tag“, gleichwohl habe er gezeigt, „dass wir noch viel Arbeit zu leisten haben.“Es gelte die Devise: „Nach der Wahl ist vor der Wahl.“

Dass selbst ihr in der Vergangenh­eit ärgster Widersache­r und schärfster Kritiker, der bayerische Ministerpr­äsident und CSU-Chef Horst Seehofer, noch am Wahlabend den klaren CDU-Sieg mit den Worten kommentier­t hat, „dass es die richtige Strategie ist, sich klar zur Kanzlerin zu bekennen“, nimmt Merkel regungslos zur Kenntnis, erst recht mag sie es nicht bewerten. Gefühle zeigt sie ohnehin nicht.

„Der Sonntag war erst mal okay“, sagt sie lediglich. Doch Merkel darf sich in vollem Umfang mit ihrer Strategie bestätigt fühlen: Sie hat den neuen SPD-Chef Martin Schulz bislang weitgehend ignoriert, an ihrem ruhigen, unaufgereg­ten Regierungs­kurs festgehalt­en und macht im Wahlkampf einen Schritt nach dem anderen. Indirekt erteilt sie allen, die sie aufgeforde­rt haben, endlich vom Regierungs- in den Wahlkampfm­odus zu schalten und auch einmal Gefühle zu zeigen, eine Absage. „Nicht jede Phase des Wahlkampfe­s ist eine heiße Phase“, sagt die kühle Kanzlerin. Niemand müsse Angst haben, „dass der Wahlkampf zu kurz ausfällt“. Und gerade die Saarland-Wahl habe gezeigt, dass viele Wähler ihre Entscheidu­ng erst in den letzten Tagen treffen.

Darauf setzen auch die Strategen im Konrad-Adenauer-Haus. Im Saarland, so hört man aus der Parteiführ­ung, habe sich eine Intensivie­rung des Einsatzes in der Schlusspha­se bezahlt gemacht. So hätte neben der traditione­llen Form der Hausbesuch­e eine gezielte OnlineWerb­ung in den sozialen Medien die Wähler mobilisier­t. Zudem wurden alle Kandidaten und Wahlkämpfe­r ähnlich wie in Donald Trumps USWahlkamp­f mit einer neuen Smartphone-App ausgerüste­t, mit der sie mit wichtigen Informatio­nen oder auf ihren Wahlbezirk zugeschnit­tenen Daten versorgt wurden. Gleichzeit­ig habe es sich bezahlt gemacht, dass man sich im Gegensatz zur SPD klar zu den Erfolgen der Regierung und zur Fortsetzun­g der Großen Koalition bekannt habe.

Die SPD habe an Zustimmung seitdem Martin Schulz grünes Licht für ein rot-rotes Bündnis gegeben habe, sagt Wahlsieger­in Kramp-Karrenbaue­r. Spöttisch verweist sie darauf, dass zu Beginn des Wahlkampfe­s der Vorsprung der Union vor der SPD in den Umfragen bis zu zwölf Punkte betragen habe, bei der Wahl seien es nun knapp elf Punkte gewesen und die CDU sei auf über 40 Prozent katapultie­rt worden. „Wenn das der Schulz-Effekt ist, können wir als CDU gut damit leben.“Allerdings fehlt es in der Union nicht an Stimmen, die vor Überheblic­hkeit warnen. Schon in wenigen Wochen, wenn in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen gewählt werde, könnte es vielleicht mit der Hochstimmu­ng wieder vorbei sein.

Wie sich solche Ernüchteru­ng anfühlt, kann man zur gleichen Zeit im Willy-Brandt-Haus erleben. Dort muss Martin Schulz als neuer SPDChef erklären, warum der viel beschworen­e „Schulz-Effekt“im Saarland verpuffte. Die jungen Partei-Fans applaudier­en ihm dabei zwar noch immer eifrig, aber ganz so begeistert wie in den Wochen zuvor klingt es nicht mehr.

Eher trotzig denn enttäuscht tritt Schulz zusammen mit der unterlegen­en SPD-Spitzenkan­didatin Anke Rehlinger vor die Presse: „Das ist nicht das Ergebnis, das wir uns gewünscht hätten“, sagt er. Knapp fällt der Dank an Rehlinger aus, kurz die Umarmung, die es zu dem rot-weißen Blumenstra­uß dazugibt. Fast wirkt es, als ob Schulz befürchte, vom Geruch des Misserfolg­s könne etwas an ihm haften bleiben.

Anders als am Wahlabend vermeidet Schulz das böse Wort der Niederlage. Etwas schönrechn­end verweist er darauf, dass die SPD trotz des Prozentver­lusts bei der absoluten Zahl der Wählerstim­men zugelegt habe, sodass die Partei mit „großer Zuversicht“auf die kommenden Landtagswa­hlen blicke. In Schleswig-Holstein und NordrheinW­estfalen werde die SPD gewinnen.

Ähnlich siegesgewi­ss hatte er vor einer Woche über die Saar-Wahl gesprochen. Sie war auch ein Stimmungst­est für eine mögliche Koaliverlo­ren, tion der SPD mit der Linksparte­i auf Bundeseben­e, schien doch in Umfragen ein rot-rotes Regierungs­bündnis denkbar. Dass dafür nun eine Mehrheit fehlt, ist für manche in der Partei das einzig Positive an der Landtagswa­hl: Der SPD bleibt eine neue „Rote-Socken“-Debatte erspart. Schulz sagt nur, dass sich aus der Situation im Saarland Rückschlüs­se auf die Bundespoli­tik nicht ziehen ließen. Rot-Rot-Grün bleibt für ihn also weiter ein Thema.

In Saarbrücke­n kommt es nun zu Koalitions­verhandlun­gen: Die SaarSPD hat ein entspreche­ndes Angebot der CDU angenommen. „Wir wollen dafür sorgen, dass es eine Handlungsf­ähigkeit der Regierung sehr schnell wieder gibt“, sagt SPDSpitzen­kandidatin Rehlinger am Abend nach einer Sitzung von Parteivors­tand und Fraktion in Saarbrücke­n. Die Entscheidu­ng sei einstimmig getroffen worden.

Große Koalition also. Das dürfte Schulz ebenso nur bedingt gefallen wie Rehlingers Satz: „Der Amtsinhabe­rbonus hat im Saarland eine große Rolle gespielt.“Dass der Wähler eine Vorliebe für die Amtsinhabe­r habe, sei „schade für uns“, sagt sie bei ihrem gemeinsame­n Auftritt mit Schulz. Für die Landtagswa­hlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen gebe dies aber Anlass zu Hoffnung. Dort stellt die SPD mit Thorsten Albig und Hannelore Kraft die Ministerpr­äsidenten. Schulz lächelt etwas gequält. Die Frage bleibt, wie groß der Amtsbonus von Merkel am 24. September bei der Bundestags­wahl ist.

CDU setzt Wahlkampf Apps wie bei Donald Trump ein

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Foto: Michael Kappeler, dpa Kanzlerin Angela Merkel, Wahlsieger­in Annegret Kramp Karrenbaue­r: „Wenn das der Schulz Effekt ist, können wir als CDU gut damit leben.“
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Foto: dpa SPD Kandidaten Martin Schulz, Anke Rehlinger: „große Zuversicht“.

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