Relaxen in San Diego
Serie k!ar.texter Alexander Millauer hat mit seinem Kumpel Benne Reim geskypt. Der Lauinger lebt zurzeit in Kalifornien
Landkreis San Diego, Kalifornien. 20 Grad. Strahlender Sonnenschein. Und das einzige, was mich mit diesem scheinbar paradiesischen Ort verbindet, ist eine wackelige SkypeVerbindung zu meinem Kumpel Benne Reim, der in einem Liegestuhl fleißig Vitamin D sammelt. Fast werde ich neidisch, als ich den Regen draußen in Lauingen plätschern höre. Vor ein paar Stunden erst sei er bei Bekannten in San Diego angekommen, erzählt er – nach einigen Nächten in Los Angeles, die er im Motel verbracht hat. „Als ich am Montag angekommen bin, war ich erst mal erschlagen von der Größe“, erinnert er sich. Schon beim Blick aus dem Flugzeug entdeckt er die dichte Bebauung, bei der scheinbar kein Blatt Papier mehr irgendwo dazwischenpasst. Der Eindruck verfestigt sich am Boden. „Die Straßen sind hier mindestens drei- oder vierspurig. Die Highways sogar sechsspurig.“
Dafür sei es extrem schwer, ohne Auto von A nach B zu kommen. Das musste er auch feststellen, als er nach San Diego reisen wollte. Denn ein Auto darf er sich mit 19 Jahren noch nicht mieten. „Da hab ich erst mal meinen Zug verpasst und konnte dann drei Stunden auf den nächs- ten warten, weil es nur eine Linie gibt, die nur alle paar Stunden diese Strecke fährt“, sagt er. Doch das sei gar nicht so schlimm gewesen, schließlich gehe es hier wesentlich lockerer zu als in Deutschland. „Alles ist hier total gechillt, die Leute machen keinen Stress. Und egal, wo du hinkommst, gibt es immer jemanden, der mit dir Smalltalk hält und dich fragt, wie’s dir geht“, erzählt er. Das scheint eine kalifornische Eigenart zu sein, vermutet er. Denn als er mit Freunden aus Arizona, die auch in Kalifornien zu Gast sind, gesprochen hat, hätten ihm die gesagt, dass der sonnige Bundesstaat an der Pazifikküste nicht mit anderen Staaten vergleichbar sei.
Doch Benne musste auch feststellen, dass nicht alles eitel Sonnenschein ist, wie er mir erzählt. „Die Schere zwischen Arm und Reich ist deutlich größer als bei uns. An jeder Ecke sieht man Obdachlose und Junkies, denen nicht geholfen wird.“Ohne Geld sei es schwer in den USA durchzukommen, bestätigt er – egal, ob in San Diego oder Los Angeles. Doch mit einer Handvoll Dollar bekomme man fast alles. „In einigen Läden gibt es Axt, Messer und Schusswaffe direkt neben Medikamenten und Verbänden zu kaufen“, erzählt er. Und noch ein Unterschied ist ihm aufgefallen. „Es gibt hier grundsätzlich alles nur in Übergrößen. Im Fastfood-Restaurant bekommst du mindestens einen halben Liter Cola und im Kino geht unter dem Popcorn-Eimer nichts.“Um sich all das zu finanzieren, hilft er jetzt in Garden Grove, das einige Kilometer von Los Angeles entfernt liegt, bei einem Bekannten aus. Statt strahlendem Sonnenschein, wartet da hartes Buckeln auf ihn.
Dennoch: „Es war die absolut richtige Entscheidung, hierher zu kommen“, resümiert er seine erste Woche. Anderthalb Monate liegen noch vor ihm, in denen er über den „Walk of Fame“laufen wird, Beverly Hills unsicher macht und L.A. Downtown erkundet. Doch sein Programm ist noch längst nicht fertig. „Ich möchte noch unbedingt auf ein Basketballspiel, ins Disneyland und in die Universal Studios.“Doch eines hat er schon gelernt – alles kann man hier gar nicht entdecken. „Ein Taxifahrer in Los Angeles sagte zu mir, dass er seit 60 Jahren hier lebt und noch immer nicht alles gesehen hat.“
Dann reißt die Skype-Verbindung ab und der Nieselregen, der ans Fenster tropft, beendet den sonnigen Ausflug nach Kalifornien. Doch eines ist mir hängengeblieben. Die kalifornische Mentalität. Just relax.