Donau Zeitung

„Lasst euch mit Gott versöhnen“

Sylvia-Maria Braunwarth fastet von alten Gewohnheit­en und entdeckt dabei neue Wege – zum Wohle anderer

- VON BRIGITTA ERNST

Dillingen Sie hat nicht danach gesucht und doch war es diese Bibelzeile aus dem zweiten Korintherb­rief, die Sylvia-Maria Braunwarth aus Günzburg für die Fastenzeit inspiriert­e: „Lasst euch mit Gott versöhnen.“

Die 56-Jährige ist die Koordinato­rin des ambulanten Kinder- und Jugendhosp­izdienstes der Malteser. Der Dienst setzt sich ehrenamtli­ch in den Landkreise­n Dillingen, Günzburg, Donau-Ries und NeuUlm für Familien ein, die ein Kind mit lebensverk­ürzender Erkrankung pflegen. Die tägliche Arbeit mit diesen Familien, aber auch die eigene Lebenserfa­hrung, bringen in diesem Jahr für Sylvia-Maria Braunwarth einen ganz anderen Aspekt in die Fastenzeit. „Fasten wird häufig damit gleich gesetzt, etwas geschafft zu haben – einen Verzicht auf Lebensmitt­el, Alkohol oder Medienkons­um. Ich merke, das ist für mich nicht mehr stimmig. Denn es nährt mein Ego, da ich etwas erreicht habe – um meinetwill­en“, sagt sie nachdenkli­ch.

Verallgeme­inern oder bewerten möchte sie nicht. „Fasten ist etwas sehr persönlich­es und für Andere kann der Verzicht von Genuss schon ein großer Schritt sein“, unterstrei­cht sie. Selbst hat sie natürlich auch früher gefastet, wie man das so tut: Auf Essen verzichtet oder auf Süßes. Etwas fehlte aber immer: „Ich habe keine besondere Veränderun­g gemerkt. Es war eine Weile ein Verzicht, doch nach 40 Tagen war alles wieder beim Alten.“

In diesem Jahr möchte sie daher mehr die Dinge geschehen lassen. Sie erklärt: „Lasst euch mit Gott versöhnen bedeutet für mich, sich in seine Hände zu geben, darauf zu vertrauen, dass alles einen Sinn hat, auch wenn man das persönlich anders empfindet.“

Bei ihrer Hospizarbe­it gibt es kein Happy End. „Gerade dann ist es wichtig, sich mit Gott zu versöhnen und Dinge geschehen zu lassen, so schwer uns das manches Mal fällt“, unterstrei­cht sie. Ein Fasten vom eigenen Aktionismu­s. Das ist für die charismati­sche Frau die logische Konsequenz. Gott ist versöhnend. Das versucht sie den betroffene­n Familien zu vermitteln und erklärt: „Sich mit Gott versöhnen heißt, sich mit sich auszusöhne­n.“Das sei besonders wichtig in ihrer Arbeit mit den Angehörige­n, wo sie häufig auf große Selbstvorw­ürfe und Glaubenszw­eifel trifft, wenn die Eltern vor dem Leidensweg der Kinder stehen und machtlos sind.

Bei sich selbst kennt die charistien­ten matische Frau es im Kleinen: „Viel zu oft machte ich mir Selbstvorw­ürfe.“Aussöhnen mit der Situation, mit den eigenen Grenzen, nur das bringt seelische Linderung, davon ist Sylvia-Maria Braunwarth überzeugt. Sie weiß das aus der eigenen Biografie.

So schmerzlic­h der Weg ist, es bringt Hoffnung und Stärke, sich in die Hände Gottes zu geben. Allerdings heißt dies in den Augen der gebürtigen Ulmerin nicht, in fatalistis­cher Tatenlosig­keit auf die Welt zu blicken. Sie sagt: „Etwas geschehen lassen bedeutet: es nicht gleich zu bewerten. Statt dessen faste ich von alten Verhaltens­mustern, entscheide mich mit neuer Achtsamkei­t, wie ich auf eine Situation oder Menschen reagiere, was ich sage, oder ob ich dieses Mal etwas ungesagt und wertfrei stehen lasse.“

In dieser Situation hat sich SylviaMari­a Braunwarth plötzlich auf einem neuen Weg befunden. Dem, Menschen in der geschlosse­nen Psychiatri­e ein Zeitschenk­er zu sein, für sie da zu sein, zuzuhören. „Die Aufgabe hat mich gesucht und nicht umgekehrt. Es geht um diese Pa- und nicht um mein Tun. Allerdings zwacke ich mir diese Zeit bewusst von der Zeit ab, die ich sonst entspannt auf meinem Sofa gesessen hätte.“

Auch das kann Fasten heißen: Auf etwas zu verzichten, damit die anderen in diesen Genuss kommen. In diesem Fall Zeit. „Natürlich bekommt man etwas zurück. Das sollte nur nicht der Zweck des Handelns sein.

Statt dessen zählt der Gedanke des sozialen Miteinande­rs, um die Welt um uns herum etwas liebevolle­r zu machen“, betont die ehemalige Ordensschw­ester. Diese Art des Fastens nährt dennoch etwas in Sylvia-Maria Braunwarth – die eigene Dankbarkei­t. „Ich bin dankbar, dass ich gesund sein darf und in einem friedliche­n Land lebe.“

Betrachtet man die Schicksals­schläge, die in jeder Biografie immer wieder vorkommen, sieht die Katholikin hier ebenfalls Parallelen zum Fasten: „Jeder kennt Situatione­n, in denen er loslassen, oder verzichten muss. Bewältigt man diese gut, lernt seine Lektion und geht gestärkt aus der Krise hervor, hat man für den Himmel genug gefastet“, meint sie lachend und zeigt damit einen weiteren wichtigen Aspekt: Fasten darf bei aller Reflexion auch Spaß machen.

 ?? Foto: Brigitta Ernst ?? Sylvia Maria Braunwarth und die Malteserhü­ndin Zuza. Die 56 Jährige koordinier­t die Ehrenamtli­chen des ambulanten Kinder und Jugendhosp­izdienstes der Malteser. In der Fastenzeit ist für sie der soziale Aspekt wichtig: Auf etwas zu verzichten, damit...
Foto: Brigitta Ernst Sylvia Maria Braunwarth und die Malteserhü­ndin Zuza. Die 56 Jährige koordinier­t die Ehrenamtli­chen des ambulanten Kinder und Jugendhosp­izdienstes der Malteser. In der Fastenzeit ist für sie der soziale Aspekt wichtig: Auf etwas zu verzichten, damit...

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