Von Sinn und Sinnlichkeit
Scarlett Johansson spielt immer öfter die Heldin in Fantasy-Abenteuern. Das liegt an unserer Zeit, nicht an ihr – sie mag das normale Leben lieber
Wir leben in einem durchdigitalisierten Zeitalter mit künstlicher Intelligenz Cyber-Terrorismus… Ist „Ghost in the Shell“der ultimative Film für unsere Zeit?
Scarlett Johansson: Die Geschichte ist schon ziemlich zeitgemäß, würde ich sagen. Vor allem, wenn man sich die Anime-Vorlage ansieht, die ja inzwischen über 20 Jahre alt ist. Aber meine Güte war die ihrer Zeit voraus. Am erstaunlichsten finde ich eigentlich, wie der Film damals diese Abkopplung vorhergesehen hat, die ein Nebeneffekt dieses digitalen Zeitalters ist. Denn das Paradoxe ist ja, dass wir als Menschen einerseits so einfach und umfassend global miteinander verknüpft sind wie nie zuvor, uns aber gleichzeitig so leer und einsam fühlen. Gerade in dieser Hinsicht ist „Ghost in the Shell“auf jeden Fall genau passend für unsere heutige Gesellschaft.
Sie selbst sind nicht ganz so sehr verbunden, zumindest sucht man Sie auf Twitter, Instagram und so vergeblich .
Johansson: Dafür habe ich einfach keine Zeit. Mein Leben ist voll genug mit anderen Dingen. Abgesehen davon bin ich einfach eine sehr private Person und habe kein Interesse, die Welt an meinem Leben teilhaben zu lassen. Meine Freunde treffe ich im echten Leben und nicht online. Wenn ich deine Telefonnummer nicht habe und wir nicht in Kontakt geblieben sind, dann wollen wir uns vermutlich nicht sehen. Oder zumindest will ich dich nicht sehen. Klingt wahrscheinlich zickig, aber so ist es eben.
Würden Sie sich als Technik-Skeptikerin bezeichnen oder geht alles in allem doch in die richtige Richtung?
Johansson: Insgesamt bewegt sich ja aktuell leider gar nicht viel in die richtige Richtung, oder? Was die technischen Fortschritte angeht, würde ich aber nicht sagen, dass ich konkret Angst davor habe, wo das noch alles hinführt. Mir fehlt nur wirklich der Sinn dafür. Und natürlich kann ich auch anerkennen, wie hilfreich technologische Erfindungen oft sein können. Einige sind ohne Frage für die Menschheit ein echter Fortschritt. Allerdings muss man sich natürlich immer auch fragen, welchen Preis wir dafür zahlen.
Machen Sie sich Gedanken darüber, was uns in den kommenden 50 und mehr Jahren erwartet?
Johansson: Als Mutter einer Tochter denke ich natürlich über die Zukunft nach. Wie könnte ich nicht?! Allerdings muss ich gestehen, dass es mir dabei weniger um technologische Fortschritte, künstliche Intelligenz und solche Sachen geht. Was mir wirklich Sorgen macht, sind Umweltfragen. Denn wenn ich mir ansehe, wie es um unsere Welt bestellt ist und wie wenig Beachtung man der Natur gerade in den USA 2017 schenkt, dann muss man ja fast Angst haben, dass es vielleicht in vieler Hinsicht bald zu spät ist …
Überkommt Sie dabei ein Gefühl von Hilflosigkeit?
Johansson: Geht es uns nicht allen bisweilen so? Aber aus Hilflosigkeit kann auch Aktivismus entstehen. Außerdem bin ich fest davon überzeugt, dass man sich immer an die Hoffnung klammern muss, denn wer sich bloß dem Schicksal ergibt, vertut die Chance, selbst etwas zu verändern.
Leichter gesagt als getan, oder?
Johansson: Na klar. Auch ich muss mich angesichts des Klimawandels immer zusammenreißen, um nicht allzu pessimistisch zu werden. Wobei ich immer an einen Satz aus einem der Filme denken muss, die ich mit Woody Allen gedreht habe: „Pessimismus ist Realismus, nur anders geschrieben.“
Apropos Woody Allen: Welche der Filmemacher und Kollegen, mit denen Sie im Laufe Ihrer Karriere zusammengearbeitet haben, hat Sie eigentlich am meisten beeindruckt?
Johansson: Woody war auf jeden Fall jemand, der für mich als Schauspielerin sehr wichtig war. Am meisten geprägt hat mich aber sicherlich Robert Redford. Ich war zwölf Jahre alt, als ich mit ihm „Der Pferdeflüsterer“gedreht habe. Von ihm habe ich gelernt, vor der Kamera vollkommen natürlich und ganz und gar im Moment zu sein. Hätte ich ihm nicht bei der Arbeit zusehen dürfen, wäre in mir vielleicht nie der brennende Wunsch entstanden, die Schauspielerei wirklich zum Beruf zu machen. Sehr viel später war dann auch Liev Schreiber sehr wichtig.
Der hat Sie 2010 auf die Theaterbühne geholt. 2013 spielten Sie noch mal am Broadway. Zieht es Sie in Zukunft wieder dahin zurück?
Johansson: Oh ja, denn es gibt nichts Besseres als das Theater. Für mich waren diese beiden Stücke die besten Jobs, die ich je hatte. Auf der Bühne kontrolliert man jeden Moment und ist komplett selbst für seine Rolle und seine Leistung verantwortlich. Das ist eine unfassbar aufregende, wunderbare, anstrengende und schlauchende Erfahrung, bei der man sich jeden Abend aufs Neue hinterfragt und oft frustriert ist. Aber ich habe es mit jeder einzelnen Faser meines Körpers geliebt.
Wenn man sich Ihre Filme der letzten Jahre ansieht – von „Marvel’s The Avengers“über „Her“und „Under the Skin“bis hin zu „Lucy“und „Ghost in the Shell“–, könnte man meinen, dass Sie ein großer Science-Fiction- und Fantasy-Fan sind. Korrekt?
Johansson: Ehrlich gesagt überhaupt nicht. Es gibt ohne Frage viele gute Science-Fiction-Geschichten, die mir sehr gefallen. Aber dass ich eine besondere Schwäche für dieses Genre hätte, kann man nicht unbedingt sagen. Dass ich so viele Filme gedreht habe, die man unter diesem Label zusammenfassen kann, ist für mich eher Zeichen eines allgemeinen Trends.
Nämlich?
Johansson: Wir leben in einer Welt, in der wir unsere Identität als Menschheit mehr denn je hinterfragen und neu definieren müssen. Wir müssen im digitalen Zeitalter unseren Platz finden und zusehen, dass wir mit all den technischen Fortschritten klarkommen. Und diese gesamte Entwicklung schlägt sich natürlich in den Filmen wieder, die im Moment gedreht werden. Dass ich damit allerdings besonders viel Erfahrung habe, wurde mir erst wieder bewusst, als ich bei „Ghost in the Shell“mit Juliette Binoche zusammengearbeitet habe. Für die war das alles total neu, die musste sich richtig hineinfuchsen in diesen TechieJargon. Willkommen in meiner Welt, habe ich dann immer gesagt! Denn ich erinnere mich kaum noch an Dreharbeiten, bei denen ich nicht mit futuristischem Vokabular um mich werfen musste.
Schießen Sie eigentlich gerne?
Johansson: So würde ich es vielleicht nicht unbedingt ausdrücken. Aber Waffentraining ist zumindest nichts, womit ich Schwierigkeiten habe. Wahrscheinlich auch, weil sich gezeigt hat, dass ich dafür scheinbar ein Händchen habe. Irgendwie fällt mir das leicht. Anders als manches andere… Was ich nach wie vor einfach nicht leiden kann, ist dieses Hängen an Drahtseilen, was man für Schwebe-, Sprung- oder Sturzszenen machen muss. Furchtbar!