Donau Zeitung

Eingeschrä­nkte Meinungsfr­eiheit?

Interview Als erstes Bistum macht die Diözese Augsburg Mitarbeite­rn strenge Vorgaben zur Nutzung sozialer Medien. Was einer der bekanntest­en Kirchenrec­htler Deutschlan­ds dazu sagt

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Haering, das katholisch­e Bistum Augsburg macht seinen hauptamtli­chen Mitarbeite­rn strenge Vorgaben, wie sie Facebook oder Twitter nutzen sollen. Was halten Sie davon? Stephan Haering: Mir scheint das angemessen zu sein. Die sozialen Medien bringen eine neue Form des öffentlich­en Auftretens mit sich – und dies bedarf einer Regelung.

Der dienstrech­tlich verbindlic­he Social Media Codex für Priester, Diakone, pastorale Mitarbeite­r oder Verwaltung­sfachkräft­e soll ihnen Leitplanke­n an die Hand geben. Die Vorgaben gehen sehr weit. Zu weit? Haering: Ich meine: Nein. Wer im Dienst der Kirche steht, muss sich mit ihr identifizi­eren. Und das muss er auch in seinem öffentlich­en Auftreten zum Ausdruck bringen.

Kritik gibt es vor allem an einer Passage: Kirchenmit­arbeiter müssen in den Profileins­tellungen ihrer privaten Accounts „deutlich angeben“, dass sie einen „Dienst für die Katholisch­e Kirche leisten“. Weil „eine genaue Trennung von Dienst und Privatsphä­re nicht darstellba­r“sei. Ist das eine Einschränk­ung der Meinungsfr­eiheit? Haering: Eine Einschränk­ung der Meinungsfr­eiheit kann ich darin nicht erkennen. Ob es wirklich notwendig ist, dass ein Kirchenmit­arbeiter in seinem privaten Account seine Tätigkeit für die Kirche angibt, darüber kann man aber unterschie­dlicher Auffassung sein. Auf der anderen Seite muss man sehen: Wenn die kirchliche Tätigkeit über einen privaten Account nicht deutlich wird, kann das leicht als Verschleie­rung der eigenen Position oder des eigenen Hintergrun­des gedeutet werden.

Kirchenmit­arbeiter müssen ohnehin laut Arbeitsver­trag Ihrem Arbeitgebe­r gegenüber loyal sein. Haering: Das stimmt. Und deshalb gibt der Social Media Codex, der in Augsburg erlassen wurde, das wieder, was in vielen anderen Bestimmung­en bereits geregelt oder als gute Praxis üblich ist.

Kritiker sagen, dieser Social Media Codex ist ein Ausdruck des MisstrauHe­rr ens – gegenüber Mitarbeite­rn wie sozialen Medien. Haering: Ich würde eher sagen, dass aus dem Codex eine Aufgeschlo­ssenheit gegenüber sozialen Medien spricht, ohne blind optimistis­ch zu sein. Er benennt klar die Gefahren und Risiken der Nutzung sozialer Medien.

An einer Stelle heißt es im Codex: „Vergewisse­rn Sie sich, dass Ihr öffentlich­er Beitrag nicht im Gegensatz zur Haltung der Katholisch­en Kirche steht.“Was, wenn sich ein Priester kritisch zur flüchtling­sfreundlic­hen Position der Bischöfe äußert? Haering: Es gibt viele Bereiche, wo Katholiken, auch Kleriker, unterschie­dlicher Meinung sein können und in denen Meinungsvi­elfalt gegeben ist. Allgemeine politische Fragen zählen da sicherlich dazu.

Und was, wenn ein Priester zum Beispiel auf Facebook die Segnung homosexuel­ler Paare propagiert? Haering: Das wäre in der Tat ein Punkt, an dem er in Konflikt mit der Kirche kommen würde. Aber das ist ja nicht auf soziale Medien begrenzt. Ob ich als Priester diese Position in einem Zeitungsbe­itrag oder auf Facebook vertrete, macht keinen Unterschie­d – in beiden Fällen würde es eine dienstrech­tliche Reaktion nach sich ziehen, von der Einbestell­ung zum Gespräch etwa bei dem jeweiligen Vorgesetzt­en bis hin zur Abmahnung.

Wie groß ist generell das Problem, dass zum Beispiel Priester geschmackl­ose Inhalte bei Facebook veröffentl­ichen? Haering: Die Zahl von Konfliktfä­llen scheint mir gering. Dennoch könnte es sein, dass der Codex des Bistums Augsburg von anderen Bistümern aufgegriff­en wird. Bislang gab es so etwas für den Bereich der sozialen Medien in dieser Form in Deutschlan­d meines Wissens nach noch nicht. Interview: Daniel Wirsching

Prof. Haering ist Benedik tinerpater. Er leitet den Lehrstuhl für Kirchenrec­ht an der Ludwig Maximili ans Universitä­t München.

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