Mit Karaoke nach Budapest
Europameisterschaft Sieben Sänger zeigen ihr Können im Lauinger Bierbrunnen. Wer weiterkommt, hat die Chance auf den Titel und eine Reise nach Ungarn
Lauingen Inmitten einer rauchigen, düsteren Kneipe, zwischen Bierflaschen und Zigarettenstummeln trällern die Gäste lallend Lieder und lesen Texte vom Bildschirm ab – so das Klischee typischer KaraokePartys. Bei der im Bierbrunnen in Lauingen sieht das anders aus. Hier geht es um den Titel des Europameisters. Sieben Teilnehmer haben am Mittwochabend beim offenen Casting für die Euroke 2017 mitgemacht. Dabei handelt es sich um die größte Karaokemeisterschaft in Europa.
Jennifer Eberhard ist eine von sieben Sängern. Sie traut sich auf die bunt beleuchtete Bühne zu treten. In einem luftigen Blümchenkleid und locker zurückgesteckten Haaren stellt sie sich ans Mikrofon. Nervös? Nein, sagt die 20-Jährige. „Ich war noch nie aufgeregt.“Jeden Mittwoch ist sie Stammgast in der Lauinger Bar. Dann stehen die traditionellen Karaoke-Abende an. „Ich habe schon immer gerne gesungen. Bereits in der Schule, da war ich bei einem Kindermusical dabei“, erinnert sie sich und lächelt. Wenn viele Zuschauer im Raum stehen, ist Jennifer Eberhard besonders entspannt. Auch vor ihrem Auftritt im Bierbrunnen macht sie sich keinen Stress. Leistungsdruck störe den Spaß an der Sache. Als neues Supertalent sieht sich die Lauingerin nicht. „Ich bin nicht die beste Sängerin, aber ich singe einfach gerne und habe Spaß.“An diesem Abend sie den Titel „Ich will keine Schokolade“von Trude Herr. Mit einem breiten Lachen tritt sie vor das Podest. Ablesen muss sie kaum. Und wenn, merkt es niemand. Sie dreht sich um die eigene Achse, wirft ihre Arme umher und sucht den Augenkontakt mit dem Publikum. Ihre Lebensfreude lässt sich auf dem Gesicht ablesen. „Ihre Ausstrahlung hat mir besonders gefallen“, sagt Euroke-Organisator Martin Galle. Auch die anderen Kriterien erfüllt die junge Hobbysängerin mit Bravour. Zu bewerten sind die Stimme und der Ausdruck, Intonation und Timing sowie das Entertainment. Jennifer Eberhard schafft es zusammen mit Kathrin Klauser und Daniel Hab in das Gewinnerteam. Hab aus Günzburg überzeugt besonders durch seine Performance. Zum Schlager-Klassiker „Macho Macho“wackelt er mit den Hüften, hebt die Augenbrauen und animiert die Zuschauer im Raum zum Mitmachen. Die Aislingerin Kathrin Klauser ist, was die Bühnenpräsenz angeht, etwas zurückhaltender. Dafür überzeugt sie durch Stimme und Tempo.
Nicht ganz gereicht hat es für Melanie Rulf. Ihr Auftritt glänzt durch Gefühl. Immer wieder schließt sie die Augen, während sie „I will always love you“von Whitney Houston ins Mikro haucht. Trotz schöner Stimmfarbe sei sie durch die Titelauswahl jedoch an ihre Grenzen gekommen. So erläutert es Galle, als er die Entscheidung der Jury verkündet. Als selbststän- diger Karaoke-Veranstalter reist der 41-Jährige derzeit quer durch Deutschland, um die passenden Kandidaten für die beiden Recalls in Brannenburg zu finden. Zehn bis zwölf Teilnehmer schaffen es anschließend ins Pokalfinale. Das läuft am Samstag, 10. Juni, ebenfalls in Brannenburg. Für die besten zwei Frauen und Männer heißt es dann: Finale. In der ungarischen Hauptstadt Budapest treten die Finalisten gegen Hobbysänger aus 15 Ländern an.
Für ein offenes Casting war Galle bisher noch nie in Lauingen. Zum ersten Mal ist der Bierbrunnen Austragungsort. Harald Schaller feiert mit seinem DJ-Express schon seit Jahren Karaoke-Partys. Im Bierwählt brunnen seit fast 20 Jahren. Oft seien es die Gleichen, die auftreten und von einer Karaoke-Party zur nächsten ziehen. Schaller glaubt an das Konzept: „So lange es DSDS gibt, ist Karaoke nicht tot.“Profis seien hier nicht gefragt. „Es muss nicht jeder Ton getroffen werden. Es soll Spaß machen.“Galle ist es hingegen auch wichtig, das typische, verruchte Klischee des Karaokesingens loszuwerden. „Es geht nicht nur um Alkohol beim Karaoke, sondern es treten auch wirklich gute Sänger auf.“So wie Jennifer Eberhard. Als Organisator Galle die Gewinner bekannt gibt, rufen vereinzelte Zuschauer schon ihren Namen. Sie hat überzeugt – auch ohne die Kulisse einer verrauchten Kneipe.