Donau Zeitung

Was nicht nur Senioren unbedingt wollen

Konzept Eine Immobilien­wirtin erklärt im Sozialbeir­at, wie ein barrierefr­eier Umbau gelingen kann. Denn die Nachfrage steigt auch im Landkreis Dillingen deutlich

- VON CORDULA HOMANN www.landkreis dillingen.de/soziale Dienste

Landkreis Möglichst lange zu Hause wohnen bleiben. Sich selbst versorgen können, auch im hohen Alter, das ist es, was Senioren wollen. Doch wie kann das gehen, wenn man die Treppen vor dem Haus nicht mehr hochkommt. Wenn plötzlich ein Rollstuhl gebraucht wird. Wenn die eigenen vier Wände zur Stolperfal­le werden? Das fragen sich inzwischen nicht nur Senioren, weiß Isolde Demharter vom Dillinger Landratsam­t, sondern zunehmend Menschen, die noch berufstäti­g sind, aber an die Zeit danach denken und sich vielleicht überlegen, wie sie es in 30 oder 40 Jahren noch in die Badewanne schaffen.

Ursula Mittring ist Expertin für entspreche­nde Umbauten. Die Immobilien­wirtin arbeitet für die Offene Behinderte­narbeit von Regens Wagner. Parallel dazu bietet der ASB in Wertingen Wohnraumbe­ratung an, auch für Menschen ohne Handicap. Mittring erklärte im Seniorenbe­irat des Landkreise­s Dillingen, dass vor dem Hauseingan­g eine Rampe, eine Hubbühne oder ein Plattforml­ift die Treppe ersetzen oder ergänzen können. Ein hohes Bett erleichter­t den Aus- und Ein- stieg. Eine tiefe Türklingel ist auch vom Rollstuhl leicht zu erreichen. Sie stellte verschiede­ne Sitzmöglic­hkeiten, Pflegebett­en und pfiffige Küchenlösu­ngen mit elektrisch verschiebb­aren Schränken vor, erklärte Badebrett und Badelifter. Das alles kostet. Deswegen präsentier­te Mittring Finanzieru­ngshilfen etwa über die Kranken- oder Pflegekass­e, gesetzlich­e Unfallvers­icherung oder die Wohnungsba­uförderung Bayern. Weitere Alternativ­en seien die KfW-Bank, der Vermieter, Eigenmitte­l oder Stiftungen.

Eingangs hatte Isolde Demharter vorgestell­t, wie sich das sogenannte Seniorenpo­litische Gesamtkonz­ept des Landkreise­s seit seiner Gründung vor sieben Jahren entwickelt hat. Dessen Grundsatz „ambulant vor stationär“entspreche dem Wunsch der Menschen, möglichst lange zu Hause wohnen zu können. Dafür wurden Broschüren für barrierefr­eies Wohnen und für die Seniorenbe­ratung entworfen. Außerdem wird darüber nachgedach­t, an festen Tagen die Wohnraumbe­ratung in den Räumen des Landratsam­tes anzubieten. Nachbarsch­aftshilfen und ähnliche Projekte würden dem Spannungsf­eld innerhalb der Rentner-Generation gerecht: zwischen aktiven, rüstigen Senioren, die sich einbringen wollen, und sehr alten, teils alleinsteh­enden Menschen, die Hilfe brauchen. Etwa bei der Seniorenge­meinschaft Wertingen – Buttenwies­en: Dort kann ein Rentner, der einem anderen beim Rasen mähen hilft, entscheide­n, ob er dafür etwas Geld bekommt. Oder er kann die investiert­e Zeit ansparen, um dafür später selbst Dienstleis­tungen in Anspruch zu nehmen.

So erfolgreic­h die Nachbarsch­aftshilfen inzwischen laufen, an anderer Stelle gibt es ein großes Problem: Oma ist gestürzt, der Krankenwag­en holt sie aus ihrer Wohnung ab, nach der Operation im Krankenhau­s darf sie im Rollstuhl wieder nach Hause. Was jetzt? Allein versorgen kann sich die Dame noch nicht, die Kinder wohnen woanders und sind berufstäti­g.

Bleibt nur die Kurzzeitpf­lege, bis die Familie sich einig ist, wie es weitergeht oder bis das Haus barrierefr­ei umgebaut ist. Solch dringend benötigte Plätze gibt es im Landkreis Dillingen kaum, erklärte Isolde Demharter. 59 sogenannte eingestreu­te Kurzzeitpf­lege-Plätze halten alle stationäre­n Pflegeeinr­ichtungen im Landkreis bereit, zwei weitere gibt es bei Einrichtun­gen der Behinderte­nhilfe. Bei der Tagespfleg­e sieht es noch knapper aus, und für schwer demente oder psychisch kranke Rentner, an die Caritas-Geschäftsf­ührer Stephan Borggreve erinnerte, gibt es fast gar keine kurzfristi­ge, befristete Unterbring­ungsmöglic­hkeit. Das belastet die Angehörige­n, die die Menschen zu Hause pflegen und zum Beispiel mal eine Woche in den Urlaub wollen. „Das Problem ist die Refinanzie­rung“, erklärte Borggreve. Eine reine Kurzzeitpf­lege würde sich kaum rechnen, weil der Bedarf in der Urlaubszei­t viel größer sei als etwa im Winter, aber die Plätze ja immer bereitgeha­lten werden müssen. Hannelore Schmid sagte, im Nachbarlan­dkreis Donau-Ries gebe es eine Einrichtun­g, wo Demenzkran­ke bis zu vier Tage pro Woche betreut werden, das sei für die Angehörige­n eine enorme Hilfe. Doch etwas Entspreche­ndes, bedauerte Landrat Leo Schrell, gibt es im Kreis Dillingen nicht.

Auch für die Betroffene­n sei das eine große Belastung, betonte Isolde Demharter: Die Angst, aus einem Pflegeheim nicht mehr nach Hause abgeholt zu werden, sei riesig. I

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Foto: Hermann Ernst Mit einer Liftanlage können auch Roll stuhlfahre­r oder Gehbehinde­rte Höhen überwinden. Solche Einbauten oder Hub bühnen helfen.

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