Donau Zeitung

Romeo hat den Krebs besiegt

Tag der Lebendspen­de Als er zwei Jahre alt war, bekam er Leukämie. Vier Jahre später tobt der junge Weisinger im Trampolin. Mit viel Lächeln, Kraft und Hilfe hat er es geschafft

- VON KATRIN REIF »Kommentar

Weisingen Romeos Lächeln ist ansteckend. Der Sechsjähri­ge ist die pure Lebenskraf­t. Er klettert in das Trampolin in seinem Garten in Weisingen und hüpft los wie ein Wilder. „Arschbombe“, ruft er seiner Mutter Corinna Schachaned­er zu und lässt sich auf den Hintern fallen. „Pass auf dein G’nack auf“, ruft sie zurück. Einen einzigen Salto macht Romeo trotzdem.

Seine Mama bleibt entspannt. Ihre Einstellun­g hat sich in den vergangene­n Jahren verändert. Wenn ihre beiden Jungs, Romeo und sein älterer Bruder Leon, heute ihre „wilden fünf Minuten“haben, ist sie froh darum und lässt sie toben. Es gab Zeiten, da hat sie Romeo anders gesehen – voller Sorge und Zweifel.

Im August 2013 fiel ihr auf, dass ihr damals zwei Jahre alter Sohn blass ist und häufig schläft. „Seine Lippen hatten kaum noch Farbe“, erinnert sie sich. Als sie der Kinderarzt in die Kinderklin­ik nach Augsburg schickte, ahnte sie schon, dass ihr Sohn wohl mehr ausbrütete als eine Magen-Darm-Erkrankung. Der Schock überkam sie erst, als plötzlich fünf Ärzte, darunter eine Psychologi­n, im Behandlung­szimmer standen. Sie teilten ihr die Diagnose mit: „Wir haben böse Zellen im Blut gefunden, ihr Sohn leidet an Leukämie.“

Romeo durfte das Krankenhau­s nicht mehr verlassen. Er blieb sofort dort, durchlief etliche Tests und bekam schließlic­h einen sogenannte­n Hickman-Katheter an seine Brust operiert. Die Nadel steckte in seiner Vene, davon führten zwei Schläuche weg. Auf diesem Weg bekam er die Chemothera­pie. Seine Mutter musste Papiere unterschre­iben, die sie darauf hinwiesen, dass die Dosis genauso stark ist wie bei einem Erwachsene­n und nicht nur der Krebs sondern im schlimmste­n Fall auch die Therapie ihr Kind das Leben kosten kann. „Die erste Zeit im Krankenhau­s versteht man nicht, dass auf einmal so nah da ist, was immer nur die anderen hatten.“

Die 37-Jährige hat den Katheter aufgehoben. Sie holt ihn aus einer Schachtel und achtet darauf, dass Romeo ihn nicht zu sehen bekommt. Sie weiß nicht, wie er darauf reagieren würde. Romeos Mutter hat alle Dokumente aufbewahrt, die zeigen, was ihr Sohn durchgemac­ht hat. Der Ordner ist übervoll.

Doch es sind nicht nur medizinisc­he Papiere, die sie aus der Zeit im Krankenhau­s mitgebrach­t hat. Es sind vor allem Fotos. Sie und ihr Mann haben jede Menge gemacht, im Krankenhau­s, wo sie während der Chemo-Blöcke abwechseln­d mit ihrem Sohn lebten, und auch zu Hause, wo er oft drinnen bleiben musste, weil sein Immunsyste­m sehr schwach war. Die Fotos zeigen, was Romeo auch heute noch ausmacht: sein ansteckend­es Lächeln. Er steht im Spielraum der Kinderklin­ik im Tor, spielt mit Traktoren am Boden seines Behandlung­szimmers – und lächelt. Er verliert seine Haare, die Behandlung mit Cortison lässt ihn aufquellen – doch er lächelt. Seine Eltern sind heute immer noch beeindruck­t davon, wie viel Kraft ihnen Romeo in dieser Zeit gegeben hat. „Er hat nur einmal geweint, als er in ein Röntgenger­ät musste. Ansonsten war er immer geduldig und tapfer. Tapferer als wir“, erzählt seine Mutter.

Zwei Jahre dauerte die ChemoThera­pie. Zum heutigen Tag der Lebendspen­de will Corinna Schachaned­er auf etwas ganz besonders aufmerksam machen: „Während dieser Zeit hat Romeo etwa 14 Blutkonser­ven bekommen und mehrere Packungen mit den Blutzellen Thrombozyt­en. Es ist wichtig, dass Leute Blut spenden. Romeos Körper hätte es allein nicht geschafft, das Blut wiederherz­ustellen.“

Als sich die zwei Jahre dem Ende zuneigten, schien der Körper des Vierjährig­en den Krebs besiegt zu haben. Seine Werte waren gut. Dann der nächste Schock: Plötzlich wurden wieder böse Zellen im Blut gefunden. Romeos Familie und Freunde setzten sofort alles in Bewegung, um einen Stammzelle­nspender zu finden. Eine große Typisierun­gsaktion im Dillinger Stadtsaal war bereits organisier­t, als die Entwarnung kam: Fehlalarm.

Inzwischen durchläuft Romeo die letzte Phase seiner Behandlung. Bis August 2018 muss er noch regelmäßig zur Blutkontro­lle. Beim Stupfen wird ihm Blut aus dem Finger genommen und auf böse Zellen getestet. Seine Mama ist guter Dinge.

Romeo selbst spricht nicht über die Vergangenh­eit. Den HickmanKat­heter, der zwei Jahre an seiner Brust hing, hat er seit seiner „HickiEx-Party“vor gut zwei Jahren nicht mehr gesehen. Romeo ist zurück im Leben, steht im Bayern-Trikot auf dem Fußballpla­tz, düst mit dem Fahrrad herum oder hüpft wie wild im Trampolin. Die Familie Schachaned­er lebt jeden Tag in vollen Zügen. „Abends frage ich mich, ob ich alles getan habe, was uns glücklich macht“, sagt Romeos Mutter. Dann springt ihr Sohn auf ihren Schoß und drückt sich mit seinem Kopf an ihren Nacken.

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Fotos: Katrin Reif So sieht es aus, wenn Romeo nach einer „Arschbombe“im Trampolin landet. Der Sechsjähri­ge hat bereits eine Krebs Erkrankung hinter sich.
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Corinna Schachaned­er und ihr Sohn Ro meo sitzen im Strandkorb.

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