Romeo hat den Krebs besiegt
Tag der Lebendspende Als er zwei Jahre alt war, bekam er Leukämie. Vier Jahre später tobt der junge Weisinger im Trampolin. Mit viel Lächeln, Kraft und Hilfe hat er es geschafft
Weisingen Romeos Lächeln ist ansteckend. Der Sechsjährige ist die pure Lebenskraft. Er klettert in das Trampolin in seinem Garten in Weisingen und hüpft los wie ein Wilder. „Arschbombe“, ruft er seiner Mutter Corinna Schachaneder zu und lässt sich auf den Hintern fallen. „Pass auf dein G’nack auf“, ruft sie zurück. Einen einzigen Salto macht Romeo trotzdem.
Seine Mama bleibt entspannt. Ihre Einstellung hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Wenn ihre beiden Jungs, Romeo und sein älterer Bruder Leon, heute ihre „wilden fünf Minuten“haben, ist sie froh darum und lässt sie toben. Es gab Zeiten, da hat sie Romeo anders gesehen – voller Sorge und Zweifel.
Im August 2013 fiel ihr auf, dass ihr damals zwei Jahre alter Sohn blass ist und häufig schläft. „Seine Lippen hatten kaum noch Farbe“, erinnert sie sich. Als sie der Kinderarzt in die Kinderklinik nach Augsburg schickte, ahnte sie schon, dass ihr Sohn wohl mehr ausbrütete als eine Magen-Darm-Erkrankung. Der Schock überkam sie erst, als plötzlich fünf Ärzte, darunter eine Psychologin, im Behandlungszimmer standen. Sie teilten ihr die Diagnose mit: „Wir haben böse Zellen im Blut gefunden, ihr Sohn leidet an Leukämie.“
Romeo durfte das Krankenhaus nicht mehr verlassen. Er blieb sofort dort, durchlief etliche Tests und bekam schließlich einen sogenannten Hickman-Katheter an seine Brust operiert. Die Nadel steckte in seiner Vene, davon führten zwei Schläuche weg. Auf diesem Weg bekam er die Chemotherapie. Seine Mutter musste Papiere unterschreiben, die sie darauf hinwiesen, dass die Dosis genauso stark ist wie bei einem Erwachsenen und nicht nur der Krebs sondern im schlimmsten Fall auch die Therapie ihr Kind das Leben kosten kann. „Die erste Zeit im Krankenhaus versteht man nicht, dass auf einmal so nah da ist, was immer nur die anderen hatten.“
Die 37-Jährige hat den Katheter aufgehoben. Sie holt ihn aus einer Schachtel und achtet darauf, dass Romeo ihn nicht zu sehen bekommt. Sie weiß nicht, wie er darauf reagieren würde. Romeos Mutter hat alle Dokumente aufbewahrt, die zeigen, was ihr Sohn durchgemacht hat. Der Ordner ist übervoll.
Doch es sind nicht nur medizinische Papiere, die sie aus der Zeit im Krankenhaus mitgebracht hat. Es sind vor allem Fotos. Sie und ihr Mann haben jede Menge gemacht, im Krankenhaus, wo sie während der Chemo-Blöcke abwechselnd mit ihrem Sohn lebten, und auch zu Hause, wo er oft drinnen bleiben musste, weil sein Immunsystem sehr schwach war. Die Fotos zeigen, was Romeo auch heute noch ausmacht: sein ansteckendes Lächeln. Er steht im Spielraum der Kinderklinik im Tor, spielt mit Traktoren am Boden seines Behandlungszimmers – und lächelt. Er verliert seine Haare, die Behandlung mit Cortison lässt ihn aufquellen – doch er lächelt. Seine Eltern sind heute immer noch beeindruckt davon, wie viel Kraft ihnen Romeo in dieser Zeit gegeben hat. „Er hat nur einmal geweint, als er in ein Röntgengerät musste. Ansonsten war er immer geduldig und tapfer. Tapferer als wir“, erzählt seine Mutter.
Zwei Jahre dauerte die ChemoTherapie. Zum heutigen Tag der Lebendspende will Corinna Schachaneder auf etwas ganz besonders aufmerksam machen: „Während dieser Zeit hat Romeo etwa 14 Blutkonserven bekommen und mehrere Packungen mit den Blutzellen Thrombozyten. Es ist wichtig, dass Leute Blut spenden. Romeos Körper hätte es allein nicht geschafft, das Blut wiederherzustellen.“
Als sich die zwei Jahre dem Ende zuneigten, schien der Körper des Vierjährigen den Krebs besiegt zu haben. Seine Werte waren gut. Dann der nächste Schock: Plötzlich wurden wieder böse Zellen im Blut gefunden. Romeos Familie und Freunde setzten sofort alles in Bewegung, um einen Stammzellenspender zu finden. Eine große Typisierungsaktion im Dillinger Stadtsaal war bereits organisiert, als die Entwarnung kam: Fehlalarm.
Inzwischen durchläuft Romeo die letzte Phase seiner Behandlung. Bis August 2018 muss er noch regelmäßig zur Blutkontrolle. Beim Stupfen wird ihm Blut aus dem Finger genommen und auf böse Zellen getestet. Seine Mama ist guter Dinge.
Romeo selbst spricht nicht über die Vergangenheit. Den HickmanKatheter, der zwei Jahre an seiner Brust hing, hat er seit seiner „HickiEx-Party“vor gut zwei Jahren nicht mehr gesehen. Romeo ist zurück im Leben, steht im Bayern-Trikot auf dem Fußballplatz, düst mit dem Fahrrad herum oder hüpft wie wild im Trampolin. Die Familie Schachaneder lebt jeden Tag in vollen Zügen. „Abends frage ich mich, ob ich alles getan habe, was uns glücklich macht“, sagt Romeos Mutter. Dann springt ihr Sohn auf ihren Schoß und drückt sich mit seinem Kopf an ihren Nacken.