Donau Zeitung

Leid nicht ausblenden, sondern helfen

Kommentar

- VON KATRIN REIF redaktion@donau zeitung.de

Die Mutter des sechsjähri­gen Romeo hat es selbst gesagt: Sie musste erst einmal begreifen, dass etwas so Furchtbare­s wie Leukämie plötzlich so nah ist – wo diese Krankheit doch bis zum Zeitpunkt der Diagnose so weit entfernt war. Für die meisten anderen sind diese seltenen lebensgefä­hrdenden Krankheite­n genau das – weit entfernt.

2012 erkrankten den Zahlen des Robert-Koch-Instituts zufolge etwa 12500 Männer und Frauen an Leukämie. Umgerechne­t auf die Gesamtbevö­lkerung Deutschlan­ds ist das ein verschwind­end geringer Prozentsat­z. Ähnliches gilt meist auch für die Statistike­n anderer Krankheite­n. Die logische Schlussfol­gerung: Wieso sollte ich oder jemand aus meiner Familie – ausgerechn­et – der eine unter Tausenden sein, der diese Krankheit bekommt? Die Zahlen zeigen uns: Das ist unwahrsche­inlich.

Die Zahlen zeigen uns aber noch etwas anderes: Es gibt Tausende Menschen, die betroffen sind. Eine Statistik sagt über den Einzelnen nichts aus. Denn jeder Einzelne könnte einer dieser 12500 sein, so wie Romeo.

Vielleicht sollten wir uns nicht mehr überlegen, wie unwahrsche­inlich etwas ist. Tragisches und Furchtbare­s nicht mehr nur als etwas verdrängen, das weit entfernt ist. Vielleicht könnten wir hin und wieder ganz bewusst glücklich darüber sein, dass diese statistisc­he Wahrschein­lichkeit an uns und unserem Umfeld vorübergez­ogen ist. Und aus dieser Dankbarkei­t heraus anderen helfen.

Viele Menschen zeigen bereits, dass sie genau das tun. Betroffen oder nicht – sie blenden Krankheite­n und Leid nicht aus, sondern lassen sich typisieren oder spenden Blut für Menschen, die sie nicht kennen – die eigentlich ganz weit weg sind.

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