Leid nicht ausblenden, sondern helfen
Kommentar
Die Mutter des sechsjährigen Romeo hat es selbst gesagt: Sie musste erst einmal begreifen, dass etwas so Furchtbares wie Leukämie plötzlich so nah ist – wo diese Krankheit doch bis zum Zeitpunkt der Diagnose so weit entfernt war. Für die meisten anderen sind diese seltenen lebensgefährdenden Krankheiten genau das – weit entfernt.
2012 erkrankten den Zahlen des Robert-Koch-Instituts zufolge etwa 12500 Männer und Frauen an Leukämie. Umgerechnet auf die Gesamtbevölkerung Deutschlands ist das ein verschwindend geringer Prozentsatz. Ähnliches gilt meist auch für die Statistiken anderer Krankheiten. Die logische Schlussfolgerung: Wieso sollte ich oder jemand aus meiner Familie – ausgerechnet – der eine unter Tausenden sein, der diese Krankheit bekommt? Die Zahlen zeigen uns: Das ist unwahrscheinlich.
Die Zahlen zeigen uns aber noch etwas anderes: Es gibt Tausende Menschen, die betroffen sind. Eine Statistik sagt über den Einzelnen nichts aus. Denn jeder Einzelne könnte einer dieser 12500 sein, so wie Romeo.
Vielleicht sollten wir uns nicht mehr überlegen, wie unwahrscheinlich etwas ist. Tragisches und Furchtbares nicht mehr nur als etwas verdrängen, das weit entfernt ist. Vielleicht könnten wir hin und wieder ganz bewusst glücklich darüber sein, dass diese statistische Wahrscheinlichkeit an uns und unserem Umfeld vorübergezogen ist. Und aus dieser Dankbarkeit heraus anderen helfen.
Viele Menschen zeigen bereits, dass sie genau das tun. Betroffen oder nicht – sie blenden Krankheiten und Leid nicht aus, sondern lassen sich typisieren oder spenden Blut für Menschen, die sie nicht kennen – die eigentlich ganz weit weg sind.