Steinbrück bringt Leben in die SPD
Partei Kritik empört und löst Debatte aus
Berlin Die SPD schäumt. Als Todsünde in der ältesten deutschen Partei gilt mangelnde Solidarität. Ausnahmen (wie der Sturz von Kurt Beck) bestätigen dabei die Regel. Der ganze Zorn der Partei richtet sich nun gegen einen Mann, mit dem viele in der SPD nie warm wurden: Peer Steinbrück. Der ging 2013 nach einem völlig verkorksten Wahlkampf als Kanzlerkandidat mit 25,7 Prozent unter. Jetzt fährt der Ex-Finanzminister dem aktuellen Kanzlerkandidaten Martin Schulz in die Parade. Zwar dürfte einiges, was Steinbrück über große Sonntags-Interviews losgelassen hat, satirisch überzeichnet sein – Privatier Steinbrück ist ab Juli mit dem Kabarettisten Florian Schroeder auf Bühnentour. Ein bisschen SPD-Bashing ist da keine schlechte Werbung.
Was Steinbrück, der 2016 den Bundestag verließ und jetzt über die Helmut-Schmidt-Bundesstiftung wacht, von der Seitenlinie halb ironisch ins SPD-Spielfeld schießt, treibt das Schulz-Team zur Weißglut. Die 100 Prozent bei dessen Wahl zum Parteichef seien „vergiftet“gewesen: „Die Partei saß plötzlich auf Wolke sieben, es hat sich ein Realitätsverlust eingestellt und das Publikum hat sich gewundert: Steht da jetzt Erich Schulz-Honecker?“Das trieft vor Häme. Und genauso wird es in der SPD verstanden.
Doch Steinbrücks Analyse trifft auch einen Nerv. Der von Schulz geduldete, vom Wähler zurückgewiesene rot-rote Flirt im Saarland? „Das hätte ich der SPD vorher sagen können. Rot-Rot-Grün ist, jedenfalls im Westen, schlicht und einfach nicht akzeptabel“, sagt Steinbrück. Fraktionschef Oppermann stößt am Wochenende in dasselbe Horn.
Am Samstag, da kursieren bereits die Steinbrück-Äußerungen, tritt Schulz vor Wahlkämpfern im Willy-Brandt-Haus auf. „Neulich hab ich irgendwo gelesen, sieht aus wie ein Eisenbahn-Schaffner.“Was sei das für eine oberflächliche Haltung, ereifert sich Schulz: „Die überwiegende Mehrheit der Menschen in diesem Lande (…) kauft die Anzüge von der Stange oder hat vielleicht auch nur ein Kassengestell bei der Brille. Aber genau das sind die Leute, die dieses Land am Laufen halten.“Für einen Augenblick ist der Schulz-Effekt wieder da. Auch der Kandidat wirkt vitalisiert. (dpa)